Ich werde jetzt zur Abwechslung auch mal was wohl noch sagen dürfen!
Wenn man sich in Deutschland ein bißchen umschaut, könnte man glatt Mitleid bekommen. Da leben ein paar dutzend Millionen Menschen, die brav ihre Arbeit tun, redlich ihr Brot brechen, die Kinder nähren und die Kehrwoche achten. Und dann kommt eine wildgewordene Bande von gutmenschlichen Weltverbessererlinken daher und möchte sie mundtot und zur Unperson machen, indem sie ihnen verbietet, ihr Grundrecht auf Meinungsausstoßung auszuüben und zu sagen, was Sache ist.
Z. B. daß der Ausländer nicht ins Inland hineingehört. Daß der Neger von Natur aus alles rammelt, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Daß der Araber aus jeder Handtasche alles herausreißt, was man nicht festkettet, und in jeden deutschen Weiler Minarette hineinstellen möchte, um mit Muezzingesängen die christliche Abendandacht zu stören. Daß der Jude mit Zinswucher und Bankenmacht das Abendland aussaugt und so mächtig ist, daß ihn nur noch ein neuer Hitler aufhalten kann. Daß nun mal die Menschenrassen nicht gleich schlau, tüchtig und tapfer sind, sondern je südlicher, desto fauleres und feigeres Kroppzeug. Und sowieso sämtliche Politiker ein korruptes Pack, das nur seine Diäten im Sinne hat. Und daß man all das auf keinen Fall sagen darf, weil sonst die linke PC-Gesinnungspolizei daherkommt. Schon gar nicht darf man es fischerchormäßig grölen auf täglichen Großaufmärschen, bei denen auch mal ein kleines Feuerchen das Mütchen wärmt, und in Millionenbestsellern und jeder Talkshow und überhaupt.
In der Tat: schlimm. Aber die Polemik mal beiseite: Unbestreitbar hat die öffentliche Meinung und insbesondere die öffentliche Meinung der Meinungsführer in den letzten 20 Jahren mit wachsender Dynamik und zunehmendem Schwung eine nationalvölkische, pseudokonservativ-reaktionäre, in der Mehrheit rassistische und in pionierischen Teilbereichen offen faschistische Richtung eingeschlagen, bei der man sich Woche für Woche wundert, daß rechts von der gerade noch für final gehaltenen Scham- und Wahngrenze offenbar immer noch Platz ist.
Diese üble Devolution scheint einer gewissen Logik zu folgen. Schließlich ist vor gut 50 Jahren eine studentisch-mittelschichtige Masse ebenfalls recht bewußtlos in die vermeintliche Gegenrichtung geströmt und fand sich am Ende in zersplitterten K-Gruppen wieder, im MaoAnzug mit belferndem Geschwätz auf den Lippen, bzw. in siffigen WG-Küchen die Versetzung des öffentlichen Trinkwassers mit LSD diskutierend und den nächsten Nepaltrip planend. Irgendwie zwangsläufig, daß das gesellschaftliche Weltanschauungspendel mal wieder in die Gegenrichtung ausschlägt, oder?
Der Unterschied ist, daß die sogenannten 68er in der millionenfachen Mordwirtschaft der Generation ihrer Eltern und Großeltern, in deren nach wie vor tobendem „Sollte man vergasen! Hätt’s beim Führer nicht gegeben!“-Furor des Verdrängens und Vertuschens und der Vehemenz, mit der sie gegen den harmlosen Karneval der Hippies vorging, plausible Gründe fanden, den Laden auf den Kopf zu stellen und gründlich auszumisten. Von vergleichbaren Greueltaten der Gammler, Haschrebellen, Esoschwärmer und Möchtegern-Rotgardisten ist hingegen nichts bekannt – es sei denn, man wollte der Kommune 1 die Verantwortung für Pol Pot und die chinesische Kulturrevolution anlasten. Aber so weit würde wohl nicht mal Akif Pirinçci gehen.
So oder so: dürfen die Rechtslautsprecher ohne Zweifel in meinungsbefreiten Zeiten sagen, was sie zu sagen haben. Einen Furz soll man nicht unterdrücken, sonst wird aus der Blähung eine Kolik. Man könnte allerdings einwenden, daß wir den Quatsch mittlerweile zur Genüge vernommen haben, daß die einschlägigen Bestseller die Müllhalden füllen und es noch andere Dinge gäbe, die man auch sagen könnte und die aber niemand sagt. Dann sage ich jetzt mal ein paar davon.
So wird man etwa ja wohl noch sagen dürfen, daß die Armen nichts dafür können, daß sie arm sind, die Reichen hingegen schon. Man wird wohl noch sagen dürfen, daß die Armen auch nichts dagegen können. Oder fast nichts, was nicht verboten ist. Man wird wohl noch darauf hinweisen dürfen, daß es im Gegensatz zu Hunderassen keine Menschenrassen gibt. Daß „Flüchtling“im Gegensatz zu Bäcker, Spekulant, Taschendieb, Künstler, Schreiner, Taxifahrer, Bettler, Schwimmlehrer, Gärtner und Zahnarzt keine Berufs- und im Gegensatz zu Münchner, Waliser, Tiroler, Texaner, Athener oder Chinese auch keine Herkunftsbezeichnung ist.
Man wird wohl noch erwähnen dürfen, daß ein rassistischer Berliner Buchautor ebenso schnell zum Flüchtling werden kann wie ein pazifistischer syrischer Buchhändler. Man wird wohl noch sagen dürfen, daß der eine nur das haben kann, was der andere nicht hat. Daß dadurch, daß aus viel immer mehr und aus wenig immer weniger wird, Reichtum und Armut entstehen und daß weder Reichtum noch Armut per se glücklich macht. Man wird außerdem wohl noch sagen dürfen, daß es ohne Reichtum keine Armut gibt, ohne Armut keinen Reichtum und ohne beides eine schöne Welt voll glücklicher Menschen.
Und man wird ja wohl noch sagen dürfen, daß all das, was die tobenden Horden der besorgten Deutschen bejammern und worauf sich ihr Haß und ihre Gewalt richten, ziemlich konkrete Gründe hat, von denen sie selbst, ihr Lebensstil, ihr Mitmachen beim verbrecherischen Treiben des kapitalistischen Prozesses aus reiner Gier, Bequemlichkeit und purem Opportunismus bei weitem nicht der unwichtigste sind.