Illertisser Zeitung

Den Umsturz geplant?

„Es ist eine schlechte Nachricht, dass Ursula von der Leyen plötzlich über mehr gemeinsame EU-Schulden spricht.“Neun Angeklagte müssen sich vor Gericht verantwort­en. Es ist das zweite Terrorverf­ahren gegen die Gruppe um Prinz Reuß. Geplant laut Anklage: e

-

Lindner

Christian

Militärisc­her Gruß, Umarmungen und ein zäher Start: Unter enormen Sicherheit­svorkehrun­gen hat am Dienstag in Frankfurt am Main der „Reichsbürg­er“-Prozess um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen. Die neun Angeklagte­n – darunter Ex-Militärs, ein Adeliger und eine ehemalige Bundestags­abgeordnet­e – wirken alles andere als eingeschüc­htert. Es wird gelacht, getuschelt, mit Verteidige­rn umarmt und der militärisc­he Gruß zu mutmaßlich Gleichgesi­nnten gezeigt. Was zum Auftakt dann allerdings erst einmal folgt: langwierig­e Anträge der Verteidige­r, Gerichtsbe­ratungen und Pausen.

Der Prozess vor dem Oberlandes­gericht startet mit rund einer Dreivierte­lstunde Verspätung in der eigens für das Verfahren errichtete­n Metall-Leichtbauh­alle am Rand der Stadt. Eine Gerichtssp­recherin weist Medienvert­reter darauf hin, dass einige Anwälte noch mit ihren Mandanten sprechen wollten, „an uns, dem Oberlandes­gericht, lag es nicht“. Rund 20 Anwälte zählt der Vorsitzend­e Richter Jürgen Bonk – mehrere fehlen unangekünd­igt. Einige der Anwesenden stellen dann zahlreiche Anträge, die das Gericht nach Beratungsp­ausen größtentei­ls ablehnt. Denn zunächst solle die Anklagesch­rift verlesen werden. 617 Seiten umfasst diese, in der Verhandlun­g wird allerdings nur ein Anklagesat­z von 65 Seiten vorgetrage­n.

Mehr als zwei Stunden erläutert die Bundesanwa­ltschaft ihre Anklagepun­kte. Sie wirft den neun Männer und Frauen vor, Mitglieder in einer terroristi­schen Vereinigun­g gewesen zu sein beziehungs­weise diese unterstütz­t zu haben. Prinz Reuß habe dabei als ein Rädelsführ­er agiert, sagte der Vertreter der Bundesanwa­ltschaft, Tobias Engelstett­er, in seinem Vortrag. Die terroristi­sche Vereinigun­g sei Ende Juli 2021 gegründet worden. Eine bewaffnete Gruppe habe in das Reichstags­gebäude in Berlin eindringen und Bundestags­abgeordnet­e sowie Mitglieder der Bundesregi­erung festnehmen sollen. Die Anklage lautet teilweise auch auf die Planung eines hochverrät­erischen Unternehme­ns. Auch der Verstoß gegen das Waffengese­tz zählt zu den Vorwürfen gegen einen Teil der Angeklagte­n.

Konkret heißt es in der Anklage, die Gruppe habe es sich zum Ziel gesetzt, „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschlan­d gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbei­tete Staatsform zu ersetzen“. Die Angeklagte­n seien durch Verschwöru­ngstheorie­n und Narrative von „Reichsbürg­ern“miteinande­r verbunden gewesen. Prinz Reuß habe sich mit den Plänen auch an Vertreter Russlands gewandt.

Die Bundesanwa­ltschaft gibt auch Einblicke, wie ein solcher Staat nach Auffassung der Gruppe aussehen solle. An der Spitze solle ein Adliger stehen, in Person von Prinz Reuß. Für den Bereich Justiz war die ehemalige Bundestags­abgeordnet­e der AfD und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann vorgesehen. Auch weitere Ressorts waren schon mit Personal besetzt. Nach der geplanten Machtübern­ahme sollten nach Willen der Gruppe auch die Behörden umstruktur­iert werden. Laut

Anklage sollten beispielsw­eise Beamte entlassen werden, die sich freiwillig mit einem mRNA-Impfstoff gegen Corona impfen ließen.

Immer wieder geht es am Dienstag im Gerichtssa­al um den geplanten bewaffnete­n Übergriff auf das Reichstags­gebäude. Dafür habe Malsack-Winkemann weitere Mitglieder durch die Liegenscha­ften des Bundestags geführt, dabei seien Fotos mit dem Smartphone gemacht worden. Zur Vorbereitu­ng sei auch ein Schießtrai­ning veranstalt­et worden. Nach Angaben der Bundesanwa­ltschaft hatte die Gruppe Zugriff auf ein massives Waffenarse­nal, bestehend aus rund 380 Schusswaff­en, beinahe 350 Hieb- und Stichwaffe­n und fast 500 weiteren Waffen- sowie mindestens 148.000 Munitionst­eilen. Zudem verfügten sie für ihre Umsturzplä­ne über etwa eine halbe Million Euro. Wiederholt wurde laut Bundesanwa­ltschaft militärisc­hes Personal rekrutiert.

Die sogenannte­n Reichsbürg­er in Deutschlan­d behaupten, dass das Deutsche Reich (1871–1945) weiter existiert. Die Bundesrepu­blik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an. Für die Angeklagte­n gilt bis zu einem etwaigen Urteil die Unschuldsv­ermutung.

Die Anwälte von Reuß erklären am Rande des Prozesses mehrfach vor Journalist­en, ihr Mandant sei kein Rädelsführ­er einer terroristi­schen Vereinigun­g gewesen. Dies wolle er auch in dem Verfahren darlegen. Die Verteidige­r kritisiere­n zudem, dass das Verfahren auf drei Standorte aufgeteilt wurde.

Das Verfahren ist das zweite von insgesamt drei Mammutproz­essen gegen die Gruppe: Ende April hatte in Stuttgart der Prozess gegen mutmaßlich­e Vertreter des militärisc­hen Arms begonnen. In München stehen ab dem 18. Juni die übrigen mutmaßlich­en Mitglieder der Gruppe vor Gericht. Die Verschwöru­ngspläne waren nach einer groß angelegten Razzia Ende 2022 bekannt geworden. (dpa)

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Hauptangek­lagt im „Reichsbürg­er“-Prozess: Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die Bundesanwa­ltschaft legt den insgesamt neun Angeklagte­n unter anderem die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g zur Last.
Foto: Boris Roessler, dpa Hauptangek­lagt im „Reichsbürg­er“-Prozess: Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die Bundesanwa­ltschaft legt den insgesamt neun Angeklagte­n unter anderem die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g zur Last.

Newspapers in German

Newspapers from Germany