Mord – oder doch ein Unfall?
Die Vorwürfe wiegen schwer: Eine Frau aus Memmingen soll ihren Mann getötet haben, um Geld aus dessen Lebensversicherungen zu erhalten. Was am ersten Prozesstag geschah.
Mundschutz, Sonnenbrille, Kleidung: alles schwarz. So wird die 34-jährige Angeklagte am Dienstag ins Memminger Landgericht geführt. Auch der Bauchgurt ist schwarz, an dem die Hände der Frau fixiert sind. Die Memmingerin soll ihren Mann umgebracht haben, das wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor. Am Dienstag, dem ersten Verhandlungstag, liest Staatsanwalt Roman Stoschek vor, was die Frau getan haben soll. Heftige Anschuldigungen sind es. Die aber aus Sicht der Verteidigung entkräftet werden können, wie Anwalt Alexander Hamburg danach sagt. Drei Brüder und eine Schwester des toten Mannes sitzen ihm gegenüber, gleich neben dem Staatsanwalt. Sie sind Nebenkläger und richten immer wieder ihre Blicke fest auf die Beschuldigte.
Staatsanwalt Stoschek beginnt: Spätestens zwischen Oktober und Dezember 2022 habe die Frau geplant, ihren 38-jährigen Mann zu töten. Sie soll ihn zudem dazu gebracht haben, Versicherungen abzuschließen, die im Falle seines Todes zahlen. Das Geld sollte dann sie bekommen. Die Rede ist von 2,4 Millionen Euro.
Am 6. Mai 2023 soll es dann so weit gewesen sein: In der gemeinsamen Wohnung soll die Frau dem 38-Jährigen gesagt haben, dass sie ein weiteres Kind mit ihm haben wolle. Die beiden hatten bereits fünf Kinder. Sie habe ihm empfohlen, ein Medikament einzunehmen, „das die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Zeugung erhöht“. Allerdings soll es sich stattdessen um ein Schlafmittel gehandelt haben. Der Mann soll seiner Frau vertraut und arglos das Mittel genommen haben. Irgendwann schlief der 38-Jährige laut Staatsanwalt ein.
Wenig später soll die Frau in dem Zimmer Feuer gelegt haben. Sie habe Kleidung und eine Matratze angezündet, „um den Geschädigten zu töten“. Danach soll sie das Haus verlassen haben. Sie habe damit ihren Mann und die anderen Bewohner ihrem Schicksal überlassen. Es brach aber kein großes Feuer aus. Es blieb bei einem Glimmbrand – das bedeutet etwa, dass sich die Glut durch die Stoffe fraß. Das habe aber ausgereicht:
Der Mann starb an einer Rauchgasvergiftung. „Die Angeschuldigte wird daher beschuldigt, aus Habgier, heimtückisch, mit gemeingefährlichen Mitteln und um eine andere Straftat zu ermöglichen einen Menschen getötet zu haben, strafbar als Mord.“Mit der „anderen Straftat“ist Betrug gemeint.
Verteidiger Alexander Hamburg sieht seine Mandantin zu Unrecht wegen Mordes angeklagt. Zu viele Aspekte sprächen gegen ihre Schuld. Zum Beispiel die Art des Feuers: Würden eine Matratze und Kleidung angezündet, breche meist ein starkes Feuer aus, kein Glimmbrand. Das hätten Untersuchungen eines Gutachters ergeben. Da in der Wohnung kein offenes Feuer ausgebrochen ist, geht der Verteidiger von einem Unfall aus – beispielsweise ausgelöst durch eine Zigarette. Sie hätte einen Glimmbrand verursachen können.
Anwalt Hamburg will einen weiteren Beweis entkräften: Er bezieht sich auf das Handy des Vaters der Angeklagten, der in der Nähe wohnt. Mit diesem Mobiltelefon sei am Tattag im Internet danach gesucht worden, wie sich Rauch über längere Zeit auf einen Menschen auswirkt. Die Anklage verdächtigt die Frau, das Handy für diese Suche genutzt zu haben. Hamburg bezweifelt das: Die Auswertung habe ergeben, dass kurz vor der Suche nach der Auswirkung von Rauch zuerst nach dem Wetter und dann nach einer TV-Sendung gesucht worden ist. Warum hätte die Frau erst nach dem Wetter und nach der Sendung suchen sollen und direkt danach nach der Wirkung von Rauch? Wahrscheinlicher sei, dass jemand anders diese Suchen eingegeben habe. Und an diesem Punkt bringt Hamburg ihren Vater ins Spiel. Der habe kein gutes Verhältnis zum Schwiegersohn gehabt. Als er die Rauchentwicklung
Das Ehepaar hatte bereits fünf Kinder.
Der Schwiegervater soll nicht geholfen haben, mutmaßt der Anwalt.
in dessen Wohnung gesehen habe, habe er sich entschieden, nicht zu helfen, mutmaßt der Anwalt. Und dann im Internet nach Rauch-Auswirkungen gesucht. Der Verteidiger geht auf einen weiteren Beweis der Staatsanwaltschaft ein: Diese hatte ermittelt, dass das Handy der Angeklagten zur Tatzeit von dem Funkmast geortet wurde, in dessen Bereich auch die Wohnung der Eheleute liegt. Allerdings sei eine solche Funkzelle sehr groß, sagt Hamburg. Deshalb beweise es nicht, dass die Frau in der Wohnung war, sie hätte auch einige Kilometer entfernt sein können.
Seiner Mandantin wird vorgeworfen, spätestens zwischen Oktober und Dezember 2022 den Tod ihres Mannes geplant zu haben. Die Versicherungen für ihn seien aber bereits vorher abgeschlossen worden. Also könne das Motiv der Bereicherung nicht stimmen. Mit Blick auf all dies fallen die Vorwürfe der Anklage laut Hamburg „wie ein Kartenhaus zusammen“. Der Prozess soll am Donnerstag fortgeführt werden.