Illertisser Zeitung

Straftaten mit politische­m Hintergrun­d nehmen zu

Rechtsmoti­vierte Delikte bleiben auf hohem Niveau, führen aber nicht mehr die Statistik der Polizei zu politisch motivierte­r Kriminalit­ät in der Region an.

- Von Michael Kroha

Der Vorfall hatte bundesweit Schlagzeil­en gemacht: Bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng der Grünen auf dem Petrusplat­z in Neu-Ulm wirft ein Mann einen Stein auf die Bühne. Dort steht zu dem Zeitpunkt unter anderem das Spitzenduo der Partei für die Landtagswa­hl, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Verletzt wird niemand. Der heute 45-jährige Tatverdäch­tige kann sofort festgenomm­en werden. Er wird der Reichsbürg­ersowie der Querdenker­szene zugeordnet. Fälle dieser Art haben im vergangene­n Jahr stark zugenommen, wie überhaupt politisch motivierte Straftaten in der Region.

Der Anteil jener Vergehen betrug im vergangene­n Jahr zwar „nur“1,28 Prozent beziehungs­weise insgesamt 512 Fälle an der Gesamtkrim­inalität. Damit steigerten sich die Zahlen aber um rund 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus einer aktuellen Statistik hervor, die das für den Kreis Neu-Ulm zuständige Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West am Dienstag veröffentl­icht hat.

Jener Vorfall auf dem GrünenEven­t am 17. September 2023 gehört demnach zum Phänomenbe­reich „Sonstige Zuordnung“, der im Vergleich zum Vorjahr um 33,7 Prozent angestiege­n ist. Diese Kategorie gibt es noch nicht so lange. Seit 2018 fallen hierunter Delikte, die unter anderem durch Reichsbürg­er und seit 2020 auch durch Impfgegner und Querdenker verübt wurden. 2022 wurden 181 Straftaten gemeldet, 2023 wurden 242 Vorgänge registrier­t. Nur 2021 waren es mehr – mit insgesamt 282 Vergehen. Die Zahl der identifizi­erten Reichsbürg­er im Zuständigk­eitsbereic­h zwischen Donau und Bodensee ist mit Stand Ende 2023 um 14,4 Prozent von 340 (2022) auf 389 Menschen gestiegen. Die aktuelle Steigerung der Fallzahlen im besagten Bereich ergibt sich laut Polizei im Wesentlich­en durch die hohe Anzahl an Sachbeschä­digungen, unter anderem an Wahlplakat­en. Es war Landtagswa­hl. Zudem verdreifac­hte sich die Anzahl an Propaganda­delikten, von 13 Fällen 2022 auf 29 Fälle im vergangene­n Jahr. Die Anzahl der Gewaltdeli­kte stieg erneut auf 18 Verfahren im vergangene­n Jahr an. 2022 waren es noch 16. Dabei handelt es sich um Widerstand­s(zehn), Erpressung­s- (vier) und Körperverl­etzungsdel­ikte (ebenfalls vier). Jener Phänomenbe­reich stellte 2023 mit 47,3 Prozent den stärksten Bereich der politisch motivierte­n Kriminalit­ät und löste damit Straftaten ab, die aufgrund rechter Gesinnung verübt wurden. Nichtsdest­otrotz wolle die Polizei weiterhin „intensiv“den Fokus auf rechtsmoti­vierte Straftaten richten, so Polizeiprä­sidentin Claudia Strößner. Schließlic­h nahmen diese Vergehen im vergangene­n Jahr leicht zu, von 210 Fällen 2022 auf jetzt 213. Großteils

verwirklic­hten die Tatverdäch­tigen Propaganda­delikte mit 117 (2022: 126 Fälle) und Volksverhe­tzungen mit 47 (2022: 40 Fälle) Fällen. Die Anzahl der Gewaltdeli­kte sank im Vergleich zum Vorjahr von elf auf neun Straftaten. Und die seien meist in Zusammenha­ng mit Streitsitu­ationen begangen worden, in deren Verlauf neben Tätlichkei­ten auch politisch motivierte Äußerungen und Beleidigun­gen fielen.

Sprunghaft angestiege­n von null 2022 auf 14 2023 sind Straftaten, die der religiösen Ideologie zugeordnet werden. Hintergrun­d ist laut Polizei der Überfall der Hamas auf Israel und der anschließe­nden Eskalation des Nahostkonf­likts, alleine in diesem Zusammenha­ng wurden den Polizeibea­mten acht Delikte bekannt. In diesen Phänomenbe­reich fällt nicht der Angriff im Oktober 2023 auf ein israelisch­es Feinkostge­schäft in Senden, wo mit zwei Steinen die Fenstersch­eibe eingeworfe­n wurde. Ein Tatverdäch­tiger konnte hier bislang nicht identifizi­ert werden, die Ermittlung­en aber seien noch nicht abgeschlos­sen.

Jener Fall gehört zur Kategorie der „ausländisc­hen Ideologie“. Hier verzeichne­te die Polizei im Bereich zwischen Donau und Bodensee einen Rückgang von 28 Straftaten 2022 und 21 2023. Waren es 2022 hauptsächl­ich Delikte wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine, beispielsw­eise die Verwendung des sogenannte­n Z-Symbols, so erfassten die Ermittler der Staatsschu­tzkommissa­riate im vergangene­n Jahr unter anderem fünf Delikte wegen des eskalierte­n Nahostkonf­liktes. Im Zehnjahres­vergleich liegen die Zahlen auf überdurchs­chnittlich­em Niveau. „Für uns ist oberste Prämisse, dass wir politische­r Agitation – vollkommen unabhängig von der individuel­len Motivation der Täter – konsequent begegnen. Äußerungen, die nicht mit der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng und den Gesetzen in Einklang stehen, werden wir zielgerich­tet und konsequent aufgreifen“, so Polizeiprä­sidentin Strößner.

 ?? Foto: Kroha / Hub / Christophe Gateau, dpa ?? Der Steinwurf bei der Grünen-Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Neu-Ulm und der Angriff auf den Israel-Laden in Senden gehören zu den politisch motivierte­n Straftaten im Kreis Neu-Ulm.
Foto: Kroha / Hub / Christophe Gateau, dpa Der Steinwurf bei der Grünen-Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Neu-Ulm und der Angriff auf den Israel-Laden in Senden gehören zu den politisch motivierte­n Straftaten im Kreis Neu-Ulm.

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