Unter Muffel-Mitmenschen
Tipps für den Umgang mit Teenies, Beamten und Schleppern
Sie leben in abgedunkelten, schlecht belüfteten Räumen. Und zwar in einer irritierend lethargischen Grundhaltung – am liebsten auf Betten und Sofas fläzend. Prägnant sind auch ihre aufreizend langsamen Bewegungen und die langen Ruhepausen – auch beim Sprechen. Die Rede ist von einer rätselhaften, aber auch hierzulande sehr weitverbreiteten Spezies: Pubertiere. Jan Weiler, in grauen Vorzeiten mal Chefredakteur des „SZ Magazin“und seitdem Bestseller-Autor, kennt sich mit den halberwachsenen Mitmenschen bestens aus. Hatte er bislang ein weibliches Exemplar im Haushalt (Kennzeichen: verstörender Konsum von allem Möglichen, der Arterhaltung nicht immer dienliche Partnerwahl, Monologisieren), ist nun auch noch ein Männchen dazu gekommen bzw. in die entsprechend heikle Altersphase nachgewachsen. Das Jungen-Pubertier, wie wir es im neuen Roman „Im Reich der Pubertiere“kennenlernen, verbringt seine Lebenszeit fast ausschließlich mit drei lautlosen Tätigkeiten: Essen, Müffeln und Zocken. Jan Weiler wirbt um Verständnis. Er ist ein Naturforscher mit Herz. Und mit viel Humor. (Volkstheater, 13.3.)
In einer anderen Altersklasse spielt Harald Martenstein, der scharfzüngige „Zeit Magazin“-Kolumnist. Er hat allerlei „unartige Beobachtungen zum deutschen Alltag“gesammelt. Besonders gern schwimmt der humorbegabte Zausel gegen den Strom, legt sich mit den eigentlich doch so liebenswürdigen, aber eben meist recht betulichen Gutmenschen und am allerliebsten mit den „Genderisten“an. Auch von Sprachvorschriften hält Martenstein in seiner Lesung „Die neuen Leiden des alten M.“erfreulich wenig. Hier hält er uns den Zerrspiegel vor. (Lustspielhaus, 7.3.)
Sich selbst kennenlernen – allerdings auf die raue Tour – kann man auch im „Germany“-Roman von Krimi-Erfolgsautor Don Winslow. Bei ihm verschlägt es den Privatermittler Frank Decker aus dem sonnenverwöhnten Florida ins düstere Deutschland. Die atemberaubend schöne Frau seines Freundes ist verschwunden. Also zieht Decker los, weil er Good Old Germany ja vermeintlich kennt. Aber seine Spuren führen ihn in den Rotlichtbezirk, ins Reich der Mädchen- und Drogenhändler. (Literaturhaus, 13.3.)
Den Roman zu den brennenden Zeitfragen hat Abbas Khider, ein Iraker, der nach seiner Flucht lange als „Illegaler“in Europa lebte, mit „Ohrfeige“geschrieben. Im Zentrum steht Karim Mensy, der eines Nachts mutig von der Ladefläche eines Transporters springt, weil er denkt, endlich in Frankreich angekommen zu sein, wie es ihm seine skrupellosen Schlepper versprochen hatten. Doch tatsächlich ist er mitten in Bayern, in der tiefsten Provinz gelandet. Rasch gerät er in die Mühlen der Asyl-Bürokratie, muss unzählige Anträge und Behördengänge absolvieren und soll trotzdem abgeschoben werden. Noch einmal macht er sich auf ins Ausländeramt, in der irren Hoffnung, in seiner Sachbearbeiterin jemanden zu finden, der ihm zuhört. (Buchhandlung Lehmkuhl, 9.3.)
Alessandro Baricco ist Italiens umtriebigster Bestsellerautor. Im neuen Roman „Mr. Gwyn“stellt er uns einen berühmten englischen Schriftsteller vor, der eben erst eine 52-Punkte-Liste vorgelegt hat mit Dingen, die er ab sofort nicht mehr tun möchte. Dazu zählt auch das Schreiben. Fortan versteht sich Jasper Gwyn als „Kopist“. Als er eine junge Frau kennenlernt, wird es für ihn schwer, seinen Rigorismus beizubehalten. (Literaturhaus, 9.3.)
Bleibt zum Abschluss im noch jungen Jahr ein echter Höhepunkt für Bücher- und Literatenfreunde. Johan de Blank hat für die mittlerweile 16. Ausgabe seines internationalen Wortspiele-Festivals mal wieder 30 junge Autoren aus Deutschland, Österreich, Russland und der Ukraine zusammengetrommelt – darunter Thomas von Steinaecker, Björn Bicker, Lena Gorelik, Pierre Jarawan und Rasha Khayat, die im Ruhrgebiet geboren wurde und in den Wüsten Saudi-Arabiens aufwuchs. Sie alle lesen in lockerer Reihe, anquatschen kann man sie jederzeit, ringsum sorgt der Münchner Autor und Künstler Nikolai Vogel für intellektuell wertvolle Partystimmung. (Ampere, 9. bis 11.3.)