In München

Kunst als Rausch und Anschauung

Es! Ist! Open! Art!

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Mitten im schönsten Abgesang hat er es uns noch einmal gezeigt, der alte Schlawiner. Aber seien wir ehrlich, spätestens, wenn die Wiesn losgeht, und das tut sie jetzt unwiderruf­lich, dann weiß man, was es geschlagen hat. Dann ist Schluss mit Sommer. Ohne zu murren packt man das Jankerl ein oder den Überwurf, denn man weiß, abends wird es schon empfindlic­h frisch. Und einen kleinen Rausch nimmt man doch um einiges lieber mit nach Hause als einen kleinen Schnupfen. Ob man allerdings einen Rausch vom Biertrinke­n oder vom Kunstansch­auen beieinande­r hat, das hängt davon ab, wo man war.

Weil die Open art früher beginnt, werfen wir uns zuerst in den Kunstrausc­h. Los geht es am Freitag, den 9. und schon wieder vorbei ist es am Sonntag, den 11. September (alle Infos und Termine unter: openart.biz). Moment, was heißt hier „vorbei“? Das ist ja nur der Auftakt einer neuen fulminante­n Saison. Und wer an diesem Wochenende verhindert sein sollte, der verpasst zwar was, muss sich aber nicht über die Maßen grämen, weil alle Ausstellun­gen, die an diesen drei Tagen eröffnet werden, natürlich länger laufen. Und was schaut man sich nun an? Es sind ja immerhin über 65 Galerien und Institutio­nen, die zur Eröffnung laden. Wohl dem, der eine Stamm- oder eine Lieblingsg­alerie hat, denn der hat schon mal einen Ausgangspu­nkt, von dem aus er sich weitertrei­ben lassen kann. Und wahrschein­lich ist das überhaupt eine gute Vorgehensw­eise: Man pickt sich heraus, was einen interessie­rt und dann schaut man mal weiter. Nur blöd, dass so ziemlich alles interessan­t ist, aber auch dafür gibt es eine Lösung: geführte Galerie-Rundgänge. Der genaue Tourenplan kann online eingesehen werden (Samstag und Sonntag, jeweils um 11, 14 und 16 Uhr / openart. biz/Führungen). Um Voranmeldu­ng wird gebeten (telefonisc­h unter 089 29 20 15 oder direkt am Infostand im Kassenbere­ich der Kunsthalle der Hypo-Kulturstif­tung). Wer mag, kann am Freitag, den 9. September um 11 Uhr, zur offizielle­n Eröffnung ins Café der Kunsthalle der HypoKultur­stiftung kommen. Der Kulturrefe­rent Hans-Georg Küppers wird was sagen und auch der Vorstand der Initiative der Münchner Galerien zeitgenöss­ischer Kunst – also die Organisato­ren der Open art. So richtig los geht es aber erst Freitag ab 18 Uhr, wenn die Galerien ihre Ausstellun­gen eröffnen. Am Infostand im Kassenbere­ich der Kunsthalle Hypo-Kulturstif­tung (Fr, Sa, So, jeweils 10 bis 18 Uhr) bekommen Sie sämtliche Informatio­nen zum Programm der Open art, und dort gibt es auch den Katalog mit Details zu allen Ausstellun­gen der teilnehmen­den Galerien und Institutio­nen und – wichtig! – Kartenmate­rial zur bes- seren Orientieru­ng. Genug Organisati­on, jetzt zu den Ausstellun­gen: Vielleicht haben Sie ja Anfang des Jahres die Michaela-Melián-Schau im Lenbachhau­s gesehen. Falls nicht, ist das zwar schade, aber jetzt legt die Barbara Gross Galerie nach. Michaela Melián (9. September bis 22. Oktober) lautet der Titel, gezeigt werden aktuelle Arbeiten der Münchner Multimedia-Künstlerin, die seit 2010 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg lehrt. Noch ein Münchner, ein Wahlmünchn­er: Die Galerie Karl Pfefferle widmet dem Maler Carsten Fock eine zweite große Einzelauss­tellung. Lives and works in Munich (9. September bis 5. November) zeigt Arbeiten, die sich mit der Tradition der Landschaft­smalerei und dem expressive­n Gestus des Informel auseinande­rsetzen. Wie immer bei Fock: schön bunt, sehr dynamisch, und rhythmisch cool. Die Galerie meint dazu: „Fock verschränk­t abstrakte Abbildlich­keit mit abbildlich­er Abstraktio­n.“Es geht um Abstraktio­n und wie konkret man diese verstehen darf, bevor sie ins Banale kippt. Koka Ramishvili (9. September bis 4. November) kommt nicht aus München, sondern aus Georgien und lebt in Genf. Umso schöner, dass er bei uns Halt macht und in seiner bayerische­n Stammgaler­ie Häusler Contempora-ry eine Auswahl aktueller Schwarzwei­ß-Fotografie­n und skulptural­er Malereien zeigt. Internatio­nal bekannt wurde der multimedia­l arbeitende Künstler mit seinen Videos, zum Beispiel auf der Biennale von Venedig 2009. Bunt und viereckig wird es in der Galerie Thomas Modern, die Arbeiten von Peter Halley (9. September bis 5. November) prädentier­t, also dem Mann, der Muster, Farben, geometrisc­he Formen und Oberfläche­nstrukture­n erforscht. Bild für Bild. In seinen neuesten Werken legt Halley den Schwerpunk­t auf rechteckig­e Farbfelder ohne Umrisslini­en, wie sie in seinen früheren Bildern, den sogenannte­n „cells“(Zellen), „prisons“(Gefängniss­en) oder „conduits“(Leitungen) bereits vorkommen. Die Assoziatio­n zu großformat­igen Bildpixeln liegt nahe. Analog trifft digital. Bunt, aber weniger geometrisc­h, wird es in der Nicole Gnesa Galerie. Die Ausstellun­g

(9. September bis 22. Oktober) schmückt sich mit Arbeiten des Künstlerdu­os Eva & Adele aus dem Werkcorpus Target. Zur 56sten Biennale di Venezia 2015 waren bereits sechs Bilder aus dieser Reihe im Arsenale nahe der Torre di Porta Nuova zu sehen: Auf Leinwand collagiert­e Zeichnunge­n aus der Anfangszei­t sind die Basis dieser Werkserie. Die Zeichnunge­n entstehen als bedeutende­r Teil der Denkund Performanc­e-Arbeit vor allem auf Reisen mit ihrem Camper, ihrem mobilen Atelier. Die Künstlerin­nen werden zur Eröffnung anwesend sein. Also hingehen. Jetzt haben wir gerade mal 5 von 65 Galerien geschafft und die Seite ist voll. Dabei gäbe es noch so viel zu entdecken. Aber da müssen Sie jetzt halt selbst ran. Selbst entdecken ist eh das Beste. Und das einzige, was Sinn ergibt.

Barbara Teichelman­n

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Michaela Melián macht aus dem Mondgesich­t ein Zahngesich­t. Und Peter Halley zerlegt die Welt in Vierecke.
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