Straftaten mit politischem Hintergrund nehmen zu
Rechtsmotivierte Delikte bleiben auf hohem Niveau, führen aber nicht mehr die Statistik der Polizei zu politisch motivierter Kriminalität in der Region an.
Der Vorfall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht: Bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen auf dem Petrusplatz in Neu-Ulm wirft ein Mann einen Stein auf die Bühne. Dort steht zu dem Zeitpunkt unter anderem das Spitzenduo der Partei für die Landtagswahl, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Verletzt wird niemand. Der heute 45-jährige Tatverdächtige kann sofort festgenommen werden. Er wird der Reichsbürgersowie der Querdenkerszene zugeordnet. Fälle dieser Art haben im vergangenen Jahr stark zugenommen, wie überhaupt politisch motivierte Straftaten in der Region.
Der Anteil jener Vergehen betrug im vergangenen Jahr zwar „nur“1,28 Prozent beziehungsweise insgesamt 512 Fälle an der Gesamtkriminalität. Damit steigerten sich die Zahlen aber um rund 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus einer aktuellen Statistik hervor, die das für den Kreis Neu-Ulm zuständige Polizeipräsidium Schwaben Süd/West am Dienstag veröffentlicht hat.
Jener Vorfall auf dem GrünenEvent am 17. September 2023 gehört demnach zum Phänomenbereich „Sonstige Zuordnung“, der im Vergleich zum Vorjahr um 33,7 Prozent angestiegen ist. Diese Kategorie gibt es noch nicht so lange. Seit 2018 fallen hierunter Delikte, die unter anderem durch Reichsbürger und seit 2020 auch durch Impfgegner und Querdenker verübt wurden. 2022 wurden 181 Straftaten gemeldet, 2023 wurden 242 Vorgänge registriert. Nur 2021 waren es mehr – mit insgesamt 282 Vergehen. Die Zahl der identifizierten Reichsbürger im Zuständigkeitsbereich zwischen Donau und Bodensee ist mit Stand Ende 2023 um 14,4 Prozent von 340 (2022) auf 389 Menschen gestiegen. Die aktuelle Steigerung der Fallzahlen im besagten Bereich ergibt sich laut Polizei im Wesentlichen durch die hohe Anzahl an Sachbeschädigungen, unter anderem an Wahlplakaten. Es war Landtagswahl. Zudem verdreifachte sich die Anzahl an Propagandadelikten, von 13 Fällen 2022 auf 29 Fälle im vergangenen Jahr. Die Anzahl der Gewaltdelikte stieg erneut auf 18 Verfahren im vergangenen Jahr an. 2022 waren es noch 16. Dabei handelt es sich um Widerstands(zehn), Erpressungs- (vier) und Körperverletzungsdelikte (ebenfalls vier). Jener Phänomenbereich stellte 2023 mit 47,3 Prozent den stärksten Bereich der politisch motivierten Kriminalität und löste damit Straftaten ab, die aufgrund rechter Gesinnung verübt wurden. Nichtsdestotrotz wolle die Polizei weiterhin „intensiv“den Fokus auf rechtsmotivierte Straftaten richten, so Polizeipräsidentin Claudia Strößner. Schließlich nahmen diese Vergehen im vergangenen Jahr leicht zu, von 210 Fällen 2022 auf jetzt 213. Großteils
verwirklichten die Tatverdächtigen Propagandadelikte mit 117 (2022: 126 Fälle) und Volksverhetzungen mit 47 (2022: 40 Fälle) Fällen. Die Anzahl der Gewaltdelikte sank im Vergleich zum Vorjahr von elf auf neun Straftaten. Und die seien meist in Zusammenhang mit Streitsituationen begangen worden, in deren Verlauf neben Tätlichkeiten auch politisch motivierte Äußerungen und Beleidigungen fielen.
Sprunghaft angestiegen von null 2022 auf 14 2023 sind Straftaten, die der religiösen Ideologie zugeordnet werden. Hintergrund ist laut Polizei der Überfall der Hamas auf Israel und der anschließenden Eskalation des Nahostkonflikts, alleine in diesem Zusammenhang wurden den Polizeibeamten acht Delikte bekannt. In diesen Phänomenbereich fällt nicht der Angriff im Oktober 2023 auf ein israelisches Feinkostgeschäft in Senden, wo mit zwei Steinen die Fensterscheibe eingeworfen wurde. Ein Tatverdächtiger konnte hier bislang nicht identifiziert werden, die Ermittlungen aber seien noch nicht abgeschlossen.
Jener Fall gehört zur Kategorie der „ausländischen Ideologie“. Hier verzeichnete die Polizei im Bereich zwischen Donau und Bodensee einen Rückgang von 28 Straftaten 2022 und 21 2023. Waren es 2022 hauptsächlich Delikte wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine, beispielsweise die Verwendung des sogenannten Z-Symbols, so erfassten die Ermittler der Staatsschutzkommissariate im vergangenen Jahr unter anderem fünf Delikte wegen des eskalierten Nahostkonfliktes. Im Zehnjahresvergleich liegen die Zahlen auf überdurchschnittlichem Niveau. „Für uns ist oberste Prämisse, dass wir politischer Agitation – vollkommen unabhängig von der individuellen Motivation der Täter – konsequent begegnen. Äußerungen, die nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den Gesetzen in Einklang stehen, werden wir zielgerichtet und konsequent aufgreifen“, so Polizeipräsidentin Strößner.