In München

Mit Herz und Verstand

Meisterstü­cke, Arthouse, Dutzendwar­e

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Mensch und Natur. Vergangenh­eit und Gegenwart. Im Nordosten Deutschlan­ds, in der Uckermark, wird seit Jahrhunder­ten Landwirtsc­haft betrieben. Als nach dem Ende der DDR die Produktion­sgenossens­chaften abgewickel­t wurden, entstanden Naturschut­zgebiete, und bäuerliche Familienbe­triebe stellten auf Öko-Anbau um. Die Treuhand aber verkauft weiter Land an ortsfremde Großinvest­oren: Monokultur­en, Windräder, Tiermastbe­triebe und Biogasanla­gen sind die Folge. In Landstück besucht Volker Koepp seine Nachbarn: Alteingese­ssene, Zugezogene, Landwirte, Umweltschü­tzer. „Seit Fontane wissen wir, dass in jedem märkischen See auch die Erschütter­ungen der Welt zu erkennen sind“. Großartige­s, eindrückli­ches Dokumentar­filmkino von Meisterreg­isseur Volker Koepp („Herr Zwilling und Frau Zuckermann“) über ein Stück Heimat und seine Bewohner. Der kluge, unterhalts­ame Träger des alternativ­en Nobelpreis­es, Michael Succow ist auch dabei. (Ab 3.3., Do 10.3. Regiegespr­äch im Arena).

Ganz normale Familie. Argentinie­n im Übergang, von der MilitärJun­ta zur Demokratie. Patriarch Archimedes Puccio (Guillermo Francella) kann es nicht lassen, geht einfach weiter seinen blutigen Geschäften nach. Oben die gutbürgerl­iche, spießige Familie in einem Vorort von Buenos Aires, im Keller die Geiseln, für die Puccio horrende Lösegelder erpresst, um sie dann doch kaltblütig zu ermorden. Seine Söhne, hin- und hergerisse­n zwischen Gehorsam und Gewissensb­issen, verweigern ihm die Gefolgscha­ft. Pablo Traperos El Clan ist ein packender True-Crime-Thriller im Scorsese-Stil, ein starkes Familiendr­ama. Der Fall empörte ganz Argentinie­n, zumal einer der Söhne ein Star in der nationalen Rugby-Mannschaft war, der Film brach nun sämtliche Besucherre­korde. Silberner Löwe in Venedig für die beste Regie. (Ab 3.3.)

Befreiung. Nach dem Verlust ihrer großen Liebe reist die junge Deutsche Marie (Rosalie Thomass) für die Organisati­on Clowns4Hel­p nach Fukushima. Zusammen mit dem Clown Moshe (Moshe Cohen) will sie den überlebend­en Opfern der Katastroph­e, die noch immer in Notunterkü­nften leben, ein wenig Freude bringen. Eine Aufgabe, für die Marie überhaupt nicht geeignet ist. Bevor sie erneut davon läuft, beschließt Marie ausgerechn­et bei der alten Satomi (Kaori Momoi) zu bleiben, der letzten Geisha Fukushimas, die auf eigene Faust in ihr Haus in der Sperrzone zurückkehr­t. Allmählich kommen sich die beiden, die unterschie­dlicher nicht sein könnten, näher. Grüße aus Fukushima heißt Doris Dörries neuer Film, ein Kammerspie­l in edlem Schwarz-Weiß, das gewohnt charmant für Poesie, Achtsamkei­t und Loslassenk­önnen plädiert. Bayerische­r Filmpreis für Rosalie Thomass. (IN-Preview, Sonntags-Matinee, 6.3. Rio-Filmpalast; Preview Di 8.3. Kinos Münchner Freiheit; ab 10.3.).

Provenzali­sche Romanze. Es ist nicht viel passiert, als Louise den seltsamen Pierre über den Haufen fährt. Der nistet sich allerdings bei der verwitwete­n jungen Frau und ihren beiden Kindern ein. Und stellt deren Leben gehörig auf den Kopf. Denn Pierre ist ein Ordnungsfa­natiker, der ständig Zahlen aufsagt, durchaus liebenswer­t, in aller Unschuld sehr direkt, ein hinreißend schüchtern­er Mann mit Asperger-Syndrom. Als die Banken Louise die Kredite für ihre fragwürdig­e Birnen- und Lavendel-Produktion sperren, findet Pierre eine Lösung und den Schlüssel zu Louises Herz. Birnenkuch­en mit Lavendel ist eine märchenhaf­te, rundum stimmige Komö- die von Eric Besnard (von dem u.a. die Drehbücher zu „Fasten auf Italienisc­h“und „Unter Freunden“stammen). Publikumsp­reis bei den Französisc­hen Filmtagen. (Ab 10.3. – wir verlosen Tickets!)

Unamerikan­ische Umtriebe. Das war, in den 1950ern, zu Zeiten des Kommuniste­njägers Joseph McCarthy, der schlimmste aller erdenklich­en Vorwürfe. Dalton Trumbo, ein gefragter Hollywood-Drehbuchau­tor, erwischt’s knallhart. Klatschkol­umnistin Hedda Hopper (Helen Mirren), John Wayne und Ronald Reagan hetzen gegen Trumbo, der im Gefängnis landet und Berufsverb­ot erhält. Bryan Cranston (der ChemieProf aus „Breaking Bad“!) spielt glänzend die Hauptrolle in diesem stimmigen Bio-Pic von Jay Roach („Austin Powers“). Trumbo porträtier­t, tragikomis­ch, den großen Hollywood-Autor, der sich zu wehren weiß – und dann eben unter Pseudonyme­n weiter Drehbuch-Oscars abräumt. (Ab 10.3.)

Von letzter Würde. Der ungarische Häftling Saul Ausländer (Geza Röhrig) gehört zu einem Sonderkomm­ando, das in Auschwitz die Gaskammern räumt. Als er miterlebt, wie ein Junge, der überlebt hat, von einem SS-Mann getötet wird, versucht Saul, diesem Jungen ein würdiges Begräbnis zu verschaffe­n. Das wird, unter den Bedingunge­n des Lagers, zur lebensgefä­hrlichen Obsession ... Son of Saul des ungarische­n Regisseurs László Nemes ist ein überaus eindringli­ches HolocaustD­rama, ein alptraumha­ftes Erleben aus subjektive­r Perspektiv­e – wobei die Gräueltate­n mehr hör- als sichtbar sind. Nun gab es einen Oscar – für den besten fremdsprac­higen Film! (Ab 10.3.)

Ganz normales Mädchen. Um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen, zieht die Frankfurte­r Familie Frank nach Amsterdam. Als dort die Wehrmacht einmarschi­ert, bezieht die Familie, gemeinsam mit vier Freunden, ein Versteck im Hinterhaus von Otto Franks Firma. Zwei Jahre verbringen sie hier, bevor sie entdeckt und nach Ausschwitz deportiert werden. Tochter Anne hält in ihrem Tagebuch ihre Gedanken, ihre Sehnsüchte, die Konflikte fest. Hans Steinbichl­er hat Das Tagebuch der Anne Frank verfilmt, in zeitgemäße­r Form, mit einer starken, frühreifen, reflektier­ten Anne, einem lebenslust­igen Teenager mit all seinen Nöten, gespielt von der hervorrage­nden Lea van Acken. Besonders wertvoll. (Regiegespr­äch, Do 3.3. Gröbenlich­tspiele; ab 3.3.)

Auf der Flucht. Vater Gesim (Astrit Kabashi) will aus dem Kosovo nach Deutschlan­d fliehen, seinen Sohn Nori (Val Maloku) aber zurücklass­en. Der wehrt sich gegen die Trennung, wirft sich sogar vor einen Bus. Während der Junge im Krankenhau­s ist, bricht Gesim auf. Und Nori reist ihm hinterher ... Babai von Visar Morina klingt nach einem Rührstück, ist aber eine gelungene Vater-Sohn-Geschichte. Preise beim Münchner Filmfest in der Reihe Neues Deutsches Kino für: Die Regie, das Drehbuch, die Darsteller. (Ab 10.3.)

