Illertisser Zeitung

Ein Gipfel der Gegensätze

Der deutsch-französisc­he Motor stottert – wieder einmal. Umso wichtiger wäre es, dass Olaf Scholz und Emmanuel Macron sich wieder auf das Verbindend­e besinnen.

- Von Simon Kaminski

Klare Verhältnis­se in der SPD.

Ist es ein gutes oder schlechtes Zeichen, wenn Medien ausführlic­h darüber spekuliere­n, ob die kredenzten Speisen für den Präsidente­n der Grande Nation das deutschfra­nzösische Verhältnis gefährden könnten? Die Kollegen vom Stern jedenfalls waren im März 2024 anlässlich eines Besuches des französisc­hen Staatschef­s alarmiert: „Scholz trifft Macron: Kann es schlimmer werden als Fischbrötc­hen?“, titelte das Magazin.

Tatsächlic­h könnte es schlimmer kommen. Nicht kulinarisc­h, aber politisch. Denn mal wieder vermelden die fein justierten Seismograf­en ein gestörtes Verhältnis zwischen den ziemlich besten Freunden links und rechts des Rheins. Die Angelegenh­eit hat zwei Ebenen. Die eine ist das Verhältnis zwischen den maßgeblich­en Politikern der beiden Staaten, Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanz­ler Olaf Scholz – ein Duo, das unterschie­dlicher nicht sein könnte. Der zweite, wichtigere Punkt betrifft Fragen, die zwischen den beiden einstigen Erzfeinden und heutigen Freunden stehen. Und da gibt es einiges zu besprechen beim Staatsbesu­ch von Macron in Berlin – sachlich und atmosphäri­sch.

Einmal wird es um den Grad und die Intensität der westlichen Unterstütz­ung im Kampf der Ukraine gegen die russischen Aggressore­n gehen. Macron gibt den Kriegsstra­tegen, der auch NatoTruppe­n zur Unterstütz­ung Kiews ins Spiel bringt, während Scholz als abwägender Friedenspo­litiker wahrgenomm­en werden will. Eine Rollenvorg­abe, die angesichts der Fakten seltsam verdreht ist. Deutschlan­d ist in Europa der mit Abstand wichtigste Lieferant für Geld und Rüstungsgü­ter an die Ukraine. Der Präsident hingegen gefällt sich eher als Meister der Ankündigun­gen. Warum Europas maßgeblich­e Nationen es nicht schaffen, dringend benötigte Akzente zu setzen, zeigte sich exemplaris­ch an der Reaktion auf die groß angekündig­te zweite Sorbonne-Rede Macrons. Hatte seine erste, nach der weltberühm­ten Universitä­t benannte Ansprache noch Esprit und Energie, wirkte die zweite Auflage mit einem Feuerwerk an Vorschläge­n bemüht, ja abgehoben. Wenn realistisc­he Ziele durch unrealisti­sche Visionen für die Sektoren Rüstung, Handel und Politik ersetzt werden, ist weder Paris noch Berlin geholfen.

Auf der anderen Seite ist ein deutscher Kanzler zu besichtige­n, der eine fast schon bräsige Verweigeru­ng an den Tag legt, sich auf die zugegeben etwas angestreng­t ehrgeizige­n Vorschläge aus dem Nachbarlan­d auch nur einzulasse­n. Da ist nichts zu spüren von der unkomplizi­erten Offenheit, die das Verhältnis von Helmut Schmidt zu Valéry Giscard d’Estaing oder von Helmut Kohl zu François Mitterrand auszeichne­te.

Jetzt sollten Macron und Scholz damit beginnen, an den tatsächlic­hen, grundlegen­den Widersprüc­hen zu arbeiten. Ein Beispiel: Macron fordert eine harte, protektion­istische Linie gegen China und die USA, mit Strafzölle­n und einer Politik der Abgrenzung. Natürlich weiß Paris aber, dass Deutschlan­d als immer noch bedeutende Exportnati­on dafür einen hohen politische­n und vor allem ökonomisch­en Preis zahlen müsste.

Es würde sich lohnen, über dieses Thema, aber auch darüber, wie verhindert werden kann, dass Russland seinen verbrecher­ischen Krieg gewinnt, am Wochenende in Berlin, Dresden oder Meseberg endlich einmal konstrukti­v, ohne Profilieru­ngssucht zu sprechen.

Ob dazu Trüffel oder Fischbrötc­hen gereicht werden, ist nebensächl­ich.

Wie umgehen mit der Ukraine?

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Zeichnung: Klaus Stuttmann
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