Jan Costin Wagner
Sonnenspiegelung. Erzählungen
(Galiani Berlin)
Zwei, drei Sekunden, die genügen. Der Mann da draußen geht nicht weg. Schaut ins Wohnzimmer. Harford geht rüber, fragt was er will. Der Mann reagiert nicht. Die Polizei richtet nichts aus. Der Mann bleibt, den ganzen Abend, die ganze Nacht. Bis Harford weiß, wie er ihn loswird ... was, für den Leser ganz allein, zur bösen Pointe wird. Oder: Ein penibler Einbrecher, der sich durch langes Beobachten auf den perfekten Bruch vorbereitet, wird ob seiner Intuition unfreiwillig zum Retter einer Familie. Oder: Der vermeintlich klassische Personenschaden, der Lokführer und Zugbegleiter irritiert, die vier Business Men im Bordrestaurant aber überhaupt nicht kümmert. In diesen meist abgründigen Erzählungen wechseln ständig die Perspektiven. Was der eine erlebt, gehört nicht notwendig zur Wahrnehmung des anderen. Innenansichten, Sinnstiftungsversuche, Ausnahmesituationen, Zufälle, meist ist der Tod im Spiel, oder, nicht weniger unverhofft, das Glück. Jan Costin Wagners (Kriminal)-Romane („Eismond“, „Das Schweigen“, „Tage des letzten Schnees“) wurden vielfach prämiert. Hier also fein ziselierte Fingerübungen mit verblüffenden Wendungen, samt einer kleinen Poetologie: Sinn – Sinn (Semantik), Sinn (Wahrnehmung), Sinn (des Lebens).