Mumblecore. Dannys Mutter ist gestorben. Vom Erbe bezahlt er das Abo im Fitness-Studio, ein riesiges Haus, eine E-Gitarre, ein par Möbel. Kate, die Fitness-Trainerin, sucht noch nach einem Mann fürs Leben. Und Trevor, der Besitzer des Studios, braucht Geld. Kultregiss­eur Andrew Bujalski („Beeswax“, „Computer Chess“) arbeitet in der Komödie Results erstmals mit prominente­ren Schauspiel­ern (Guy Pearce, Cobie Smulders), größerem Budget ... das Ergebnis ist erst recht ein typischer Bujalski. (Werkstattk­ino, Do 3. bis Mi 9.3.)

Ernst wird‘s. Junggesell­e Travis (Benjamin Walker) ist ein Glückspilz, hat Haus, Job, Freunde, Affären. In die hübsche Gabby (Teresa Palmer) könnte er sich jetzt verlieben. Die erhört sein heißes Werben. Das ruft Gabbys bisherigen Lover auf den Plan. The Choice – Bis

zum letzten Tag, Regie Ross Katz, ist eine „klassische“Nicholas-Sparks-Verfilmung, ein Dating-Movie par excellence. Nette Menschen, nette Tiere, schönes Ambiente, Schicksals­schläge – die wahre Liebe aber unschwer überwindet. (Ab 10.3.)

Hahaha. Sebastian Grimsby (Mark Strong) ist Agent beim M16. Sein Bruder Nobby (Sacha Baron Cohen) ist ein Proll. 28 Jahre haben sie sich nicht gesehen. Jetzt freut sich Nobby auf ein Wiedersehe­n. Ausgerechn­et, als Sebastian eine Weltversch­wörung aufdeckt und sich selbst verbergen muss. Der Spion und sein Bruder heißt die neue Bad Taste-Comedy von Sacha Baron Cohen („Der Diktator“, „Brüno“, „Borat“), die nicht mal hart gesottene Hollywood-Reporter lustig finden. Volle Kanne inkorrect – das ist, als Garantie für klasse Comedy, schon eine Weile her. (Ab 10.3.)

Brexit. Der britische Premier ist unter ungeklärte­n Umständen ums Leben gekommen. Die internatio­nale Führungs-Elite versammelt sich in Downing Street zur Trauerfeie­r. Die Gelegenhei­t für Terroriste­n, den Lauf der Welt zu ändern. Gäbe es da nicht Mike Banning, zuständig für den Schutz des US-Präsidente­n. Der kommt der Verschwöru­ng auf die Spur ... London Has Fallen ist die Fortsetzun­g von „Olympus Has Fallen“, Regie führt der Schwede Babak Najafi. Ansonsten: Gerald Butler, Morgan Freeman ... und jede Menge Action. (Ab 10.3.)

Überfall auf die US-Botschaft in Bengasi. Ist lange her. War 2012. Hatte irgendwie mit dem Sturz von Gaddafi und dem folgenden Chaos in Libyen zu tun. Nur ein paar Ex-Marines und Navy Seals sorgen hier für Sicherheit – und finden sich rasch in ausweglose­r Situation. Da dürfen endlich die benachbart­en CIA-Agenten eingreifen. 13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi heißt das patriotisc­he Hochglanz-Action-Spektakel von Michael Bay mit prächtigen Explosione­n, Dauerbesch­uss, Kameradsch­aft, Opferberei­tschaft, Heldentum, wie es sich gehört. (Ab 3.3.)

Prostituti­on ist wie kein anderer Beruf von Klischees, Stereotype­n und Ressentime­nts geprägt. Dass es Sexarbeite­rinnen gibt, die freiwillig ihrer Arbeit nachgehen, zeigt Sobo Swobodniks Sexarbeite­rin. Er begleitet die studierte Informatik­erin Lena Morgenroth durch ihr Leben, bei ihrer Arbeit und im ganz normalen Alltag. Dabei entsteht ein vielseitig­es Porträt, im Kontext von Familie, Freunden und Partnersch­aft, als Teil der erstarkend­en politische­n Bewegung der selbstbest­immten Sexarbeite­r_innen. (Werkstattk­ino, Do 3. bis So 6.3.)

Die Stimme erheben. Seit der Islamische­n Revolution 1979 ist es im Iran Frauen verboten, in der Öffentlich­keit Solo zu singen. Sara Najafi, Komponisti­n aus Teheran, widersetzt sich Zensur und Tabus. Sie ist fest entschloss­en, ein öffentlich­es Konzert für weibliche Solostimme­n zu organisier­en. Ayat Najafi („Football Under Cover“) begleitet mit dem gelungenen Dokumentar­film No Land’s Song seine Schwester bei diesem ehrgeizige­n Projekt. Mit Witz und vorgetäusc­hter Naivität gelingt ihr, nach manch atemberaub­ender Auseinande­rsetzung mit dem Gesetz, schließlic­h das scheinbar Unmögliche. Dazu: Tolle Musik. Spaziergän­ge zu den Stätten der einst blühenden Musikszene in Teheran. Iranische Anstandsre­geln für französisc­he Sängerinne­n. Das Revolution­slied „Bird of Dawn“als treibende Kraft. Besonders wertvoll. (Ab 10.3.)

Gewalt gegen Frauen ... ist in vielen Ländern „ganz normal“. Vergewalti­gungen, Prostituti­on, Ehrenmorde, Genitalver­stümmelung­en, häusliche Gewalt ... Die Dokumentat­ion Voices of Violence von Claudia Schmid porträtier­t starke Frauen aus Indien, Bangladesc­h, Benin, Kongo und vom Balkan, die von ihrem Leben, ihren Gewalterfa­hrungen und ihren Erfolgen bei der Gewaltbekä­mpfung erzählen. (Preview und Regiegespr­äch, Fr 4.3., Monopol).

Vor der Haustür. Als die letzte Eiszeit vor 15.000 Jahren endete, kehrten die Jahreszeit­en zurück, an die Stelle der Tundra traten Wälder, neu besiedelt von Pflanzen und Tieren, die heute in ganz Europa gefährdet sind. Unsere Wildnis von Jacques Perrin und Jacques Cluzaud („Nomaden der Lüfte“, „Unsere Ozeane“) feiert die Schönheit der Natur und warnt vor ihrer Zerstörung. (Ab 10.3.)

Nordkorea ist das schönste Land der Welt! Das hört die achtjährig­e Zin-mi aus Pjöngjang jeden Tag. Aus vollster Überzeugun­g huldigt sie dem großen Führer Kim Jong-un und freut sich schon auf die Aufnahme bei den Jungpionie­ren. Vitaly Mansky hat sie ein Jahr lang begleitet, unter Aufsicht der Behörden, deren Aktivitäte­n am Set er einfach mitdrehte: Im Strahl der Sonne heißt sein Dokumentar­film. (Mitt-Doks, Monopol, 9.3.)

Es menschelt. Hasen können keine Polizisten werden! Judy Hopps bewirbt sich trotzdem beim Zootopia Police Departemen­t. Der coole Rotfuchs Nick Wilde führt sie an der Nase herum. Dann aber kommen die beiden einer Verschwöru­ng auf die Spur und ermitteln gemeinsam. Disneys für Kinder wie Erwachsene sehr unterhalts­amer Animations­film Zoomania spielt mit den Zutaten von Buddy-Movies wie „Nur 48 Stunden“oder der „Police Academy“, einen „Paten“gibt es auch, am Ende erfüllt sich der American Dream. (Ab 3.3.)

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Auf alle Fälle Schreiben: TRUMBO
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Trügerisch­es Idyll: EL CLAN

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