Grausames im Alltag
Verlogene Männer-Dominanz gestern und heute
Salem ist ein mythischer Ort in der USKultur. Hier fanden im 1692 die Hexenprozesse aufgebrachter Puritaner statt. Und von leicht entflammbaren Entrüsteten gibt es immer noch viel zu viele im Riesenreich. Mehrere Mädchen zeigen in dem kleinen Nest plötzlich merkwürdige Symptome: Sie sind krank, hysterisch, jenseitig. Reverend Parris ist sich sicher: Sie sind mit dem Leibhaftigen im Bunde. Im Wald hat er sie halbnackt bei okkulten Tänzen erwischt. Schnell wird ein Exorzist gerufen. Die Riot Grrls kommen auf die Anklagebank, die Gefängnisse füllen sich, kaum einer scheint unschuldig, Aufruhr droht. Lässt sich das Verhängnis überhaupt noch aufhalten? Arthur Miller schrieb sein politisch aufgeladenes, aggressives Hexenjagd-Stück auf dem Höhepunkt der Kommunistenhatz der McCarthy-Ära. Regisseurin Tina Lanik klopft es neu ab – in Zeiten, in denen wieder der Rechtsstaat ausgehebelt werden soll. (Residenztheater, ab 5.3.)
Schauplatzwechsel in die deutsche Provinz, wo ebenfalls die Nervenenden bloß liegen. Wundertütenherstellerin Elisabeth stellt in ihrem Betrieb einen Gastarbeiter ein – und bringt damit den Ort gegen sich auf. Die Frauen versteigen sich in irre Sexphantasien, die Männer kochen vor Neid. Der Katzelmacher polarisiert. Und er muss weg. „Ordnung“muss wieder hergestellt werden. Rainer Werner Fassbinder führte das von ihm verfasste Stück über die emotionale Verwahrlosung und den schlecht kaschierten Faschismus 1968 als Einstiegspremiere in seinem Münchner Action-Theater auf und wurde mit dem Film schlagartig berühmt. (Volkstheater, ab 11.3.)
Hochbrisant auch die Ausgangslage in der Abschlussinszenierung der vierten Otto-Falckenberg-Klasse. Das Pulverfass schaut in Kneipen, Gefängnisse, Zugabteile: Hier versichern sich Männer ihrer brutalen Dominanz. Was hast du nur für ein Problem? Sechs Frauen hantieren mit Testosteron und montieren aus Pop- und Trash-Splittern einen Reigen der männlichen Rollenzuschreibungen. (Kammerspiele, ab 4.3.)
Einmal dezidiert nicht als Fanal der Frauenbewegung möchte Regisseurin Mateja Koleznik ihre Ibsen-Interpretation Nora oder ein Puppenheim ver standen wissen. Ihr geht es um mehr: um den Freiheitsdrang der Titelheldin, ihre Lebenslust und ihr Unbehagen an einer Gesellschaft, die Regeln und Gebote für heilig erachtet. Erzählt wird die Geschichte eines perfiden Vertrauensbruchs. Nora hatte einst zusammen mit dem Bankangestellten Krogstadt
einen Schuldschein gefälscht – zu Gunsten ihres Ehemanns, der davon aber nichts wissen darf. Doch dann soll Noras Gatte Bankdirektor werden. Und Krogstadt möchte er so schnell wie möglich an die Luft setzen. Nora bleibt keine andere Wahl als zu gehen. Doch wie Elfriede Jelinek schon in ihrer Fortschreibung festgestellt hat: Es wartet im „Draußen“keine andere Welt. (Cuvilliéstheater, ab 10.3.)
Die schwerreichen Henks nehmen ihre Geschicke gerne selbst in die Hand. Missliebige Menschen –vor allem Mit-Erben –schaffen sie durch Erwürgen, Erstechen, Köpfen oder Vergiften resolut aus dem Weg. Doch dann steht im rabenschwarzen Comedy-Thriller Schau nicht unters Rosenbeet ihre eigene Testamentseröffnung an. (Forum 2, ab 10.3.)
Was im Titel leicht klingt – Stop Being Poor – ist in der durchkapitalisierten Gesellschaft praktisch schwer. Die Performance-Truppe By Proxy möchte einen Anfang wagen. Sie erforscht, wie die Ökonomie die menschlichen Körper beeinflusst. Und dafür lohnt es sich, beherzt mit anzupacken. Sie fordert das Publikum auf, zu Beginn gemeinsam mit den Akteuren das Bühnenbild aufzubauen. Nur so lässt sich eine Verbindung herstellen. (Kammerspiele, 8./9.3.)
Lassen sich im Spiel alle Spannungen lösen? Nicht wirklich. Das ahnte auch schon Giuseppe Verdi in seiner Meisteroper Un ballo di maschera. Im Zentrum stehen ein Machthaber, sein Freund und dessen Frau. Eine Dreiecksgeschichte wie aus dem Bilderbuch. Und doch ist es kompliziert: Riccardo (Piotr Beczala) wird als Souverän gefeiert, doch er entzieht sich seiner Verantwortung und flieht sich in Zerstreuung, die seinen Überdruss lindern soll. Gut geht so etwas selten. (Nationaltheater, ab 6.3.)
Schon fast durch mit allem sind die Diskutanten auf dem Kongress der Autodidakten. Sie müssen nüchtern feststellen: Das Zeitalter des Menschen ist vorbei. Was zurückbleibt, sind Insekten und das Wummern der Erderwärmung. Statt Mozart wird die Ultraschallklangwelt des Pynion-KieferBorkenkäfers überleben. Wie stellt man sich stilecht auf das Ende ein? Immerhin möchte Regisseurin Corinna von Rad den Raum nicht ohne Lösung verlassen. (Marstall, ab 4.3.)
Kann man sich wenigstens in der Welt der Theaterstoffe noch zurechtfinden? Dieser Frage gehen Stefan Drücke und Annegret Enderle in Parzifal – Ich habe den Faden verloren nach. Dabei streifen sie durch die Sagenwelt und biografische Rückzugsräume. Nur wenn man seinen Weg verloren hat, kann man wieder die Sehnsucht aufbringen, um wirklich zu suchen. Am besten den Gral. (Pathos, 3. bis 5.3.)
Konstanze hat noch ein vergleichsweise geschlossenes Weltbild. Sie ist davon überzeugt, dass der Glaube Berge versetzt. Zweitens kann man ihr zufolge Katastrophen im Vorfeld erkennen und bestenfalls vermeiden. Drittens lohnt es sich immer, vorbereitet zu seine – falls der Ernstfall doch eintritt. Praktische Lebenshilfe, die man aus dem K wie KassandraAbend ziehen kann. (Schwere Reiter, 4. bis 6.3.)
Viel lernen kann man auch aus den Ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen, die sich Christine Brückner einfallen ließ. Hier blickt man in Effie Briests Inneres, erfährt, wie Klytämnestra den Mord an ihrem Gatten rechtfertigt, und tröstet Eva Braun bei ihrer Männerwahl. (Einstein Kultur, 11./12.3.)
Ein Fest wird die Chicago-Premiere: Das mit sechs Tony-Awards ausgezeichnete Gangster-Jazz-Musical nimmt seine Bewundere mit in sündige Nachtclubs und düstere Gefängniszellen. (Deutsches Theater, ab 5.3.).
Und mit dem musikalischen Figurentheater Till Eulenspiegels lustige Streiche kann man auch die ab Sechsjährigen ans Bühnenvergnügen heranführen. (Gasteig Kleiner Konzertsaal, 13.3.)