AUSSTELLUNGEN
Das Museum Brandhorst sortiert sich neu, Kuba kommt nach München und Objekte werden zu Bildern
Bei uns und woanders
Schiff Ahoy ruft das gut gelaunt in den Sommer hinein und lädt uns ein zu einer Tour in die Kunst der 1960er- und frühen 1970erJahre. Pop Art war das Thema der letzten großen Ausstellungen, jetzt geht es um Minimal Art, Postminimal, Arte Povera und Konzeptkunst, präsentiert werden 150 Werke aus der Sammlung (9. Juni bis 23. April 2017). Und so ziemlich alle Großen sind dabei: Carl Andre, Joseph Beuys, James Lee Byars, Andre Cadere, Mario Merz, Ed Ruscha, Niele Toroni, Richard Tuttle oder Lawrence Weiner. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie damals anfingen, mit neuen Materialien, Fertigungsmethoden und Arbeitsfeldern zu experimentieren. Sie stellten den statischen und abgeschlossenen Werkcharakter infrage, interessierten sich für den Kunstbetrachter und testeten alternative künstlerische Formate und Distributionswege. Heute kennt man das, damals war es neu.
Was die zeitgenössische Kunst außerdem mit ihren unmittelbaren Vorläufern verbindet, ist ein Interesse an der Aktualisierung historischer Zusammenhänge. Darauf bezieht sich auch der Titel der Ausstellung, also vielmehr auf die Arbeit „Schiff Ahoy – Tied to Apron Strings“(1989) von Lawrence Weiner. Die 13-teilige Collage basiert auf dem heroisch-patriotischen Erfahrungsbericht eines Seemanns. Kommodore Ahrens überführte kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Schnelldampfer „Bremen“des Norddeutschen Lloyd aus den USA in die nationalsozialistische Heimat. Weiner hat einzelne Buchseiten aus „Die Siegesfahrt der Bremen“(1940) bearbeitet. 1989 fing er damit an, also in dem Moment, als die NachkriegsWeltordnung von „Ost“und „West“ins Wanken geriet. Und das hat ja nun wirklich eine Menge mit unserer aktuellen Weltordnung oder -unordnung zu tun.
Auch in der geht es sommerlich und politisch zu. Und man ist erster. Also das erste Museum im deutschsprachigen Raum – wie es heißt – das dem kubanischen Künstler Carlos Garaicoa eine Einzelausstellung ausrichtet. Also alles okay, wenn Sie den Namen noch nie gehört haben. In seiner Heimat ist der 1967 in Havanna geborene ein wichtiger Künstler, aber hier, eine halbe Erdkugel entfernt, lernt man ihn erst so richtig kennen. Dabei ist er ein international angesehener Künstler, dessen Werk die Globalisierung kubanischer Kunst versinnbildlicht. Die Ausstellung Carlos Garaicoa. Unvollendete Ordnung (9. Juni bis 4. September, Katalog) zeigt ausgewählte Arbeiten der letzten Jahrzehnte, die sich mit Wirtschaft und Architektur im Sinne von Macht, Kontrolle und Utopie auseinandersetzen. Seit Anfang der 1990er-Jahre beschäftigt sich Garaicoa mit dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Wandel. Er beobachtet die Veränderungen des urbanen Lebensraums und interpretiert sie als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Für ihn äußert sich das Scheitern politischer Ideale am sichtbarsten in der Architektur. In seinen Fotoserien und Installationen setzt er sich mit diesem Scheitern auseinander. „Orden Inconcluso“(Unvollendete Ordnung) ist ein Projekt, das sich mit zwei Lebensräumen befasst, die der Künstler aus eigener Erfahrung kennt: Kuba und Spanien. Garaicoas Heimatland ist gezeichnet von den Widersprüchen zwischen gesellschaftlichen Realitäten und utopischen Hoffnungen. In Madrid dagegen zeigt sich das Scheitern der Utopie aus der entgegengesetzten Perspektive, nämlich in einer spätkapitalistischen Gesellschaft, in der das Prinzip der Sozialfürsorge vorherrscht. Erfahrungen einer Welt im Aufbruch werden Reflexionen aus einer desillusionierten europäischen Sicht gegenüber gestellt.
Das stellt einen Künstler vor, der sich mit dem Wechselverhältnis von Fotografie und Skulptur beschäftigt. Samuel Henne – „musée imaginaire“heißt die Kabinettausstellung und zeigt eine aktuelle Werkserie des 1982 in Göttingen geborenen. Henne arrangiert seine Motive im Studio und schafft mit Setting, Lichtund Farbregie eine eigenständige Bildwelt. Meist verwendet er alltägliche Gegenstände, die er zu Objektkompositionen zusammenfügt und über die Inszenierung als Teil der Gesamtkomposition ins Bild einschleust. So wird ein Buch mit fotografischen Abbildungen skulpturaler Werke selbst zur Skulptur, indem er die Seiten zum Falz hin einschlägt. Er schafft dreidimensionale Skulpturen, die er durch das Fotografieren ins zweidimensionale übersetzt. Einmal Skulptur und zurück. Quasi.
Und jetzt zu einem Künstler, der zu malen begonnen hat, um einen Umgang mit dem Schrecken zu finden. Max Mannheimer, Holocaust-Überlebender, Menschenfreund und mittlerweile 96 Jahre alt, zeigt einen Teil seiner Arbeiten in der B.O.A. Galerie (Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, um Voranmeldung per Mail wird gebeten: pdefilla@boavideo.de). ben jakov –Max Mannheimer heißt die Ausstellung, aber der Titel des Katalogs (erscheint bei Hirmer) trifft es eigentlich besser: Die Vermählung der Farben. Mit großer Experimentierfreude und intensiven Farben hat Mannheimer seit 1955 ein Werk von weit über tausend Arbeiten geschaffen. Signiert hat er seine abstrakten Gemälde und Zeichnungen in Erinnerung an seinen im Konzentrationslager ermordeten Vater mit „ben jakov“(Sohn des Jakob). Die Ausstellung und der Katalog geben erstmals Einblick in ein sehr persönliches Werk, das ganz im Stillen entstand.