„Der Dialog darf nicht abreißen“
Vertrautes fremdes Land: Wenig irritiert derzeit mehr als die Nachrichten, die man vom Bosporus hört. Ein Grund mehr, Augen und Ohren offen zu halten und die Kontakte zu pflegen. Vom 12. Oktober bis 27. November steht das „Türkyie Reloaded“-Programm in der Pasinger Fabrik ganz im Zeichen einer weltoffenen jungen Künstlergeneration. Gabi Altindis und ihrem Mann Erdogan von Manzara Istanbul ist der Austausch eine Herzensangelegenheit und ihre „West-östlichen Dialoge“sind ein wichtiger Schwerpunkt der Reihe.
Frau Altindis, viele sagen ja, Istanbul sei eine der schönsten Städte der Welt. Was hat Sie seinerzeit dort hingebracht? Und lässt es sich dort weiterhin gut leben? In der Tat, die einzige Stadt, die auf zwei Kontinenten liegt. Allein schon die Lage macht sie einzigartig. Istanbul ist ein Schmelztiegel zahlreicher Kulturen, das ist enorm aufregend und hat mich immer wieder dorthin gezogen. Letztendlich war es aber der schönste Grund der Welt, der mich an den Bosporus gebracht hat – die Liebe. Zu meinem Mann Erdogan.
Tatsächlich Erdogan?
Er hat nun mal den gleichen Namen wie der türkische Staatspräsident. Das führt gelegentlich auch mal zu lustigen Verwirrungen.
Erdogan funktioniert aber sowohl als Vor- als auch als Nachname?
So ist es. Mein Mann sieht das ganz locker und freut sich darüber, dass sein Name nun endlich mal richtig ausgesprochen wird. Wir haben uns vor ca. 10 Jahren kennengelernt. Mit sieben Wohnungen ging das deutsch-türkische Unternehmen im Oktober 2006 offiziell an den Start, nachdem es bereits unter dem Namen “über den Dächern von Istanbul“, eher beiläufig, Wohnungen an Feriengäste angeboten hatte. Damals, die einzige Agentur, die Apartments an Reisende im Stadtteil Galata vermietete. Zu diesem Zeitpunkt begann auch unsere Zweisamkeit. Ich bin gleich mit eingestiegen. In den ersten zwei Jahren pendelte ich noch zwischen Deutschland und der Türkei. In München hatte ich zuvor in einem bekannten Architekturbüro gearbeitet und wollte ein interessantes Projekt auf jeden Fall noch abschließen. Ich bin nicht geflüchtet! München ist ein wunderbarer Ort. Die Verbundenheit zu dieser Stadt und zu Deutschland ist in den letzten Jahren sogar noch stärker geworden. Aber Istanbul wollte internationaler Hotspot werden und bot jede Menge neuer Möglichkeiten.
Als Europa-Kulturhauptstadt.
Das war im Jahre 2007. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Für uns beide war das eine großartige, spannende und aufregende Zeit, davon zehren wir heute noch. Die Stadt entwickelte sich in unheimlicher Geschwindigkeit. Im Jahre 2013 waren wir Zeitzeugen der Gezi-Proteste. Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke, das hatte uns sehr bewegt. Jedoch waren sie leider mit Auslöser für die aktuelle politische Lage in der Türkei.
Inwieweit treffen da zwei verschiedene Bewusstseinszustände aufeinander – die moderne, weltoffene, junge Türkei und die Konservativen, Veränderungsängstlichen auf der anderen Seite?
Man muss wohl Psychologe, Soziologe, Theologe und Historiker zugleich sein, um zumindest Ansätze des Konflikts verstehen zu können. Für Westeuropäer ist dieses Konstrukt sicher kaum nachvollziehbar. Ich beobachte das so: das Leben in der Türkei ist stark von familiären und gesellschaftlichen Strukturen geprägt. Tradition, Ehre und Androkratie spielen darin eine große Rolle. Verletzter Stolz bildet einen zusätzlichen Motor, der Konflikte schnell eskalieren lässt.