Vergangen ist noch lange nicht vorbei
Neu! München hat ein „Museum der Liebesobjekte“
Dass die Liebe ein seltsames Spiel ist, das weiß jeder, der schon mal gegen eine winterliche Hauswand gelehnt die halbe Nacht durchgeknutscht hat. Man kennt das, wenn das Herz wie ein wildgewordenes Pony durchs Gemüt galoppiert und kein Lasso der Welt es einfangen kann. Irgendwann hat es sich dann müde gelaufen, wird langsamer, verfällt in Trab, schnaubt, zockelt, bleibt stehen. Love over. Was noch viel seltsamer ist als die Liebe selbst: die Liebe, die es nicht mehr gibt. Erstens: Wo ist sie hin? Kann man sie, wie Kästner einst dichtete, tatsächlich verlegen wie einen Hut? Ist es normal, dass sie kommt und geht, sich auflöst, verändert? Oder hat man dann etwas falsch gemacht? Kann man überhaupt etwas falsch machen? Oder passte es dann einfach nicht? Ist die Liebe eine Krankheit und ab und an erwischt es einen halt? Und welche Rolle spielen welche Hormone? Das sind so Dinge, über die man anfängt nachzudenken, wenn die Liebe vorbei ist. Sobald die Augen abschwellen und man langsam wieder in der Lage ist ein, Gedanken zu haben, die sich weder mit Blutrache noch mit Selbstmord befassen. In dieser Phase fängt man dann auch an, alles wegzuräumen, was einen an diese Liebe erinnert: Briefe, Klamotten, Zahnbürsten, was halt so übrig ist. Manches schmeißt man weg, vieles hebt man auf. Weil man Teile seines Lebens nicht so einfach wegwirft. Und irgendwann stapeln sich die Kisten. Größere, kleinere, wichtige, unwichtige. Luise Loué, die eigentlich Silke Gropengießer heißt, hat mitten in Haidhausen einen Ort für die vergangenen Liebe geschaffen, das „Museum der Liebesobjekte“. Draußen hängt in Großbuchstaben eine rote Girlande, die ruft: „Vergesst die Liebe nicht“. „Jaja“, murmelt man ein bisschen genervt in sich hinein, bevor man die Tür aufmacht. Man soll ja so viel heutzutage. Effektiv sein, ständig erreichbar, gut aussehend, glutenfrei und jetzt auch noch an die Liebe denken. Aber Vorsicht: Wenn man aus dem Ein-Zimmer-Museum heraustritt, schaut man noch mal kurz nach oben und freut sich. Und das „Jaja“, das man jetzt in sich hinein murmelt, klingt schon deutlich anders. Warum? Was ist passiert da drinnen und mit einem? Zum einen liegt es an Luise. Das, was die Kuratorin und Initiatorin umtreibt, ist ansteckend. Es ist so eine Mischung aus Schalk und Charme und Energie. Zum anderen liegt es an den Exponaten. Denn die sind hochsubjektiv und maximal persönlich – also genau das, was man gerne sieht und liest. Alte Liebesbriefe, ein in mühseliger Kleinstarbeit abgetippter SMS-Verkehr, kleine Figürchen, Gebasteltes, Tagebücher … Man stöbert quasi auf dem Dachboden der Anderen. Kann sehen und lesen, wie groß, fies, klein oder durchschnittlich deren Lieben waren. Erinnert sich an die eigenen. Lacht laut. Wird traurig. Blinzelt ein, zwei Tränchen weg. Staunt über die Energie, die diese Liebe freisetzt. Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Vergangenheit umzugehen. Luise Loué hat sie gesammelt. In Kisten auf dem Dachboden, erst nur die eigenen Reliquien, dann auch die der Anderen. Per Zeitungsannonce hat sie nach Liebesdingen gesucht. Viele Menschen haben sich gemeldet (kann man auch weiterhin), Teile ihrer Vergangenheit übergeben, und Luise hat die Geschichte dazu aufgeschrieben. Jede einzelne. Zunächst bis Ende Oktober präsentiert sie eine Auswahl. Ziemlich erstaunlich wie viele Geschichten in so ein kleines Museum passen. Das Museum online: liebesobjekte.de Nächste Führungen: Samstags 14. und 21. Mai, jeweils 16 Uhr