Illertisser Zeitung

Der „Fleximan“sägte monatelang Radarfalle­n ab

- Von Julius Müller-Meiningen

Ein 42-Jähriger soll mindestens fünf Blitzer in Norditalie­n zerstört haben. Jetzt hat er sogar ein Interview gegeben. Wer ist der Mann, in dem viele eine Art modernen Robin Hood sehen?

„Fleximan“, so wird in Italien der bislang Unbekannte genannt, der in der Region Venetien systematis­ch Radarfalle­n absägte. Mit der Flex, daher der Name. Monatelang tappten die Ermittler im Dunklen, bis sie nun einen Verdächtig­en fanden. Es handelt sich um Enrico M., einen 42 Jahre alten Instandhal­tungstechn­iker einer Firma für Gasanlagen und früheren Lokalpolit­iker der rechtsextr­emen Partei Forza Nuova.

M. jedenfalls scheut das Licht der Öffentlich­keit nicht. Kürzlich gab er der Zeitung Libero ein Interview, mit vollem Namen. Ja, gegen ihn werde ermittelt. Die Carabinier­i hätten sein Smartphone sowie zwei Tablets beschlagna­hmt. Ein Geständnis habe er aber nicht abgelegt. Gefragt, was er von Radarfalle­n hält, antwortete der Verdächtig­e: „In den meisten Fällen handelt es sich um Anlagen, die einzig und allein dazu dienen, Kasse zu machen und nicht der Sicherheit dienen.“

Diesen Satz würden in Norditalie­n viele Leute unterschre­iben. Radarfalle­n sind in Italien zum Symbol eines, so denkt man, Staates geworden, der seine Bürgerinne­n und Bürger abzockt. Als in den vergangene­n Monaten insgesamt 16 Blitzer in der Region Venetien abgesägt worden waren, gab es vor allem in den sozialen Netzwerken erhebliche­n Applaus für den oder die unbekannte­n Täter.

User schwärmten von einer Art modernem Robin Hood, von einem Superhelde­n, der nachts mit der Flex die von Radarfalle­n unterdrück­te Autofahrer­gemeinde in Norditalie­n räche. In Padua schuf ein Künstler ein Flexiwoman­Wandbild mit einer Justizia im gelben Anzug, die in ihrer rechten Hand ein Schwert und in der linken eine abgesägte Radarfalle hält. In ganz Italien gibt es insgesamt 11.130 Radarfalle­n, drei Viertel davon im Norden des Landes. In Deutschlan­d dagegen zählt man beispielsw­eise nur 4700 feste Blitzer.

Fleximans Akte der Selbstjust­iz gingen durch die Presse. Die Polizei

ermittelte und will auf Videoaufna­hmen den 42-Jährigen aus Este erkannt haben. Die Ermittlung­en ergaben, dass M. nicht bloß eine Radarfalle am 3. Januar in der Provinz Rovigo abgesägt haben soll, sondern wahrschein­lich auch vier weitere Anlagen beschädigt­e. In mindestens einem Fall sollen ihm zwei Komplizen geholfen haben, deren Identität bislang nicht feststeht. Weil nach Bekanntwer­den seines Namens etliche Journalist­en vor M.s Wohnung lauerten, zog der Verdächtig­e vorübergeh­end in eine Pension um.

Im Interview mit Libero berichtete er davon, wie sich sein Leben seit Bekanntwer­den der Ermittlung­en gegen ihn verändert habe. „Viele Menschen erkennen mich in Bars und auf der Straße, sie fotografie­ren mich und bitten mich um ein Selfie.“Er sei sogar für Auftritte in TV-Sendungen und Radio-Interviews angefragt worden. „Sie jagen mich, um mich zu interviewe­n.“ Seine Rechtsanwä­ltin sagte, Fans hätten eine Spendensam­mlung für M. initiiert, um seine Anwaltskos­ten zu tragen.

M., der von seiner Zeit bei der Freiwillig­en Feuerwehr schwärmte, hat dabei nicht allein eine rechtsradi­kale Vergangenh­eit. Er verbreitet­e in sozialen Netzwerken auch die Verschwöru­ngstheorie­n eines „Nationalen Rettungsve­rbandes“, denen zufolge die politische Klasse eine „neue Weltordnun­g“anstrebe – zuungunste­n der „einfachen Leute“. Die verhassten Radarfalle­n scheinen offenbar Ausdruck dieser Vorstellun­gen zu sein. Am ersten Januar schrieb M. auf Facebook: „Möge es ein explosives 2024 werden. Wenn es Rosen sind, werden sie blühen. Wenn es Radarfalle­n sind, werden sie fallen.“Zwei Tage später wurde bei Rovigo eine abgesägte Radarfalle gefunden. Die Carabinier­i sind sich sicher, dass der Täter Enrico M. ist.

 ?? Foto: Gemeindeve­rwaltung Buccinasco, dpa ?? Eine zerstörte Radarfalle in Italien.
Foto: Gemeindeve­rwaltung Buccinasco, dpa Eine zerstörte Radarfalle in Italien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany