Unser Franzose im Oberland
Vom „Le Stollberg“in die „Kochler Stuben“
Von Le Mans über die Kammerspiele zum Kesselberg und in die „Heimatbühne“: Nein, wir sind weder dem Formelzirkus verfallen noch dem Mopedwahnsinn und auch nicht der hehren Schauspielkunst. Wir befinden uns nur auf den Spuren unseres französischen Freundes Laurent Pigault, dem früheren Wirt des „Le Stollberg“– und die führen uns nun nach fast vier Jahren „Wirtepause“zum Kochelsee. Nach langem und aufreibendem gerichtli- chen Possenspiel zwischen der Gemeinde und dem Vorbetreiber der „Heimatbühne“konnte Laurent hier gemeinsam mit Thorsten Konrad Ende letzten Jahres endlich still und leise seine „Kochler Stuben“eröffnen. Zum Gesamtkomplex der Gaststätte gehören neben dem Restaurant aber auch noch diverse Räume für Feiern, ein großer Veranstaltungssaal mit Bauernbühne und ein Biergarten. Und die Wirtsleute müssen sich zusätzlich auch noch um die Kantine und den Besucher-Kiosk des Walchensee-Kraftwerks kümmern. Kurz gesagt: Zu wenig Arbeit gibt es sicher nicht ...
Endlich wieder Schweinefuß!
Das gesamte Ensemble ist ein Stil-Konglomerat aus Sixties und Eighties, das jetzt nach und nach renoviert wird. Als erstes wurde das Restaurant, also die „Kochler Stuben“, umgebaut. Entstanden ist ein sehr schöner, schnörkelloser und ansprechenden Gastraum, in dem man mit Blick auf umliegende Berge, Spielplatz und Kurpark luftig und hell an großen Fenstern sitzt. Holztische, ledergepolsterte Holzsitzbänke, ein kleiner Tresen für den Getränkeausschank, ein Bücherregal mit antiken Theaterbüchern, klare Linien und keinerlei Pseudo-Bayern-Deko, alles sehr angenehm. Eine automatische Tür führt direkt neben dem Tresen in eine ziemlich große Küche. Hier werkelt nun unser Franzose aus Le Mans an seiner bayrisch-französischen Spitzenküche, unterstützt von Partner (und ebenfalls Koch) Thorsten und dessen äußerst freundlicher Gattin Katja. Der hatte man bei unserem ersten Besuch gerade überraschend nach einem langen Arbeitstag im Touristenamt (praktischerweise schon im Dirndl) ganz pragmatisch und zu ihrer wahren Freude den Service angetragen. Früheren Gästen des „Le Stollberg“dürfte ja vielleicht noch die schöne Angewohnheit des Maîtres in Erinnerung sein, gerne im engen Kontakt mit seinen Gästen zu stehen und in voller Kochmontur „seine“Essen selber an den Tisch zu bringen. Ob ihm dafür in Zukunft allerdings noch die Zeit bleibt, ist äußerst fraglich. Keine Fragen offen lässt dagegen die Speisekarte: Da gibt es zu unserer allgemeinen Freude Laurents so lange vermissten Klassiker – von Nieren in Port-
wein (17,50) über Croustillant vom Schweinefuß (8,90) und Oktopus-Salat (12,50) bis zum leicht angebratenen Tartar (9,20), zur gebratenen französischen Blutwurst (13.20) und zur provenzalischen Fischsuppe mit Rouille (5,20). Erfreulich (und der neuen Wirkungsstätte angepasst) kann man jetzt auch noch aus einem bayerischen Speisenangebot wählen – von gefüllter Kalbsbrust mit Kartoffelsalat (18,90) über Zwiebelrostbraten mit Speckkartoffeln (17,90) bis zur Fischplatte mit Kochlseefischen (17,90). Nachdem wir uns beim ersten Besuch überzeugt haben, dass die Nieren mit Sellerie- und Kartoffelpüree noch exakt so gut schmecken wie früher, dass wir die Fischsuppe mit den Croutons immer noch genauso lieben und dass der butterweiche „Schweinefuß“ im knusprigen Filoteigtascherl und auch der wunderbare Kalbskopf in Tomaten-Basilikum-Vinaigrette nach wie vor kaum zu toppen sind, haben wir uns beim zweiten Besuch mal die „neuen“Klassiker vorgenommen. Also einmal die Spanferkelbrust gefüllt mit gerösteten Knödel und Krautsalat (17,90) und einmal das gebackene Kalbsschnitzel (17,50) – das Fleisch kommt übrigens politisch korrekt nachhaltig und regional vom sehr guten örtlichen Metzger. Das Kalbsschnitzel ging als einwandfrei durch, die Pommes kross, der kleine Salat dazu frisch und gut angemacht. Die Spanferkelbrust bestand aus zwei dicken Scheiben, eine mit Brätfüllung (sehr fein!), die andere mit Semmelfüllung. Das war mit den gerösteten Knödeln als Beilage nicht ganz optimal, aber dank der guten Sauce trotzdem sehr akzeptabel. Einen sehr ordentlichen Riesling (21,50) und einen sauberen Bourgogne (28.-) hatten wir, die Flasche Adelholzner kostet freundliche vier Euro siebzig, ein sauber gezapftes Tegernseer Helles gibt es für 2,90 und das ebenfalls sehr gut trinkbare Reutberger Kloster Weiße für drei Euro auch aus dem Fass.
Ein schöner Platz ...
Leicht verschwitzt aber gut gelaunt setzt sich Laurent nach dem sonntäglichen Küchen-Kampf zu uns an den Tisch. Er ist happy, denn das Team hat die ersten Großveranstaltungen erfolgreich gemeistert – einen Kinderfasching und eine Seniorenfeier. Restaurant und Großveranstaltungen zusammen sind schon eine anspruchsvolle Aufgabe, dazu kommt jetzt im Sommer auch noch der Biergarten. Bei unserem letzten Besuch saßen wir schon bei lauem Föhnwind auf ein Empfangsbierchen im Wirtsgarten. Ein schöner Platz ist das hier: Man braucht nur wenige Minuten bis zum See und zur Schiffsanlege-Stelle, vorbei an Häuser mit farbenfrohen Lüftlmalereien. Für Kunstsinnige gibt es nur etwa 10 Fahrminuten entfernt das Franz-MarcMuseum, für Sportliche ausreichend Berge und Seen, Und wer Lust hat, sich einmal wirklich fundiert und umfassend über die „wilde Isar“samt Sylvensteinstausee, Jachen, Rißbach, ausgetrocknete Gebirgsbäche, geheimnisvolle Kanäle und das Walchenseekraftwerk zu informieren, der sollte sich zu einer der nur zweimal im Jahr stattfindenden hervorragenden Führungen des Vereins „Rettet die Isar jetzt“anmelden. Und anschließend geht’s … natürlich in die „Kochler Stuben“!
RESTAURANT KOCHLER STUBEN
Mittenwalder Str. 14 82431 Kochel am See Tel: 08851 5193 www.kochler-stuben.de Öffnungszeiten: Montag Ruhetag (nur im Winter) Dienstag bis Freitag 17.00 – 1.00 Uhr Samstag bis Sonntag 10.00 – 1.00 Uhr