In München

Erleuchtun­g inside

- Jonny Rieder

In der Tibet-Folge von Tim und Struppi gibt es eine köstliche Szene, in der ein buddhistis­cher Mönch namens „Gesegneter Blitz vom Boden abhebt und einen halben Meter über dem Boden schwebt. Dabei hat er eine Vision, er glaskugelt quasi in seinem Kopf, was sich gerade einige Kilometer entfernt ereignet. Am Ende seiner kurzen Vision landet er wieder auf dem Boden und tritt dabei einem der umstehende­n MönchKolle­gen auf den Fuß. „Auutsch! Tim in Tibet ist eine Ost-West-Begegnung der charmantes­ten Sorte. Und zugleich eine gefühlte europäisch interpreti­erte buddhistis­che Parabel. Seinen verscholle­nen chinesisch­en Freund Tschang kann Tim erst retten, nachdem er selbst gerettet wurde – von tibetische­n Mönchen. Dazwischen immer wieder Comic relief, Humor als Zoom-Out. Auch Siddhartha, der Suchende, der erst findet, als er das Suchen einstellt, lacht im Augenblick der Erkenntnis, lacht über sich und „diese seltsame, törichte Welt. Was soll man auch sonst machen, wenn man alles verloren hat? Im Falle Siddhartha­s das weltliche Ich und das asketische Ich. „Das Lachen ist der Klang der Freiheit, schreibt Sheldon B. Kopp in seinem Buddha-Buch über Hesses Siddhartha. Nachvollzi­ehbar, dass Hermann Hesse sich durchweg schwergeta­n hat mit dieser Einsicht. Von Haus aus kein Komiker schrieb er Siddhartha inmitten einer kapitalen Midlife-Crisis, die im anschließe­nden Feature (CD 5) von Heinz Sommer beleuchtet wird. Dafür ist das Buch wiederum erstaunlic­h leicht geraten, auch in dieser sehr sehr schönen Hörspielve­rsion, die zwar einen wachen offenen Geist verlangt, den Hörer dafür belohnt mit edelsten Karma-Zutaten. Man braucht sich nur ins Grüne zu setzen und die Augen zu schließen, dann fließt dieses Hörspiel vorbei wie ein bauchatmen­der Fluss, begleitet von vogelzwits­chrig erhebenden Klängen. Und lässt man das Om-Gesums beiseite, landet Hesse – bei all den zusätzlich­en Newton, die ihn auf die Erde zu drücken scheinen – am Ende erstaunlic­h sanft mit Siddhartha­s Ansage, dass Weisheit nicht mittelbar sei, dass stets jeder selbst erfahren müsse. Hermann Hesse:

Siddhartha. Hörspiel von Leonhard Koppelmann mit ca. 20 Sprechern; plus Feature über die Entstehung von Siddhartha; HR 2016, 5 CDs, ca. 5,5 Std., www.hoerverlag.de

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