Ich oder Du?
Vom Wohnen, über das Suchen und Finden des Ichs und den literarischen Husten bis nach Paris
Im Winter wird ja deutlich intensiver gewohnt als im Sommer. Das liegt an der Kälte und der Dunkelheit. Während man warme Tage gerne an der Isar oder in Laufnähe der Lieblingseisdiele verbringt, bleibt man bei Schneegraupelmatsch und Temperaturen um und unter Null gerne mal in seiner Bude. Tür zu, Heizung und Licht an. In Städten bedeutet Wohnen ja vor allem: die Anderen aushalten. Die Nachbarn. Man ist ja nie allein, lebt Wand an Wand, Balkon an Balkon mit den unterschiedlichsten Menschen und wenn man Glück hat, lässt man sich in Ruh, und wenn man sehr viel Glück hat, mag man sich. Soweit die private Sicht der Dinge. Das Architekturmuseum der TU München umschreibt diese Problematik mit anderen Worten: „Die Fortentwicklung des Wohnungsbaus in den europäischen Großstädten steht angesichts der nicht nachlassenden Urbanisierung, eines wachsenden Interesses an Wohneigentum und einer ebenso steigenden Differenzierung von Wohnbedürfnissen gegenwärtig vor dramatischen Herausforderungen. Die wichtigsten Fragen sind dabei die nach der notwendigen und möglichen städtebaulichen Dichte, einer ausgeglichenen sozialen Mischung ebenso wie nach der Wohnqualität.“So ist es. Man will in der Stadt wohnen, aber mit Garten und Freiraum und nicht zu eng, aber bezahlbar usw. Was tun? Wie kann Architektur helfen, diese Fragen zu lösen? Die Ausstellung Keine Angst vor Partizipation! – Wohnen heute (17. März bis 12. Juni) in der Pinakothek der Moderne stellt zwölf aktuelle Bauinitiativen vor, die als Reaktion auf den geldgesteuerten Wohnungsmarkt neue Wege gehen und verstärkt auf Partizipation setzen. Zum Beispiel die Quartiersentwürfe für das Hunziker Areal in Zürich oder WagnisART auf dem Domagkgelände in München – also in mittelbarer Nachbarschaft. Alle Wohnprojekte verfolgen integrative, generationsübergreifende und nachbarschaftliche Ansätze – was sich durch offene und flexible Strukturen und neue Grundrisslösungen bemerkbar macht. Also nicht mehr Wand an Wand, sondern miteinander. Es geht darum, die verschiedenen Bedürfnisse der Bewohner auszutarieren und herauszufinden, inwiefern Architektur und Politik ihren Beitrag leisten können – und müssen.
Wer, was und wie man gerne wäre, kann man nicht allein entscheiden. Familie, Freunde, Feinde, die Gesellschaft, das politische System ... Es sind viele Faktoren, die da zusammen kommen. Jonas Opperskalski (geb. 1988) lebt als Fotograf und Filmemacher in Tel AvivJaffa und beschäftigt sich seit 2011 mit der Identitätssuche junger Menschen in Israel, Palästina und den Ländern am Mittelmeer. Die Kabinettausstellung Jonas Opperskalski – Goodbye Mr. President (18. März bis 22. Mai) im Münchner Stadtmuseum zeigt ausgewählte Arbeiten des geborenen Bayern in drei Kapiteln: „The 12 Million“ist eine visuelle Recherche zur Vielfalt in der israelischen und palästinensischen Gesellschaft, „Goodbye Mr. President“ist eine Sammlung von mehr oder weniger alltäglichen Szenen aus dem Nahen Osten und „sorry, welcome“dokumentiert die endlose Asylsuche einer RomaFamilie aus Mazedonien. Wie sehr begründet die Herkunft, das Land aus dem man kommt, die eigene Identität? Ist ein gutes Thema. Immer, aber auch gerade jetzt.
Jetzt, wo sich der Winter noch einmal aufbäumt, der eisige Wind um die Ecken und direkt ins Gehirn hinein pfeift und jeder still vergnügt vor sich hin hustet und röchelt, kommt das Literaturhaus mit Thomas Mann um die Ecke: Tod und Amüsement. Thomas Mann: „Der Zauberberg“(16. März bis 26. Juni). Das berühmteste Hustenbuch der Literaturgeschichte. 1924 ist der Bildungsroman erschienen, fünf Jahre später bekam Thomas Mann den Literaturnobelpreis, „vornehmlich für seinen großen Roman Buddenbrooks“, so die Jury. Obwohl es der Zauberberg eher verdient gehabt hätte, aber das ist wohl Geraunze auf hohem Niveau. Nach Robert Musil und Lion Feuchtwanger nun also Thomas Mann, das hat System. Alle drei Autoren haben die Erfahrungen des ersten Weltkriegs literarisch verarbeitet. Mann begann mit der Arbeit am „Zauberberg“1912, ab 1915 pausierte er, zwischen 1919 und 1924 brachte er den über tausend Seiten dicken Wälzer zu einem Ende. Die werkbiografische Ausstellung nähert sich dem vielschichtigen Werk über inszenierte Räume, die dem Roman entstammen. Davos, Sanatorien, Patientenzimmer, Salon, Operationssaal und Hochgebirge erzählen von den Quellen, von der Welt der Kranken in Davos, die Mann persönlich aus nächster Nähe kannte. „Der Zauberberg“spielt in einem Lungensanatorium, in dem Thomas Mann 1912 seine Frau Katia besuchte. Original-Exponate, wie der Taschenspucknapf „Blauer Heinrich“, in dem die Patienten ihren Auswurf jederzeit und überall zu Untersuchungszwecken sammelten oder die „Davoser Liege“, auf der man eingewickelt in Decken die tägliche Liegekur an der frischen Luft absolvieren musste, sorgen für den nötigen morbiden Flair. Assoziative aktuelle Filme, gedreht am Originalschauplatz, komplettieren die weltentfremdete Atmosphäre.
Jetzt wird es intensiv: Das Haus der Kunst zeigt 160 Arbeiten von 100 Künstlern seit den 1980er Jahren. Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou (Vernissage am 24. März, 25. März bis 4. September, Katalog) heißt diese Riesenschau, die von Malerei über Skulptur, Installation, Video, Fotografie und Performance auch sämtliche Genres abdeckt. Noch nie wurde die Sammlung zeitgenössischer Kunst des Pariser Centre Pompidou außerhalb von Frankreich so üppig präsentiert. Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt der Ausstellung: An welchen Faktoren liegt es, dass die Kunstgeschichte so verläuft, wie sie verläuft? Und was bedeutet ein sich ständig veränderndes Verständnis von „zeitgenössischer Kunst“für sammelnde Museen? Interessante Fragen. Und eine immense Masse an Kunst. Da gibt’s nix: hingehen!