Illertisser Zeitung

Mord – oder doch ein Unfall?

Die Vorwürfe wiegen schwer: Eine Frau aus Memmingen soll ihren Mann getötet haben, um Geld aus dessen Lebensvers­icherungen zu erhalten. Was am ersten Prozesstag geschah.

- Von Andreas Berger

Mundschutz, Sonnenbril­le, Kleidung: alles schwarz. So wird die 34-jährige Angeklagte am Dienstag ins Memminger Landgerich­t geführt. Auch der Bauchgurt ist schwarz, an dem die Hände der Frau fixiert sind. Die Memmingeri­n soll ihren Mann umgebracht haben, das wirft ihr die Staatsanwa­ltschaft vor. Am Dienstag, dem ersten Verhandlun­gstag, liest Staatsanwa­lt Roman Stoschek vor, was die Frau getan haben soll. Heftige Anschuldig­ungen sind es. Die aber aus Sicht der Verteidigu­ng entkräftet werden können, wie Anwalt Alexander Hamburg danach sagt. Drei Brüder und eine Schwester des toten Mannes sitzen ihm gegenüber, gleich neben dem Staatsanwa­lt. Sie sind Nebenkläge­r und richten immer wieder ihre Blicke fest auf die Beschuldig­te.

Staatsanwa­lt Stoschek beginnt: Spätestens zwischen Oktober und Dezember 2022 habe die Frau geplant, ihren 38-jährigen Mann zu töten. Sie soll ihn zudem dazu gebracht haben, Versicheru­ngen abzuschlie­ßen, die im Falle seines Todes zahlen. Das Geld sollte dann sie bekommen. Die Rede ist von 2,4 Millionen Euro.

Am 6. Mai 2023 soll es dann so weit gewesen sein: In der gemeinsame­n Wohnung soll die Frau dem 38-Jährigen gesagt haben, dass sie ein weiteres Kind mit ihm haben wolle. Die beiden hatten bereits fünf Kinder. Sie habe ihm empfohlen, ein Medikament einzunehme­n, „das die Wahrschein­lichkeit einer erfolgreic­hen Zeugung erhöht“. Allerdings soll es sich stattdesse­n um ein Schlafmitt­el gehandelt haben. Der Mann soll seiner Frau vertraut und arglos das Mittel genommen haben. Irgendwann schlief der 38-Jährige laut Staatsanwa­lt ein.

Wenig später soll die Frau in dem Zimmer Feuer gelegt haben. Sie habe Kleidung und eine Matratze angezündet, „um den Geschädigt­en zu töten“. Danach soll sie das Haus verlassen haben. Sie habe damit ihren Mann und die anderen Bewohner ihrem Schicksal überlassen. Es brach aber kein großes Feuer aus. Es blieb bei einem Glimmbrand – das bedeutet etwa, dass sich die Glut durch die Stoffe fraß. Das habe aber ausgereich­t:

Der Mann starb an einer Rauchgasve­rgiftung. „Die Angeschuld­igte wird daher beschuldig­t, aus Habgier, heimtückis­ch, mit gemeingefä­hrlichen Mitteln und um eine andere Straftat zu ermögliche­n einen Menschen getötet zu haben, strafbar als Mord.“Mit der „anderen Straftat“ist Betrug gemeint.

Verteidige­r Alexander Hamburg sieht seine Mandantin zu Unrecht wegen Mordes angeklagt. Zu viele Aspekte sprächen gegen ihre Schuld. Zum Beispiel die Art des Feuers: Würden eine Matratze und Kleidung angezündet, breche meist ein starkes Feuer aus, kein Glimmbrand. Das hätten Untersuchu­ngen eines Gutachters ergeben. Da in der Wohnung kein offenes Feuer ausgebroch­en ist, geht der Verteidige­r von einem Unfall aus – beispielsw­eise ausgelöst durch eine Zigarette. Sie hätte einen Glimmbrand verursache­n können.

Anwalt Hamburg will einen weiteren Beweis entkräften: Er bezieht sich auf das Handy des Vaters der Angeklagte­n, der in der Nähe wohnt. Mit diesem Mobiltelef­on sei am Tattag im Internet danach gesucht worden, wie sich Rauch über längere Zeit auf einen Menschen auswirkt. Die Anklage verdächtig­t die Frau, das Handy für diese Suche genutzt zu haben. Hamburg bezweifelt das: Die Auswertung habe ergeben, dass kurz vor der Suche nach der Auswirkung von Rauch zuerst nach dem Wetter und dann nach einer TV-Sendung gesucht worden ist. Warum hätte die Frau erst nach dem Wetter und nach der Sendung suchen sollen und direkt danach nach der Wirkung von Rauch? Wahrschein­licher sei, dass jemand anders diese Suchen eingegeben habe. Und an diesem Punkt bringt Hamburg ihren Vater ins Spiel. Der habe kein gutes Verhältnis zum Schwiegers­ohn gehabt. Als er die Rauchentwi­cklung

Das Ehepaar hatte bereits fünf Kinder.

Der Schwiegerv­ater soll nicht geholfen haben, mutmaßt der Anwalt.

in dessen Wohnung gesehen habe, habe er sich entschiede­n, nicht zu helfen, mutmaßt der Anwalt. Und dann im Internet nach Rauch-Auswirkung­en gesucht. Der Verteidige­r geht auf einen weiteren Beweis der Staatsanwa­ltschaft ein: Diese hatte ermittelt, dass das Handy der Angeklagte­n zur Tatzeit von dem Funkmast geortet wurde, in dessen Bereich auch die Wohnung der Eheleute liegt. Allerdings sei eine solche Funkzelle sehr groß, sagt Hamburg. Deshalb beweise es nicht, dass die Frau in der Wohnung war, sie hätte auch einige Kilometer entfernt sein können.

Seiner Mandantin wird vorgeworfe­n, spätestens zwischen Oktober und Dezember 2022 den Tod ihres Mannes geplant zu haben. Die Versicheru­ngen für ihn seien aber bereits vorher abgeschlos­sen worden. Also könne das Motiv der Bereicheru­ng nicht stimmen. Mit Blick auf all dies fallen die Vorwürfe der Anklage laut Hamburg „wie ein Kartenhaus zusammen“. Der Prozess soll am Donnerstag fortgeführ­t werden.

 ?? Foto: Andreas Berger ?? Ein Polizist nimmt der Angeklagte­n die Bauchfesse­ln ab, bevor sie sich im Saal des Landgerich­ts Memmingen setzt. Rechts daneben einer der beiden Verteidige­r, Alexander Hamburg.
Foto: Andreas Berger Ein Polizist nimmt der Angeklagte­n die Bauchfesse­ln ab, bevor sie sich im Saal des Landgerich­ts Memmingen setzt. Rechts daneben einer der beiden Verteidige­r, Alexander Hamburg.

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