„Für mich ist gute Unterhaltung auch Literatur“
Die Bestsellerautorin Amelie Fried spricht über ihren neuen Roman und ihr Verständnis für Klimaaktivisten, das Geheimnis guten Schreibens – und erklärt, warum es sie nicht mehr ins Fernsehen zieht.
Also eher motivierende Aktionen?
Fried: Das wäre wünschenswert. Andererseits hat ziviler Ungehorsam ja eine lange und auch wichtige Geschichte. Die Suffragetten, die für Frauenrechte gekämpft haben, waren auch nicht gerade beliebt. Wenn es keine Rosa Parks gegeben hätte, die sich in den USA irgendwann einmal im Bus über das Verbot hinweggesetzt hat, dass Schwarze da nicht sitzen dürfen, dann wäre die US-Bürgerrechtsbewegung später oder nie so entstanden. Wenn es keinen Gandhi und seinen zivilen Ungehorsam gegeben hätte, wäre auch vieles anders. Also, viele wichtige Bürgerbewegungen sind durch zivilen Ungehorsam entstanden.
Aber die hatten eine Mehrheit hinter sich. Fried: Nicht immer und nicht von Anfang an. Man denke an die Anti-Atomkraftbewegung, die nun auf lange Sicht erfolgreich war. Es gibt wissenschaftliche Studien, die besagen, dass es einen sogenannten Tipping Point gibt, der bei 3,5 Prozent liegt. Das heißt, 3,5 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung können ausreichen, um eine Massenbewegung in Gang zu bringen. Ich glaube, man muss die Menschen überzeugen – und zwar nicht ideologisch, sondern, indem man auf ihre Bedürfnisse eingeht. Denn wir alle haben doch ähnliche Bedürfnisse. Wir wollen in Sicherheit und Frieden leben, wir wollen nicht materiell bedroht sein und wir wollen eine Zukunft haben für uns, unsere Kinder und Enkel. Und wenn man dieses Gemeinsame zur Grundlage einer Bewegung machen würleicht de, wären die Chancen aus meiner Sicht größer, etwas zu bewegen.
Haben Sie eine konkrete Idee?
Fried (lacht): Wenn ich die hätte, wäre ich Consultant der Klimaschutz-Bewegung! Aber darüber können sich ja kluge Menschen mal Gedanken machen. Letztlich versuchen die Klimaaktivisten ja nur, die Regierung dazu zu bringen, in Sachen Klimaschutz ihre Arbeit zu machen, wie es ihnen übrigens auch das Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben hat.
Die Klimaaktivisten liegen Ihnen am Herzen, oder?
Fried: Ich kann diese jungen Menschen zumindest verstehen. Die machen das ja nicht aus Spaß oder weil sie jemanden ärgern wollen, die handeln aus Wut und Verzweiflung, aus Sorge um unser aller Zukunft. Sie nehmen so viele Nachteile in Kauf, lassen sich bespucken und beschimpfen und von der Straße reißen. In Bayern werden sie in Präventivhaft gesperrt. Ich halte es übrigens für einen Skandal, dass man jemanden ohne Gerichtsverfahren bis zu 60 Tage einsperren kann, nur weil er möglicherweise plant, eine Straße zu blockieren. Das entsprechende Gesetz war ursprünglich dazu gedacht, islamistische Terroristen davon abzuhalten, Bomben zu werfen, die sie in ihrem Keller gebunkert haben. Es auf Klimaaktivisten anzuwenden ist völlig unverhältnismäßig. Die Aktivisten mögen lästig und nervig sein, aber es sind keine Terroristen.
Zurück zur Literatur. Sie sind eine anerkannte Bestseller-Autorin, haben aber in einem Interview kürzlich gesagt, Sie könnten gut damit leben, keine Literatin zu sein. Wann darf man sich denn mit dem rechtlich ungeschützten Titel Literat oder Literatin schmücken?
Fried: Ganz ehrlich – ich schere mich gar nicht so sehr um die Unterscheidung zwischen E- und U. Für mich ist gute Unterhaltung auch Literatur.
So. Und warum halten Sie sich dann für keine Literatin?
Fried: Diese Bemerkung war ein wenig ironisch gemeint, weil in Deutschland diese U- und E-Diskussion so verbissen geführt wird. Die Angloamerikaner sind da viel entspannter. Die sagen, wenn man Menschen auf einem gewissen Niveau gut unterhält, ist das Literatur. Und ich habe mich immer als jemanden betrachtet, der die Menschen gut unterhalten will, spannende Geschichten erzählt, dabei aber auch interessante Themen transportiert. Andernfalls würde mich das Schreiben langweilen. Ich muss selbst eine Herausforderung spüren. Ob das dann Literatur ist, hat mich eigentlich nie interessiert. Es sind immer die anderen, die mich in eine Schublade stecken wollen. Gerade wird Johannes Mario Simmel groß gefeiert, der dieses Jahr hundert geworden wäre. Zu Lebzeiten wurde er als angeblicher Trivialschriftsteller geschmäht, heute erkennt man endlich seine Qualität an. Also, viel
Thomas Gottschalk und Günther Jauch finden nicht ganz so leicht raus.
Fried: So lange man Lust hat und gefragt ist, ist es ja in Ordnung, weiterzumachen. Ich finde es aber wichtig, den Punkt zu erkennen, ab dem die Sache ins Lächerliche driftet und die Leute sagen: Ach, der alte Sack schon wieder!
Bei Jauch nimmt man diese Diskussion nicht wahr, bei Gottschalk schon.
Fried: Jauch ist mehr der Journalist, Gottschalk mehr der Unterhalter. Vielleicht geht die Zeit in dieser Branche schneller über einen hinweg, weil sich auch Humor verändert. Das hat Gottschalk ja selbst gesagt.
Bei Ihnen aber kam etwas anderes.
Fried: Ja, ich habe dann zwei Ausbildungen gemacht, bei denen ich meine alte Liebe zur Psychologie auffrischen konnte, also Mediation und systemisches Coaching. Dann habe ich mit den Schreibkursen angefangen. Außerdem reisen mein Mann und ich gerne. Für mich ist die Lage sehr in Ordnung und ich verspüre nur mehr selten den Zirkusgaul in mir.
Interview: Josef Karg