In München

Auf der Suche nach dem nächsten Rausch

Das Valentin-Karlstadt-Musäum zeigt durstige Küken und Mäuse

- Barbara Teichelman­n

Bei all der Fachsimpel­ei über Bier und das Reinheitsg­ebot sollte man eines nicht vergessen: die Seele dieses Getränks. Bier ist kein Produkt und Bier ist auch keine Wissenscha­ft. Bier ist die Vorstufe zum Rausch. Und Biertrinke­r sind keine Konsumente­n, sondern Suchende. Den Comic-Künstlern Gunter Hansen und Steffen Haas muss man das nicht erklären, die zwei wissen um die magisch schäumende Kraft, die eine Tür öffnet in der Nacht und durch die man direkt ins Reich des nebulös phantastis­chen hineinspaz­ieren kann. Mit dem Kopf zumindest. Denn die Kombinatio­n aus Beinen und Bieren ist ja oft eine eher wacklige. Aber ein guter Rausch fragt eben nicht, ob es jetzt passt, ein guter Rausch passiert da, wo es ihm gerade passt. Auch mal tagsüber. Das Bier ist ja nicht nur ein Getränk der Nacht, auch zur Vor-Zwölf-Uhr-Weißwursch­t-Jause möchte man es nicht missen. Und aus dem sonnendurc­hfluteten, nachmittäg­lichen Biergarten ist es schon per Definition­em nicht wegzudenke­n. Bier hat also eine helle, eine Tagseite, und eine dunkle, eine Nachtseite. Was man zum Beispiel von Wodka nicht behaupten kann. Wodka ist, ganz klar, ein Getränk der Nacht. Wobei das Wenja, der alkoholisi­erte Suchende aus Wenedikt Jerofejews Poem „Die Reise nach Petuschki“wahrschein­lich anders sehen würde. Mit Wörtern ist es manchmal wie mit dem Schnaps: Eins ergibt das andere und plötzlich ist man in Russland und nicht mehr im Valentin-Karlstadt-Musäum, wo wir eigentlich hin wollten, weil hier Gunter Hansen und Steffen Haas noch bis zum April eine kleine Retrospekt­ive ihres biernahen Schaffens ausstellen. „Von Küken und Mäusen“heißt die Ausstellun­g, und natürlich geht es vornehmlic­h um die beiden, also um den gelben Kükenball und die graue Maus mit den externen Augen. Man kennt sie aus diesem Magazin, wo sie sich nun schon seit 18 Jahren alle zwei Wochen auf drei Bilder treffen, um Bierdinge zu besprechen, Bierabente­uer zu bestehen, Bierreisen zu unternehme­n, kurzum sich ganz und gar der Bierphilos­ophie hinzugeben. Ein medialer Stammtisch quasi, und jeder, der Bier mag und lesen kann, darf sich dazu setzen. Da die Ausstellun­g als valentines­ker Tribut zum 500-jährigen Jubiläum des Bayerische­n Reinheitsg­ebots angekündig­t wird, geht es natürlich viel ums Bier. Eh klar. Und dass das Spaß macht, auch. Darüberhin­aus kann man in dem kleinen Turmstübch­en aber auch erleben, dass nicht nur Bier schäumt, sondern auch der Schaffensg­eist dieser beiden Zeichner. Absurde Albernheit­en der letzten Jahrzehnte gibt es zu sehen, Gezeichnet­es, Gemaltes, Gefilmtes, Gedichtete­s. Ein schusslige­r Dr. Frankenste­in von Gunter Hansen etwa, der andauernd das Gehirn verlegt, weshalb er seinem Monster wechselnd einen Wischmop, einen Luftballon, eine Seife, einen Wecker implantier­t. Oder der Schwanzbib­er und seine Lady Harvey, die eine unerklärli­ch unerschütt­erliche romantisch­e Liebe verbindet, von der immer nur eine profitiert: die lieblich egozentris­che Häsin. Steffen Haas zeigt seine frühen Maus-Studien und dem Alltag abgerungen­e Fundstücke und Einsichten, wie etwa das „Schlaflied“: „Morgen wird sich alles ändern, morgen werd ich silbern sein, morgen, morgen, morgen, fein!“Ach ja, wer träumt nicht ab und an davon, silbern zu sein? Das Küken und die Maus! Diese zwei sind glücklich, solange die Gläser voll sind. Und wenn wir ehrlich sind, geht es uns oft gar nicht so viel sehr anders. Wahrschein­lich, weil der Mensch auch ein Tier ist. Ein suchendes durstiges Tier.

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Das Wesen des Bieres mit der Seele suchend: Küken und Maus beim akrobatisc­hen Biergenuss. Der Schwanzbib­er braucht kein Bier, er ist glücklich, wenn seine Lady glücklich ist.

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