„Sehnsucht ist unstillbar. Leider unstillbar“
Poesie mit Kante: Er ist zwar kein Kernforscher, aber trotzdem hat er sich an Großes gewagt: „Die Verschmelzung der Welt“. So heißt das mittlerweile zweite Album von Norman Young, das der Singer-Songwriter, der persönlich auch die Verschmelzung der Lebensmittelpunkte in München und Berlin betreibt, am 1. März im Klenze 17 vorstellt (Beginn: 19.00 Uhr). Ein Datum, das es zu feiern gilt: Norman Young wird am selben Abend 50. Für Wiederholungstäter: Weiter „im Blauen bleiben“kann man dann am 22. Mai, wenn unter dem Motto „Kupfer!“Schill & Young im Salon Irkutsk spielen und lesen. Darauf einen Leberkäse Hawaii!
Herr Young, das zweite Album auf die Welt gebracht –innerhalb vergleichsweise überschaubarer Zeit. Wie groß ist denn der Vaterstolz? Passen Sie denn von der Stolzgröße noch durch die Türrahmen durch?
Zugelegt habe ich auf jeden Fall. Ich bin mehr als zufrieden. Aber ich bin natürlich auch dankbar, weil ich das Album nicht alleine eingespielt und produziert habe. Ich hatte vor allem drei Freunde und Kollegen als Mitstreiter, die mich sehr unterstützten. Das hat zu dem, wie ich finde, sehr guten Gesamtergebnis beigetragen.
Aber Sie gehen doch fast auf die zwei Meter zu?
Es sind schon ein paar Zentimeter Stolz dazugekommen. Ich gehe jetzt ein bisschen aufrechter.
Der letzte Song heißt „Großes Kino“. Das ist es auch. Was hat Sie denn dazu bewogen, „Großes Kino“zu machen – und damit den Charakter der Musik zu verändern, weg vom Einzelkünstler, hin zu einigen Ensemble-besetzten Stücken?
Auf der ersten Platte „Im Blauen bleiben“war ja nur meine Gitarre – teilweise auf mehreren Spuren – und mein Gesang zu hören. Was auch gut so ist – für das Konzept und den Klang, der mir vorschwebte. Teilweise kam aber Feedback von Hörern, die nicht so im Songwriter-Genre zu Hause waren, dass es das Ergebnis im Vergleich zu dem, was so der Normal-Musikfreund bei sich zu Hause auf CD oder im Radio hört, vielleicht ein wenig sparsam wirkt. Deswegen habe ich mir nun bewusst den Mut genommen, etwas ausschweifendere Arrangements zu schaffen.
Im Kino-Song heißt es ja sogar auf die „Breitwand“. Einige Songs sind für die Breitwand. Es muss immer zu den Liedern passen. Die Songs auf dem zweiten Album eignen sich besser für größere Arrangements. Das habe ich ziemlich schnell erkannt und mir die drei Musiker von der Kapelle Weyerer, mit denen ich schon lange befreundet bin, dazugeholt. So dass wir über einen Zeitraum von mehreren Monaten an den Arrangements und dann im Studio am Einspielen arbeiten konnten.
Man unterstellt Künstlern ja doch immer gern die an sich selber denkende Eitelkeit. War es für Sie nicht schwer, Kollegen mit ins Boot zu holen? Hat man da nicht Sorge, dass man ein wenig die Kontrolle über das letzte Detail verliert?
Ich konnte das gut einschätzen, weil ich meine Leute ja menschlich und musikalisch gut kenne. Wenn man sich Musiker mit dazuholt, ergibt es keinen Sinn, alles bis ins Letzte steuern zu wollen. Die Kontrolle muss man von vornherein abgeben. Und das ist auch richtig so. Sonst hätte ich mir ja gleich Studiomusiker angeln können, um ihnen genau vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Ich wollte aber, dass sich die Drei – und weitere Musiker – kreativ einbringen. Wenn man Leute, die viel Erfahrung haben und die meine Lieder musikalisch und inhaltlich verstehen, machen lässt, dann kommt was Gutes raus. Genau so lief’s dann auch.
Es ist aber nicht die Sehnsucht nach einer Band, nach der Geborgenheit? Wer Sie aus der Münchner Szene kennt, weiß ja, dass Sie in vielen Bands waren – seit den alten Young’n’WhatZeiten. Ist es Ihnen vielleicht etwas zu einsam geworden auf der Bühne?
