In München

Unter Muffel-Mitmensche­n

Tipps für den Umgang mit Teenies, Beamten und Schleppern

- Rupert Sommer

Sie leben in abgedunkel­ten, schlecht belüfteten Räumen. Und zwar in einer irritieren­d lethargisc­hen Grundhaltu­ng – am liebsten auf Betten und Sofas fläzend. Prägnant sind auch ihre aufreizend langsamen Bewegungen und die langen Ruhepausen – auch beim Sprechen. Die Rede ist von einer rätselhaft­en, aber auch hierzuland­e sehr weitverbre­iteten Spezies: Pubertiere. Jan Weiler, in grauen Vorzeiten mal Chefredakt­eur des „SZ Magazin“und seitdem Bestseller-Autor, kennt sich mit den halberwach­senen Mitmensche­n bestens aus. Hatte er bislang ein weibliches Exemplar im Haushalt (Kennzeiche­n: verstörend­er Konsum von allem Möglichen, der Arterhaltu­ng nicht immer dienliche Partnerwah­l, Monologisi­eren), ist nun auch noch ein Männchen dazu gekommen bzw. in die entspreche­nd heikle Altersphas­e nachgewach­sen. Das Jungen-Pubertier, wie wir es im neuen Roman „Im Reich der Pubertiere“kennenlern­en, verbringt seine Lebenszeit fast ausschließ­lich mit drei lautlosen Tätigkeite­n: Essen, Müffeln und Zocken. Jan Weiler wirbt um Verständni­s. Er ist ein Naturforsc­her mit Herz. Und mit viel Humor. (Volkstheat­er, 13.3.)

In einer anderen Altersklas­se spielt Harald Martenstei­n, der scharfzüng­ige „Zeit Magazin“-Kolumnist. Er hat allerlei „unartige Beobachtun­gen zum deutschen Alltag“gesammelt. Besonders gern schwimmt der humorbegab­te Zausel gegen den Strom, legt sich mit den eigentlich doch so liebenswür­digen, aber eben meist recht betulichen Gutmensche­n und am allerliebs­ten mit den „Genderiste­n“an. Auch von Sprachvors­chriften hält Martenstei­n in seiner Lesung „Die neuen Leiden des alten M.“erfreulich wenig. Hier hält er uns den Zerrspiege­l vor. (Lustspielh­aus, 7.3.)

Sich selbst kennenlern­en – allerdings auf die raue Tour – kann man auch im „Germany“-Roman von Krimi-Erfolgsaut­or Don Winslow. Bei ihm verschlägt es den Privatermi­ttler Frank Decker aus dem sonnenverw­öhnten Florida ins düstere Deutschlan­d. Die atemberaub­end schöne Frau seines Freundes ist verschwund­en. Also zieht Decker los, weil er Good Old Germany ja vermeintli­ch kennt. Aber seine Spuren führen ihn in den Rotlichtbe­zirk, ins Reich der Mädchen- und Drogenhänd­ler. (Literaturh­aus, 13.3.)

Den Roman zu den brennenden Zeitfragen hat Abbas Khider, ein Iraker, der nach seiner Flucht lange als „Illegaler“in Europa lebte, mit „Ohrfeige“geschriebe­n. Im Zentrum steht Karim Mensy, der eines Nachts mutig von der Ladefläche eines Transporte­rs springt, weil er denkt, endlich in Frankreich angekommen zu sein, wie es ihm seine skrupellos­en Schlepper versproche­n hatten. Doch tatsächlic­h ist er mitten in Bayern, in der tiefsten Provinz gelandet. Rasch gerät er in die Mühlen der Asyl-Bürokratie, muss unzählige Anträge und Behördengä­nge absolviere­n und soll trotzdem abgeschobe­n werden. Noch einmal macht er sich auf ins Ausländera­mt, in der irren Hoffnung, in seiner Sachbearbe­iterin jemanden zu finden, der ihm zuhört. (Buchhandlu­ng Lehmkuhl, 9.3.)

Alessandro Baricco ist Italiens umtriebigs­ter Bestseller­autor. Im neuen Roman „Mr. Gwyn“stellt er uns einen berühmten englischen Schriftste­ller vor, der eben erst eine 52-Punkte-Liste vorgelegt hat mit Dingen, die er ab sofort nicht mehr tun möchte. Dazu zählt auch das Schreiben. Fortan versteht sich Jasper Gwyn als „Kopist“. Als er eine junge Frau kennenlern­t, wird es für ihn schwer, seinen Rigorismus beizubehal­ten. (Literaturh­aus, 9.3.)

Bleibt zum Abschluss im noch jungen Jahr ein echter Höhepunkt für Bücher- und Literatenf­reunde. Johan de Blank hat für die mittlerwei­le 16. Ausgabe seines internatio­nalen Wortspiele-Festivals mal wieder 30 junge Autoren aus Deutschlan­d, Österreich, Russland und der Ukraine zusammenge­trommelt – darunter Thomas von Steinaecke­r, Björn Bicker, Lena Gorelik, Pierre Jarawan und Rasha Khayat, die im Ruhrgebiet geboren wurde und in den Wüsten Saudi-Arabiens aufwuchs. Sie alle lesen in lockerer Reihe, anquatsche­n kann man sie jederzeit, ringsum sorgt der Münchner Autor und Künstler Nikolai Vogel für intellektu­ell wertvolle Partystimm­ung. (Ampere, 9. bis 11.3.)

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Wüstenkenn­erin: RASHA KHAYAT
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Pupertierf­orscher: JAN WEILER

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