Leichter Krisenmodus
Tragi-Komödien, Sci-Fi, Action, Doks
Loslassen. Grafikdesigner Michel (Bruno Podalydès) schwärmt fürs Fliegen in tollkühnen Kisten, bis er das Kajakfahren als neue Leidenschaft entdeckt. Seine verständnisvolle Frau Rachelle (Sandrine Kiberlain) schickt ihn mit seinem Paddel-Boot auf einen einsamen Fluss in Burgund. Dort strandet er bald in einem idyllischen Ausflugslokal mit noch viel idyllischerer Wirtin (Agnès Jaoui) und zwei heiteren Lebenskünstlern, kann sich nicht losreißen, schickt seiner Gattin gefakte Touren-Fotos (mit immer gleicher GPS-Kennung ...). Nur Fliegen ist schöner ist eine charmant beschwingte französische Sommerkomödie über die eleganteste Art, der Midlife-Crisis zu begegnen, mit kleinen Verrücktheiten, etwas Slapstick, Landleben-Romantik, geschliffenen Dialogen und den Chansons von Georges Moustaki – von Bruno Podalydès selbst inszeniert. (Ab 19.5.)
Exoten. In einem Wanderzirkus zu Zeiten der Belle Epoque entdeckt der Weißclown Footit im der Sklaverei entflohenen „schwarzen Wilden“Raphaël einen ebenbürtigen Partner für seine Slapsticknummern. Als Chocolat und Footit werden die beiden zu einer höchst erfolgreichen Zirkusattraktion. Dem grundguten und sehr verletzlichen Chocolat (grandios: Omar Sy aus „Ziemlich beste Freunde“) steigt der Erfolg zu Kopf: Er genießt den Reichtum, verfällt dem Spiel und dem Alkohol. Footit (James Thierée) dagegen arbeitet verbissen an der Optimierung ihrer Nummern. Gegen den Rassismus der Epoche aber vermögen sie beide nichts auszurichten. Monsieur Chocolat, Regie Roschdy Zem, ist eine klassisch erzählte Tragikomödie, perfektes Ausstattungskino, eine engagierte, anti-rassistische Hommage an den ersten schwarzen Künstler auf französischen Bühnen, beruht auf einer wahren Geschichte. (Ab 19.5.)
Ruhrpott, 1960er. Hier wächst der 12-jährige Julian (Oscar Brose) auf, kümmert sich um seine Schwester Sophie, schmiert Vatern (Charlie Hübner) seine Brote, wenn der auf Schicht muss, ist ein aufmerksamer Beobachter der Erwachsenenwelt. Als seine Mutter (Lina Beckmann) einen Nervenzusammenbruch erleidet, fährt sie im Sommer mit Sophie an die See. Julian entdeckt die erotische Ausstrahlung der Nachbarstochter Marusha, muss sich selbst den Nachstellungen eines pädophilen Kumpels (Peter Lohmeyer) erwehren. An einem heißen Sommertag entlädt sich die erotische Spannung – und nichts ist mehr so, wie es war. Junges Licht ist eine faszinierende Milieustudie, ein ungewöhnlicher Heimatfilm von Adolf Winkelmann („Die Abfahrer“, „Jede Menge Kohle“) nach dem gleichnamigen Roman von Ralf Rothmann. (Ab 12.5.)
Wunderknabe. Der 25-jährige Srinavasa Ramanujan (Dev Patel) arbeitet im kolonialen Indien des Jahres 1913 als Büroangestellter, begeistert sich für Mathematik und korrespondiert mit dem berühmten Mathe-Prof G. H. Hardy (Jeremy Irons) im britischen Cambridge. Der erkennt das Talent des jungen Mannes und setzt es gegen alle rassistischen Widerstände, gegen akademischen Dünkel und koloniales Gehabe durch, dass Ramanujan bei ihm studieren kann und sich zum brillanten Theoretiker entwickelt. Die Poesie des Unendlichen von Matthew Brown ist ein warmherziges Biopic über eine wachsende Lehrer-SchülerFreundschaft, über indische Courage und britische Noblesse an einem legendären Hort des Wissens. (Ab 12.5.)
