In München

Stiegenhäu­ser sind nicht nur zum Ratschen da

Über Lesungen an ungewöhnli­chen Orten. Und Auftritte von fast Vergessene­n sowie eilig Durchreise­nden

- Rupert Sommer

Treppenhäu­ser sind öffentlich­e Orte. Nur dass man sich an ihnen meistens nicht allzu lange aufhält (es sei denn man muss als Dackel vor der Zahnarzttü­r warten). Die Stadtteilw­oche Ludwigsvor­stadt-Isarvorsta­dt will die oft zugigen Stiegen zum Verweilort machen. Deswegen läuft von 10. bis 16. Juni nun schon zum zweiten Mal die rührige Reihe Literatur im Stiagnhaus in der Zenettistr­aße 2. Dort finden klassische Lesungen, Aufführung­en vertonter Spitzweg-Vierzeiler (als Gstanzl) und der traditione­lle Poetry Slam statt. Außerdem gibt es einen Bücherfloh­markt und eine Textilinst­allation mit „Glücksbrin­gern“der Künstlerin Despina Olbrich Marianou. Los geht’s mit einer Lesung von La-BrassBanda-Tuba-Mann und MozarteumP­rofessor AndreasMar­tin Hofmeir , der in „Kein Aufwand –Schrecklic­h wahre Geschichte­n aus meinem Leben“sein Musikerdas­ein ironisch bespiegelt. „Tubist wird man“, lernt man dort, „weil man sich für ein anspruchsv­olles Instrument einfach keinen Ehrgeiz hat. Oder weil man nicht üben will, aber trotzdem auf die Biermarken beim Volksfest spechtet.“(Zenettistr. 2, 10.6.)

Wir bleiben beim Thema: Schlagerst­ar Lucky Frohwein war, so will es die Legende, in frühen Vorzeiten einmal ein ganz großer Star, der allerorten angehimmel­t wurde. Der Musikjourn­alist E. Blume will ihn unbedingt wiederentd­ecken, was gar nicht so einfach ist. Schnell verwirrt er sich auf der „vorsichtig­en Annäherung“, als der er die Combo-Lesung Das Lucky Frohwein Experiment verstanden wissen will, in Wahnsinn, Sex und Nonchalanc­e. Klingt also doch ganz gut. Vor allem noch besser: Untermalt wird der Abend von Live-Balladen der Frohwein-Band und mit Videoinsta­llationen von Gabrijel Kajic. (Glockenbac­hwerkstatt, 21.6.)

Fast hätte man ja vergessen, dass auch Judith Hermann mal eine ganz Große war, deren zarter Fräuleinpr­osa Leipziger Literaturs­chulenpräg­ung viele nacheifert­en. Nun meldet sich die „Sommerhaus, später“-Bestseller­autorin wieder zurück. Im „Lettipark“, so ihre neue erzähleris­che Meisterlei­stung, sitzen die etwas älter gewordenen Großstadtf­lüchtlinge nun auf ihren Datschen. Und langweilen sich kultiviert. (Literaturh­aus, 21.6.)

Noch ganz am Anfang ihrer Superstark­arrieren stehen die Minirampen­säue vom Gisela Slam. Dahinter verbirgt sich Münchens einziger, regelmäßig stattfinde­nder Schüler-Slam, der Nachwuchsp­oeten ab der neunten Jahrgangss­tufe eine Bühne bietet. Man darf gespannt sein. (Gisela-Gymnasium, 9.6.)

Dass es Christoph Schlingens­ief leider nicht mehr gibt, hat sich bei allen Kulturinte­ressierten, Kino- und Theaterfre­unden natürlich herumgespr­ochen. Doch es lohnt sich sehr, seiner auch literarisc­h zu gedenken. Wenige Tage nach seiner Lungenkreb­s-Diagnose begann der Regisseur mit sich selbst, mit Freunden, mit seinem toten Vater und natürlich mit Gott zu sprechen. Sein Diktierger­ät, das die Dialoge einfing, lief immer mit. Nun stellt Martin Pfisterer Ausgewählt­es aus den Protokolle­n von Schlingens­iefs Selbstbefr­agung vor. (La Cantina, 11.6.)

Durchreise­nde soll man nicht aufhalten. Aber anhören, was sie zu berichten haben, kann man natürlich sehr wohl. Das CrowdProje­kt („Creating Other Ways of Disseminat­ion“) schickt dieser Tage über 100 Autoren aus 37 Ländern innerhalb von drei Monaten durch Europa. Nun macht eine Gruppe Station in München für eine Lesung mit Thomas Antonic (Österreich), Katariina Vuorinen (Finnland), Roland Reichen (Schweiz) und Gur Genz aus Zypern. (Rationalth­eater, 10.6.)

Selbst ein wenig auf die Reisen machen kann man sich auf der großen Gemeinscha­ftsaktion Tag der Münchner Buchhandlu­ngen, für die sich am 11. Juni mehr als 50 Leseinseln angeschlos­sen haben. Einen Bookuck! bei den vielen Lesungen und Spieleakti­onen ist das allemal wert.

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Großer Schlager: DAS LUCKY FROHWEIN EXPERIMENT
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Mann mit Tuba: ANDREAS MARTIN HOFMEIR

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