Schon ein bisschen. Man muss aber dazusagen: Die Platte klingt jetzt teilweise nach einer Band. Oder auf jeden Fall nach mehreren Instrumenten. Live sitze ich aber weiterhin alleine auf der Bühne. Das ist auch eine organisatorische Sache – und letztlich eine finanzielle. Wenn man nicht von vornherein mit sehr vielen Zuschauern kalkulieren kann, fällt es schwer, eine gemeinsame Tour zu planen. Ich hoffe, dass ich da aber noch mal hinkomme. Zum anderen steckt die Sehnsucht nach einer Band schon in mir. Das spüre ich sehr, muss es aber einfach noch ein wenig zurückstellen.
Stichwort „Sehnsucht“. Die zieht sich durch viele Songs – auch schon bei „Im Blauen bleiben“. Haben Sie nicht Sorge, dass die mal gestillt ist?
Die Sehnsucht, die ich meine, ist unstillbar. Das „Unstillbar“könnte man gut in Anführungszeichen setzen, weil es auch gleichzeitig ein Albumtitel der Kapelle Weyerer ist. Das Unstillbare ist sicher etwas, was ich als Grundeinstellung mit Stefan Weyerer, Nick Flade und Alex Hötzinger gemeinsam habe. Es ist die Sehnsucht, als Künstler weiterzukommen. Und es ist die Sehnsucht, dass sich die Welt doch noch zum Guten fügt. Die ist unstillbar – im zweiten Fall muss man vielleicht sogar sagen: „leider unstillbar“.
Wenn Sie ein wenig auf Ihre eigene Künstler- und Band-Entwicklung zurückblicken: Sind Sie jetzt trotzdem einmal an dem Punkt angekommen, an dem Sie lange sein wollten? Sie haben ja verschiedene Häutungen hinter sich – vom Rock-Musiker über stille Sachen oder sogar einer zeitweiligen AmbientPhase.
Ich habe mich jahrzehntelang als Gitarrist gesehen. Und der war ich auch. Von daher kam’s 2012 für mich selbst ein wenig überraschend, dass ich den Schritt wagte, allein auf die Bühne zu gehen und ein komplettes Programm zu singen. Geholfen hat es mir natürlich, dass es eigene Songs und eigene Texte waren. Rückblickend bin ich froh, dass ich mir das zugetraut habe. In der jetzigen Phase habe ich viel für mich künstlerisch gefunden. Mir wurde klar, dass ich als Gitarrist nicht nur Songs für Bands schreiben möchte, sondern dass ich mehr Verantwortung übernehmen muss – für das, was ich singe und wie ich die Songs aufführe. Diese Erkenntnis war für mich der Schlüssel. Im Moment fühlt sich das für mich sehr stimmig an.
Wie lange haben Sie damit gerungen, auf Deutsch oder nicht auf Deutsch zu singen?
Gar nicht lange. Die Textideen kamen auf Deutsch. Ich kann mich so am besten ausdrücken. Sachen, die ich auf Englisch getextet habe, sind oft lapidarer.
Sie sind aber kein Amerikaner oder Brite? Nee, nee. Ich komme aus München. Seit der Band Young’n’What bin ich Norman Young. Ich hab mich schon daran gewöhnt.
Und „young“geblieben.
(lacht) Exakt.
Sie arbeiten ja sehr feinfühlig mit Texten. Dass der erste neue Song „Zwischen den Zeilen“heißt, klingt nach Programm. Ist das der Ehrgeiz, mit der Sprache so sorgfältig umzugehen, wie Ihnen auch am Instrument nur wenige etwas vormachen können.
Kann schon sein. Weil es Deutsch ist, fällt es nicht nur mir leichter, mich auszudrücken. Auch die Leute verstehen die Texte leichter. Das bedeutet, dass man sich mehr Mühe damit geben muss. Ich versuche gern, ins Hintergründige zu gehen. Einige Sachen fliegen mir spontan zu. Solche Ideen notiere ich mir mittlerweile wohlweislich immer recht zeitnah. An anderen Texten, bei denen die Richtung vielleicht zwar bereits vorgegeben ist, sich aber nicht alles auf einmal fügen möchte, sitze ich auch schon mal Monate.
Was ist denn Ihre Muse? In Berlin soll Tegernseer Hell ja gut verfügbar sein.
Es gibt an jeder Ecke Augustiner und Tegernseer. Es ist aber nicht das einzige Labsal. (lacht) Ich probiere bewusst auch mal was Neues aus.
Wie entstehen denn Ihre Songs – geht der Weg bei Ihnen eher zunächst von den Texten oder von der Musik aus?
Unterschiedlich. Manchmal geraten die Dinge in ihren Lauf, wenn ich an der Gitarre sitze und einfach nur für mich Akkorde ausprobiere und ihnen nachhorche. Manchmal führt der Weg aber auch über den Kopf. Dann versuche ich, Textzeilen in Strophenform zu bringen und überlege mir passende Akkorde dafür. Meistens kommt es aus dem freien Spiel, wenn ich meine Gitarre packe und etwas entstehen lasse.
