Krieger, denk mal ...
Simon Solbergs furios-aufklärerische „Odyssee“am Volkstheater
Die Erkenntnis kommt spät. „Wir bekämpften Trojas Schrecken und waren doch der Ursprung vieler neuer. Wir sollten beieinander sitzen und Ruhe haben“–so spricht kein strahlender Sieger. So spricht der Haufen Elend, der da am Ende, in eine Plastikfolie gehüllt, wie ein Flüchtling dasteht. Er mag vielleicht angekommen sein, aber es wird noch dauern mit der Ruhe, dazu ist zu viel passiert auf der chaotischen Heimkehr von Troja. Und der da steht, Odysseus, ist nicht ganz unschuldig an diesem Chaos, an dem Krieg nach dem Krieg. Zehn das mit Hintersinn: gegen die Sprachästhetik donnern die fordernden Bilder dieses Abends noch krasser ins Hirn. Oder in die Magengrube. Denn Solberg will Aufklärung, fordert das Mitdenken, er reißt das große, unfassbare Thema Krieg herunter auf die unmittelbare menschliche Konfrontation, er legt einen nicht unschlüssigen Weg vom hehren Mythos zu den jüngeren Hegemonie-Anfällen: Landkarten und die Videosprenkel mit Militärs, Panzern, Luxuskarossen, Hussein etc. verweisen darauf. Solbergs Tour in den Abgrund ist extrem körperlich, deutlich, laut. Die Mittel, die er einsetzt, sind so karg wie ungemein effektiv. Die Metallstangen sind Lanzen, sind Ruder, können aber auch bedrohlich über den ersten Zuschauerreihen schwingender Bugspriet sein. Plastikfolien sind Meer, sind Leinwand, oder auch mal zusammengeknüllt dicker Bauch. Durch die vernebelte Bühne blendet das Gegenlicht oder es strahlen simple Taschenlampen in die Gesichter. Wenn’s blutig wird, reichen Konfetti, Penelopes Freier durchbohren keine Pfeile: sie werden einfach nass gemacht. Mit Mineralwasser aus der Flasche. Die Musik von Michael Grumpinger und diversen Interpreten von House of Pain bis Bowie liefert den destruction sound für dieses Szenario, in dem sich fünf Schauspieler den Wolf spielen: Sebastian Wendelin gibt den großspurigen Odysseus, seine Gefährten Luise Kinner, Jean-Luc Bubert, Jakob Geßner und Moritz Kienemann schlüpfen durch diverse Rollen wie Penelope, Sisyphos, Kirke und Polyphem. Am Ende sind außer Odysseus alle tot: der Lohn für all die Hirnlosigkeit in dieser Zerstörungsspirale, die Solberg unerbittlich bei jeder neuen Station einen Tick weitergedreht hat: bei den Kikonen, wo es erste Verluste gibt, beim fatalen Rausch unter den „Lotusessern“, beim Zyklopen (der helgeschneidern darf, eine rare Schmunzelei), bei den Verführungen Kirkes, den Sirenen, bei Skylla und Charibdis – bis in den Hades. Langer, überzeugter Beifall.