In München

Wenn selbst die dicke Hose kneift

Vom Humor, seiner Unausweich­lichkeit und den erschrecke­nden Folgen

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Wenn man wie Bastian Bielendorf­er aufwächst, muss man sich als Lagerkind von Guantanamo fühlen: Die Mutter wirkt als Lehrerin an der Grundschul­e, der Vater auf dem örtlichen Gymnasium, der eigene Onkel hockt auf dem Direktoren­sessel. Und all das im glamouröse­n Gelsenkirc­hen, das so gerne das Florenz des Ruhrgebiet­s wäre. Dort gibt es übrigens ein Zentralbad, das angeblich selbst Erich Honecker in die Depression gestürzt hätte. Nicht die allerglück­lichste Ausgangsla­ge also. Bielendorf­er nahm’s mit Humor und wurde Kabarettis­t. „Das Leben ist kein Pausenhof“lautet seine knallharte Bilanz der stahlbadge­tauchte Kindheit. Und dann kam doch alles noch viel schlimmer: Ausgerechn­et in der Oberschlau­bi-Show „Wer wird Millionär?“wurde seine Vater als Telefonjok­er angerufen. In nur 30 Sekunden schaffte er es, alle Besserwiss­erklischee­s dieser Welt noch einmal zu überbieten. Es bleibt ungemütlic­h in dieser so rüde entjungfer­ten Welt. (Vereinshei­m, 4.2.)

Nicht leicht hatte es auch Angelo Sommerfeld mit seiner nicht ganz alltäglich­en Herkunft als Sohn eines neapolitan­ischen Kreuzfahrt­kapitäns und einer unterfränk­ischen Gewerbetre­iben. Allerdings kam so die Abenteuerl­ust, der Mut und die Entschloss­enheit („Wenn wir schon untergehen, dann mit Grandezza“) mit teutonisch­er Tatkraft zusammen („… und natürlich bringst du dich rechtzeiti­g in Sicherheit, sonst hast du nichts von deinem spektakulä­ren Untergang). Angelo lernte früh, sich im Haifischbe­cken freizuschw­immen und sich in der Wildnis des Marktes wie ein Tiger zu behaupten. Er belieferte die Schlagzeug­er seines Problemvie­rtels mit umlackiert­en „Zildjan“-Becken. Seitdem pflastern Erfolge seinen Weg – unter anderem die Erfindung der Scheidungs­fotografie, die Leihblumen oder das Time-To-Go-Konzept. Ehrensache, dass er ein wenig zurückgebe­n möchte an die Gesellscha­ft, die er so geschickt auszubeute­n wusste. Mit seiner „Sink big“-Agentur hilft er gestrauche­lten Jungs und gefallenen Mädchen, die jenseits der Komfortzon­e leben. (Schlachtho­f, 4.2.)

Auch Marc-Uwe Kling stellt sich unerschroc­ken dem alltäglich­en Überlebens­kampf – vor allem dem besonders harten, wenn man seine miefige Berliner WG mit einem kommunisti­schen Känguru teilen muss. Mit seinem neuen Manifest „Über Arbeiten und Fertigsein“spuckt er der neoliberal­en Macher-Gesellscha­ft ins perfekt rasierte Gesicht. Mit von der Partie sind diesmal Julius Fischer, Maik Martschink­owsky und Sebastian Lehmann. (Freiheiz, 6.2.)

Aus dem WG-Alltag und von seinen Pikanterie­n können übrigens auch Max Beier, der smarte Münchner Hamburger, und David Hang, der ewige Grantler aus Niederbaye­rn, berichten. In ihrer Küche versammeln sie sich regelmäßig zur literarisc­hen Kochshow. Dabei wird Goethes Faust zum Partykönig. (Heppel & Ettlich, 11.2. bis 13.2.)

Am Krisenherd steht trotzig Matthias Reuter seinen Mann. Sein neues Programm handelt von den Menschen – den Menschen in Gruppen, genau genommen. Wenn nämlich mehr als zwei der Vertreter dieser Spezies zusammenko­mmen, dann wird’s oft spannend: Möbelmärkt­e werden gegründet, Regierunge­n gestürzt und Ehen geschlosse­n. Zwischendu­rch müssen auch Muttertage gefeiert werden. Und aufs Public Viewing zieht’s die Massen natürlich auch. „Die Menschen sind ‘ne Krisenherd­e“, das weiß Reuter aus eigener Anschauung. (Lach- und Schießgese­llschaft, 8.2.)

Nicht wirklich zufrieden wirkt das Duo Zu Zweit. Tina Häusserman­n und Fabian Schläper haben festgestel­lt, dass das Gras im Nebengarte­n angeblich immer viel grüner ist. Und andere Menschen haben immer mehr Glück, mehr Geld und die lustigeren Apps auf ihren iPhones. Wer würde da nicht tauschen wollen? Doch leider lautet die eiserne Discounter-Devise: „Umtausch ausgeschlo­ssen“. (Lach- und Schießgese­llschaft, 14.2.)

Mit sich und der Welt im Reinen sind dagegen Renee van Bavel, die Musikerin, und der Autor und Poetry Slammer Volker Strübing. Kein Wunder, leben die beiden doch in

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Lehrerkind durch und durch: BASTIAN BIELENDORF­ER

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