Ritualisierte Welt
Ein Ausflug ins existenzielle Theater, zweifelnde Fotografie und musikalische Erfahrungen
Ach, das Theater! Diese wilde Welt aus Schein und Sein, Blut, Leid, Liebe und Katharsis. Der Wiener Hermann Nitsch (geb. 1938) war ihr von Anfang an verfallen. So sehr, dass er sein eignes Orgien Mysterien Theater (o.m. theater) gründete. Eine Art psychomagischer Exorzismus goes tiefenpsychologische Daseinserfahrung. Eine inszenierte Grenzüberschreitung mit viel Blut, toten Tieren, Kot, Eingeweiden. 2001 fragte die Fotografin Herlinde Koelbl den Künstler im Zeit Magazin was ihn am Körperlichen seiner Kunst fasziniert: „Mir geht es um ein intensives sinnliches Erleben. Unsere Zivilisation und die Religion wollen verdrängen. Es wird geleugnet, dass wir tote Tiere essen, das wird hygienisch und ästhetisch verpackt. Aber Verdrängung führt zu Neurosen: Unsere Gesellschaft ist ja voll Sensationslust, bei Unfällen, bei Kriminalfilmen. Da ist ein Bedürfnis nach Hass, Gewalt, Krieg. Die Menschheit wünscht sich den Exzess als Abreaktion herbei, bewusst oder unbewusst. Dem versuche ich am Theater eine Möglichkeit zu geben, sodass das Publikum eine Art Daseinsrausch erfahren kann.“Der Rausch als kathartische Läuterung. Er hat sich viel anhören müssen, dieser dramatische Kunstpriester, er wurde beschimpft, angezeigt und mehrfach eingesperrt. So wild machte und macht seine Kunst die Menschen. Bis heute. Aufzeichnungen seiner Kunstaktionen werden auf Youtube von einem internationalen Publikum noch immer rege und fassungslos kommentiert: „... this is pure satanism. Even if you’re not an believer of God, this can’t be ‚good‘, but evil.“ Verunsicherung geglückt. Aber die Katharsis ist offenbar ausgeblieben. Angefangen hat Nitsch mit seinem Orgien-MysterienTheater in den 60er Jahren. Ab 1963 hat er weltweit in zahlreichen Aktionen einzelne Elemente des als Existenzfest angelegten Mysterienspiels vorgestellt. 1998 wurde erstmals eine Version der sechs Tage und Nächte dauernden Gesamtfassung realisiert. 1972 war er zum ersten Mal auf der Documenta 5 in Kassel vertreten und ließ es krachen, bzw. bluten. Seit 1971 nutzt er vor allem das von ihm gekaufte Schloss Prinzendorf in Niederösterreich als Bühne. Die Ausstellung ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater (5. Februar bis 8. Mai, Katalog) in der ist in Kooperation mit dem Theatermuseum Wien entstanden und konzentriert sich vor allem auf den dramatischen und performativen Kern im Werk Nitschs. Es gibt Filmdokumente, Tonaufnahmen, eine von Nitsch eigens für diese Ausstellung entwickelte Video-Rauminstallation zum Thema Synästhetik ... Der Höhepunkt: Am 7. Mai 2016 präsentiert Hermann Nitsch seine 147. Aktion im Garten des Museums Villa Stuck.
James Casebere. Flüchtig (Vernissage am Do, 11.02. ab 19 Uhr, Katalog) hat das Haus der Kunst dieWerkschau des amerikanischen Künstlers betitelt. Als Casebere (geb. 1953) Mitte der 70er Jahre anfing, sich als Künstler zu entdecken und zu verstehen, da war die Fotografie gerade dabei, sich ein bisschen neu zu erfinden. Zumindest aber sich neu zu definieren. Von Anfang an zweifelte Casebere an der Wahrhaftigkeit von Bildern, Fotografie hatte für ihn nie etwas wahrhaftig dokumentarisches. Er verstand sie als eine Möglichkeit, sich ein Bild von der Welt zu machen. Ein Bild von vielen, eine Wahrheit von vielen. Bekannt wurde er mit Darstellungen, die das Wertesystem des Mittleren Westens der USA ins Wanken brachten. Der düstere Kühlschrank, in dem eine gewalttätige Gabel steckt zum Beispiel. Meist arbeitet er mit selbst gebauten Architekturmodellen aus Styropor, Papier oder Gips. Dabei sind die Modelle als solche erkennbar, es geht nicht um Illusion, sondern um Reflektion. Diese Art zu Arbeiten ist zu seiner Bildsprache geworden: „Ich versuche, etwas zu schaffen, das eine bestimmte Art des psychischen Raums verkörpert oder dramatisiert, so dass bestimmte Vorstellungen und Erfahrungen verstärkt werden.“Das Unbewusste, das sich im Architektonischen manifestiert. Über 50 Arbeiten in unterschiedlichsten Formaten und Verfahren zeigen ein Konzentrat aus 40 Jahren. Große einund mehrteilige Farbfotos, schwarzweiße SilbergelatineAbzüge, im Farbausbleichverfahren hergestellte Drucke sowie wasserlose Lithografien. Zudem präsentiert Casebere erstmals Arbeitshefte, Skizzenbücher, und eine umfangreiche Auswahl von bisher nie gezeigten Polaroid-Studien. Und was