Auszeit. Der arme Hans-Christian, HC (Alexander Hörbe) ist ein gehörnter Ehemann. Vergeht vor Selbstmitleid und findet Trost bei seinen Ur-Alt-Kumpeln Nic (Mehdi Nebbou) und Wolfgang (Simon Licht). Sie starten zu einem Urlaubstrip ins winterliche Irland, um es in Wolfgangs Ferien-Cottage mal wieder richtig krachen zu lassen. Klingt gut. Softie, Macho, Besserwisser ... treu vereint. In Irland aber gibt es selbstbewusste Frauen, die deutsche Männer auf die Probe stellen. Happy Hour ist eine Tragikomödie von Franz Müller über Männer in der Midlife-Crisis. Die FBW urteilt: „Prädikat besonders wertvoll“. (Ab 12.5.)
Überfordert. Ist Karo (Claudia Eisinger), unausgeglichen, reizbar ... sie verliert ihren Job bei einer Event-Agentur, dann ihren Freund (Christoph Letkowski). Mutter (Katja Riemann) und beste Freundin Anna (Laura Tonke) schicken die überdrehte Karo in die Therapie zu einer bekannten Psychoanalytikerin (Maren Kroymann). Um dort überhaupt einen Termin zu bekommen, muss Karo ihre ohnehin schon vorhandenen Neurosen noch ein bissl aufpeppen ... Mängelexemplar, das Spielfilmdebüt von Laura Lackmann, ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellerromans von TV-Moderatorin Sarah Kuttner. Depression light, eine Dramödie mit Berliner Schnauze und allerlei Ironien. (Ab 12.5.)
In Kreuzberg sind die Nächte lang. Viel Zeit für DJ, Martini, Frankie, Marco und Tine, bei ihren Touren durch die Szene über Beziehungen, Liebesleben und Geschlechteridentitäten zu sinnieren. Wie kommt man am besten an und ran, wie definiert man Traumfrau oder –mann, wie findet man das Glück des Lebens, der ganze Wahnsinn, der ganze Taumel, in Henrik Regels Wie Männer über Frauen reden ist er verpackt in eine klassisch Berlinerische Beziehungskomödie, mit u.a. Oliver Korritke, Barnaby Metschurat und Frederick Lau. (Ab 12.05., Regiegespräch im Cineplexx Neufahrn am Fr. 13.5.)
Gottes Sohn. Der junge Jesus (ganz lieb: Adam Greaves-Neal) lebt mit seinen Zieh-Eltern Maria und Joseph (Vincent Walsh und Sara Lazzaro) im ägyptischen Alexandria im Exil. Nach dem Tod des alten Herodes kehrt die Familie nach Nazareth zurück, wo Jesus allmählich von seiner Bestimmung erfährt und ihm der römische Zenturio Severus (Sean Bean), immer auf der Jagd nach dem „König der Juden“, nach dem Leben trachtet. Der junge Messias ist die Verfilmung des Romans „Jesus Christus. Rückkehr ins Heilige Land“von Anne Rice (eher berühmt durch ihre „Vampire Chronicles“), die ihrer Fantasie freien Lauf lässt und die alten Geschichten aus der Bibel als sehr amerikanisch-katholisches Coming-of-Age interpretiert. (Ab 12.5.)
8 ½ Millionen Pfund Schadenersatz stehen Tom (Tom Sturridge) zur Verfügung, der bei einem schweren Unfall sein Gedächtnis verloren hat – und Stillschweigen über die Umstände wahren soll. Schier unbegrenzte Mittel, um anhand der wenigen Fragmente, die ihm in Erinnerung geblieben sind, die eigene Vergangenheit zu rekonstruieren. Tom findet das Gebäude aus seiner Erinnerung: Schauspieler stellen die immer gleichen Szenen nach. Immer obsessiver schafft sich er eine Welt, die die seine gewesen sein könnte. Komplex, und immer gefährlicher. Remainder ist ein faszinierender, surrealer, bizarr-