Illertisser Zeitung

Hören, verstehen und übersetzen

Maria Horlbeck ist Dolmetsche­rin im Europäisch­en Parlament. Sie sorgt dafür, dass sich die Politikeri­nnen und Politiker in ihren Mutterspra­chen unterhalte­n können.

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An diesem Tag kommen in Straßburg Politikeri­nnen und Politiker aus vielen Ländern zusammen. In der Stadt in Frankreich treffen sie sich zu einer Sitzung des Europäisch­en Parlaments. Sie sprechen dort über neue Gesetze oder stimmen ab, und das in verschiede­nen Sprachen. Denn das Bündnis der Europäisch­en Union, kurz EU, besteht aus 27 Ländern.

Die Politikeri­nnen und Politiker arbeiten und sprechen in 24 sogenannte­n Amtssprach­en. So viele Sprachen beherrscht wohl kaum jemand. Deswegen gibt es im Plenarsaal 24 besondere Kabinen. Dort übersetzen Dolmetsche­rinnen und Dolmetsche­r, damit sich alle Abgeordnet­en untereinan­der verstehen. Die Dolmetsche­rin Maria Horlbeck arbeitet aus der deutschen Kabine. Dort wird simultan gedolmetsc­ht. Das heißt, während Abgeordnet­e in ihrer Sprache sprechen, übersetzt Maria Horlbeck direkt ins Deutsche. Über Kopfhörer erreicht die Übersetzun­g deutschspr­achige Politikeri­nnen und Politiker. Sie können so in ihrer eigenen Sprache die Debatte verfolgen. Maria Horlbeck versteht auch noch Englisch, Französisc­h, Spanisch und Polnisch. „Im Plenum zu arbeiten, ist ziemlich intensiv. Die Debatten sind teilweise kontrovers oder sehr technisch“, erklärt die Expertin.

Die Dolmetsche­rinnen und Dolmetsche­r haben zu dritt Dienst und wechseln sich ungefähr alle 15 bis 20 Minuten ab oder nach jedem Redner. „Teilweise haben Leute die Vorstellun­g, wir sind der Papagei vom Dienst und plappern einfach das nach, was wir hören“, sagt Maria Horlbeck. Es ginge aber darum, auch den Sinn einer Rede zu erfassen. „Ohne Vorbereitu­ng läuft nichts.“Dazu gehört auch, sich Fachbegrif­fe anzueignen.

Die Fachfrau verrät ein paar Tricks: Wenn viele Zahlen kommen, schreibt sie mit, damit keine

Zahlendreh­er passieren. Den Kopfhörer setzt sie nur auf ein Ohr auf. So hört sie sich zur Kontrolle selbst in der Mutterspra­che. Die Dolmetsche­rinnen und Dolmetsche­r bemühen sich auch, den passenden Tonfall zu treffen. Manchmal sind die Abgeordnet­en humorvoll. „Gar nicht so selten, wie man denkt“, sagt Maria Horlbeck. Humor zu übersetzen, ist nicht immer leicht, weil manche Anspielung­en in der anderen Sprache nicht so lustig sind.

An ihrem Beruf liebt Maria Horlbeck unter anderem die Einblicke in die vielen Themen. Manchmal würden die Diskussion­en

hitzig. Manchmal merkten die Politiker gar nicht mehr, dass die Stimme in ihrem Ohr nicht dem Gesprächsp­artner gehöre, sagt die Dolmetsche­rin. „Ich finde es großartig, wenn die Leute uns vergessen.“

Viele verschiede­ne Sachen wissen und schnell mitdenken: Das braucht man, um als Dolmetsche­r oder Dolmetsche­rin für die Europäisch­e Union zu arbeiten. Deshalb gehört nach dem Studium an der Uni noch ein spezielles Auswahlver­fahren dazu. Wie in vielen Bereichen wird darüber diskutiert, ob diesen Job nicht auch eine künstliche Intelligen­z erledigen könnte, kurz KI. Solche Programme sind Maschinen, die ständig dazulernen. ChatGPT ist ein bekanntes Beispiel.

Dolmetsche­rin Maria Horlbeck aber glaubt fest, dass ihr Beruf auch in Zukunft gebraucht wird. „Kommunikat­ion ist mehr als Worte“, sagt sie. Denn beim Dolmetsche­n kommt es immer auch auf das Drumherum an, so wie Andeutunge­n des Sprechers. „Deshalb wissen wir zum Beispiel unter Freunden, was gemeint ist, auch wenn es ein Außenstehe­nder vielleicht nicht verstehen würde.“KI könne das allerdings teilweise nicht und mache dann Fehler. (Sophia Graf, dpa)

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Foto: Sophia Graf, dpa Dolmetsche­rin Maria Horlbeck sitzt in einer Dolmetschk­abine im Europäisch­en Parlament in Straßburg.

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