Sie kennen Akkorde, von denen so mancher Gitarrenspieler teilweise noch träumt.
Ich probiere sehr viel aus. Vom Klang, zu dem ich hin will und mit dem ich mich auch unterscheiden kann, habe ich eine sehr konkrete Vorstellung. Da hilft mir natürlich meine Erfahrung aus vielen Jahren als Musikhörer und Gitarrist verschiedener Stile. Ich versuche bewusst, meine Songs harmonisch zu erweitern.
Wie macht man’s konkret?
Ich liebe die Major 7-Akkorde sehr, die ich, so oft es geht, in meine Songs reinzunehmen versuche. Außerdem gefallen mir harmonische Erweiterungen wie eine None. Ein gutes Mittel, das auf der Gitarre zu schaffen, ist es, einerseits Akkorde zu greifen – und leere Saiten dazu klingen zu lassen. Das ergibt, für das was mir vorschwebt, sehr vorteilhafte harmonische Reibungen.
Die Spannung, aber auch die schwebende Uneindeutigkeit suchen Sie ja auch gerne in Ihren Texten. Dazu würden Riffs, die man einfach so runterrotzt, nicht wirklich passen.
Schwingungen. Mehrdeutigkeit. Das ist genau so gewollt.
Wollten Sie jetzt aber doch nicht „im Blauen“bleiben? In Ihrem neuen Album geht’s ja raus ins Sphärische, in den Weltraum.
„Im Blauen bleiben“ist so eine Art Ouvertüre. Und ein Statement, das ich musikalisch und von der Weltsicht her programmatisch verstanden wissen möchte. Es ist ja eine Neil-Young-Assoziation. Bei der „Verschmelzung der Welt“werde ich textlich teilweise konkreter. Auch mit dem, was es meiner Meinung nach zur aktuellen Weltsituation anzumerken gibt. Die erweiterten Arrangements sind Ausdruck meiner musikalischen Entwicklung.
Einige Bilder, die Sie offenbar lieben, kehren immer wieder – Licht und Schatten, Licht ohne Schatten ....
Ich bleibe dem Thema Weltraum treu. Auf der „blauen“Platte gibt es den „Tag im All“. Dazu sehe ich „Such nur in Dir“jetzt als Fortsetzung. Auf der dritten Platte werde ich den Bogen weiterspannen – mit „Die Namen der Monde“. Die Fortsetzung gibt’s schon. Live spiele ich diese Songs schon als eine Art Trilogie. Die Weltraum-Reise geht weiter.
Das heißt, die dritte Platte ist schon in der Mache.
Sie ist schon angedacht. Einige Stücke sind schon fertig.
Sie leben ja immer wieder auch in München. Wie wichtig war es, das Album in Ihrer Heimat vorzustellen – eine Extramotivation?
Sehr wichtig. Ich habe einen für mich sehr günstigen Termin gefunden – und eine Wunsch-Location: das Klenze 17.
Jetzt untertreiben Sie aber ein bisschen: Sie lassen das Release-Konzert ja sogar mit ihrem 50. Geburtstag zusammenfallen. Kommt das für Sie emotional nicht besonders dicke?
Tja, mein Geburtstagsgeschenk an mich. Ich bin so zufrieden mit der Platte. Sie sollte im Frühjahr rauskommen. Emotional war es für mich leichter, gleich beide Ereignisse an einem Termin zusammenkommen zu lassen. Außerdem zerstreue ich so nicht die Aufmerksamkeit meiner Freunde.
Wir sind alle abgeklärte Jungs. Aber denken Sie stark über den Fünfzigsten nach?
Ehrlich gesagt, kaum. Weil ich auch die letzten Nuller als nicht besonders einschneidend erlebt habe. Den Fünziger muss ich jetzt auf mich zukommen lassen – ohne Bammel.
Und wegen der speziellen Null auch keine Haare verloren?
Die waren eh schon weg. Jedenfalls die auf dem Kopf. Optisch macht die Haarfrage bei mir schon lange keinen Unterschied mehr.
Vorgestellt wird ja „Die Verschmelzung der Welt“. Jeder der sich privat mit dem Thema „Verschmelzung“beschäftigt, landet zwangsläufig schnell beim Toast Hawaii. Passt ja zur Geburtstagsparty.
(lacht) Dann für mich doch lieber Leberkäs Hawaii. Eine spezielle Speisekarte für den Klenze 17-Abend werden wir aber nicht anbieten.