6000 Helfer hoffen auf Langeweile
Das Rote Kreuz wird bei der Heim-EM für die Gesundheit der Fans sorgen. Es kommen beim bevorstehenden Fußball-Großereignis sogar mehr Sanitäter zum Einsatz als bei der WM 2006.
In vier Wochen wird die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland angepfiffen. In den Stadien werden zu den Partien insgesamt 2,7 Millionen Fans erwartet, viele Millionen mehr werden auf den Straßen, in Kneipen und zu Hause Fußball schauen, den Sport und sich selbst feiern. Deutschland träumt nach der Weltmeisterschaft 2006 von einem zweiten Sommermärchen, als das Land sich an sich selbst berauschte.
Bei jeder Ekstase besteht die Gefahr, dass die Stimmung kippt, dass etwas schiefgeht. Das Rote Kreuz hat den Auftrag aufzupassen. 6000 Sanitäter und Mediziner der Hilfsorganisation werden in und um die Stadien, die Unterkünfte der Mannschaften sowie den Feier-Meilen bereitstehen, wenn Fans und Sportler Hilfe brauchen. Das sind 1000 mehr als bei der Fußball-WM 2006. „Wir sind verantwortlich für die Gesundheit der Zuschauer und Spieler – von der Ersten Hilfe bis zur notfallmedizinischen Versorgung“, sagt René Burfeindt aus dem EM-Stab des Roten Kreuzes.
Seit zwei Jahren bereiten sich die Helfer auf den Großeinsatz in diesem Sommer vor. Koordiniert wird er im Führungs- und Lagezentrum in Berlin, einem großen Sitzungsraum vollgestellt mit Bildschirmen und Technik. Wenn es die Lage erfordert, sollen schnell Kräfte verschoben werden können von einem Ort zum anderen. Hinter dem Wort „Lage“verbirgt sich ein ganzes Bedeutungsspektrum. Die Basislage sieht so aus: Alles bleibt friedlich, die Fans feiern miteinander, die Sanitäter haben es mit Sonnenbränden, Kreislaufproblemen und Betrunkenen zu tun. Tagesgeschäft für sie.
Es könnte aber auch bedeutend weniger glimpflich ablaufen, wenn Fans randalieren und sich Schlägereien liefern. Oder wenn Terroristen
die Europameisterschaft ins Visier nehmen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Sicherheit zur Priorität erklärt. „Die Polizei wird hohe Präsenz zeigen“, versprach die SPD-Politikerin neulich. Das Rote Kreuz hat sich eng mit Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk abgestimmt, um den Einsatz bei den rund 50 Spielen zu gewährleisten. „Zu den Aufgaben gehört nicht nur die medizinische Hilfe, sondern auch die Versorgung anderer Einsatzkräfte. Die kochen Erbsensuppe oder werfen den Grill an“, sagt Tanja Knopp, Chefin des DRK-Verbandes Westfalen-Lippe.
Sie war bereits 2006 dabei, wie 5900 der 6000 Einsatzkräfte hilft sie ehrenamtlich. Knopp ist Schulleiterin. Im Vergleich zum Sommermärchen-Turnier seien die Anforderungen der Sicherheitsbehörden heute größer als seinerzeit, das DRK muss mehr Kräfte in Reserve bereithalten, falls etwas passiert, erzählt sie. Der Verband verfüge heute über digitale und traditionelle Kommunikationsmittel, mehr Rettungshunde, und könne das Verhalten von Menschen in großen Gruppen besser einschätzen. „Wir waren damals schon gut, aber heute sind wir besser“, sagt Tanja Knopp.
Übung haben die Rot-Kreuzler genug, Massen von Fans erleben sie jede Woche bei den Spielen der Fußball-Bundesliga. Allein im Stadion von Borussia Dortmund sind laut Knopp bei Heimspielen 150 Sanitäter und Ärzte im Einsatz, der kleinere VfL Bochum kommt mit rund 40 Einsatzkräften aus. In der Erinnerung der DRK-Landeschefin war bei der Weltmeisterschaft vor gut 20 Jahren der schlimmste Vorfall, dass in einem Stadion Salmonellen ausbrachen, weil irgendwo die Kühlkette unterbrochen war. „Wir langweilen uns hier hoffentlich“, hofft ihr Kollege René Burfeindt für den Dienst im Lagezentrum. Wie viel Geld der Einsatz kostet, darüber haben das Rote Kreuz und der europäische Fußballverband Uefa Stillschweigen vereinbart. Beim Sommermärchen leisteten die Rot-Kreuzler 900.000 Stunden Dienst.