Auf der Suche nach dem nächsten Rausch
Das Valentin-Karlstadt-Musäum zeigt durstige Küken und Mäuse
Bei all der Fachsimpelei über Bier und das Reinheitsgebot sollte man eines nicht vergessen: die Seele dieses Getränks. Bier ist kein Produkt und Bier ist auch keine Wissenschaft. Bier ist die Vorstufe zum Rausch. Und Biertrinker sind keine Konsumenten, sondern Suchende. Den Comic-Künstlern Gunter Hansen und Steffen Haas muss man das nicht erklären, die zwei wissen um die magisch schäumende Kraft, die eine Tür öffnet in der Nacht und durch die man direkt ins Reich des nebulös phantastischen hineinspazieren kann. Mit dem Kopf zumindest. Denn die Kombination aus Beinen und Bieren ist ja oft eine eher wacklige. Aber ein guter Rausch fragt eben nicht, ob es jetzt passt, ein guter Rausch passiert da, wo es ihm gerade passt. Auch mal tagsüber. Das Bier ist ja nicht nur ein Getränk der Nacht, auch zur Vor-Zwölf-Uhr-Weißwurscht-Jause möchte man es nicht missen. Und aus dem sonnendurchfluteten, nachmittäglichen Biergarten ist es schon per Definitionem nicht wegzudenken. Bier hat also eine helle, eine Tagseite, und eine dunkle, eine Nachtseite. Was man zum Beispiel von Wodka nicht behaupten kann. Wodka ist, ganz klar, ein Getränk der Nacht. Wobei das Wenja, der alkoholisierte Suchende aus Wenedikt Jerofejews Poem „Die Reise nach Petuschki“wahrscheinlich anders sehen würde. Mit Wörtern ist es manchmal wie mit dem Schnaps: Eins ergibt das andere und plötzlich ist man in Russland und nicht mehr im Valentin-Karlstadt-Musäum, wo wir eigentlich hin wollten, weil hier Gunter Hansen und Steffen Haas noch bis zum April eine kleine Retrospektive ihres biernahen Schaffens ausstellen. „Von Küken und Mäusen“heißt die Ausstellung, und natürlich geht es vornehmlich um die beiden, also um den gelben Kükenball und die graue Maus mit den externen Augen. Man kennt sie aus diesem Magazin, wo sie sich nun schon seit 18 Jahren alle zwei Wochen auf drei Bilder treffen, um Bierdinge zu besprechen, Bierabenteuer zu bestehen, Bierreisen zu unternehmen, kurzum sich ganz und gar der Bierphilosophie hinzugeben. Ein medialer Stammtisch quasi, und jeder, der Bier mag und lesen kann, darf sich dazu setzen. Da die Ausstellung als valentinesker Tribut zum 500-jährigen Jubiläum des Bayerischen Reinheitsgebots angekündigt wird, geht es natürlich viel ums Bier. Eh klar. Und dass das Spaß macht, auch. Darüberhinaus kann man in dem kleinen Turmstübchen aber auch erleben, dass nicht nur Bier schäumt, sondern auch der Schaffensgeist dieser beiden Zeichner. Absurde Albernheiten der letzten Jahrzehnte gibt es zu sehen, Gezeichnetes, Gemaltes, Gefilmtes, Gedichtetes. Ein schussliger Dr. Frankenstein von Gunter Hansen etwa, der andauernd das Gehirn verlegt, weshalb er seinem Monster wechselnd einen Wischmop, einen Luftballon, eine Seife, einen Wecker implantiert. Oder der Schwanzbiber und seine Lady Harvey, die eine unerklärlich unerschütterliche romantische Liebe verbindet, von der immer nur eine profitiert: die lieblich egozentrische Häsin. Steffen Haas zeigt seine frühen Maus-Studien und dem Alltag abgerungene Fundstücke und Einsichten, wie etwa das „Schlaflied“: „Morgen wird sich alles ändern, morgen werd ich silbern sein, morgen, morgen, morgen, fein!“Ach ja, wer träumt nicht ab und an davon, silbern zu sein? Das Küken und die Maus! Diese zwei sind glücklich, solange die Gläser voll sind. Und wenn wir ehrlich sind, geht es uns oft gar nicht so viel sehr anders. Wahrscheinlich, weil der Mensch auch ein Tier ist. Ein suchendes durstiges Tier.