Narren, Träumer, Ottonormalverbraucher
Jahre DEFA, Short Attack, Samuel Fuller & Danny Kaye
Noch bis zum 15. Februar 2017 zeigt das Filmmuseum in der Reihe 70 Jahre DEFA – jeweils mittwochs um 18:30 Uhr – insgesamt 20 Filme diverser Genres, die zwischen 1950 und 1989 in den Babelsberger Althoff-Ateliers entstanden. Etwa Slatan Dudows Der Hauptmann von Köln zu (Mi 28.9.), in dem ein stellungsloser Kellner in der Domstadt der Adenauerzeit in ein Treffen ehemaliger Wehrmachtsangehöriger gerät und in der Folge für einen nach dem Zweiten Weltkrieg lange abgetauchten Kriegsverbrecher gehalten wird. Sechs Episoden über starke Frauen – unter ihnen Simone Signoret – aus verschiedenen Kontinenten kombiniert Die Windrose (Mi 5.10.). Im internationalistischen Projekt unter der künstlerischen Oberleitung des „Weltenfilmers“Joris Ivens fließen verschiedenste Stilistiken des internationalen Kinos zusammen, vom italienischen Neorealismus bis hin zum brasilianischen Cinema Novo.
Er ist einer der großen Mavericks des US-Kinos: Samuel Fuller. Das Studiosystem Hollywoods hat er aufgemischt, Genrekonventionen bedient und zugleich radikal mit ihren gebrochen. Shock Corridor (So 2.10.) ist hierfür ein perfektes Beispiel, unvergesslich die legendäre „Nymphos!“-Attacke, der sich ein Journalist (Peter Breck) ausgesetzt sieht, als er in einer Nervenheilanstalt – Metapher für die schizophrenen USA – einen Mordfall recherchiert. Eine Einführung hält Thomas Reitmair um 14 Uhr, Spielort ist das Werkstattkino, das zudem an Danny Kaye erinnert. Berühmt ist er für seine Scat-Sprechweise, mit seiner nervösen Körpersprache hat er Jerry Lewis beeinflusst, eine seiner schönsten Rollen übernahm er als Der Hofnarr (Di 27.9./Mi 28.9.) von Norman Panama und Melvin Frank. Ein Pflichttermin ist an selber Stelle natürlich The Texas Chainsaw Massacre II (Fr 23.9.), Tobe Hoopers Splatterfilm von 1986, der Anfang der Neunziger vor Ort in der Fraunhoferstraße beschlagnahmt wurde und jetzt wieder freigegeben ist! Wer es kurz und knackig mag, ist bei Short Attack – Sundance Filmfestival 2016 Short Film Tour (Fr 23.9.). bestens aufgehoben. Acht fantasievolle Kurzfilmabenteuer feiern in 95 Minuten die Vielfalt des Erzählens. Episodisch strukturiert ist Europe, She Loves (Do 29.9. bis Mi 5.10.), verwoben werden (halbdokumentarische) Geschichten von vier Paaren, die an den Rändern Europas leben. Der Alltag stellt alle vor ähnliche soziale und wirtschaftliche Probleme. Jan Gassmann gelingt es, eine eindrucksvolle Nähe zu seinen Protagonisten aufzubauen und mit wenigen Bildern die Essenz ihrer Lebensumstände zu erfassen. Lohnend ist der Vergleich zu seinem Spielfilm Off Beat (So 2.10. bis Mi 5.10.), der authentisch anmutende Impressionen aus der urbanen eidgenössischen Hip-Hop-Szene liefert.
In der Münchner Stadtbibliothek am Gasteig geht die Japanische Filmreihe 2016 weiter. Insgesamt zwölf außergewöhnliche Werke aus Nippon hat man zusammengestellt, darunter Betteln um Liebe (Fr 23.9.) von Hirayama Hideyuki aus dem Jahr 1998. Im Mittelpunkt steht die Witwe Yamaoka Terue, die mit ihrer Tochter unter einem Dach lebt. Nach 30 Jahren trifft sie sich mit ihrem Halbbruder wieder, was Erinnerungen an ihre unglückliche Kindheit weckt und sie dazu bringt, sich auf Spurensuche nach ihrem früh verstorbenen Vater zu begeben... Vielfach wurde das ebenso stimmige wie stimmungsvolle Drama ausgezeichnet, darunter mit dem FIPRESCI-Preis auf dem World Film Festival von Montréal. In der Bibliothek / AV Studio wird LiteraKino – Biopics fortgesetzt. Martin Scorsese hebt mit Aviator (Do 29.9.) ab. Leonardo DiCaprio glänzt in diesem visuell berauschendes Porträt als Kinoexzentriker und Milliardär Howard Hughes. Nach der Autobiogra phie des Titelhelden, der 1927 als erster Mensch allein in einem Flugzeug den Atlantik überquerte, entstand Lindbergh – Mein Flug über den Ozean (Mi 5.10.). Billy Wilder setzte 1957 diese detailgenaue Heldengeschichte in Szene, während seines langen Flugs lässt der ideal besetzte James Stewart als „Lucky Lindy“sein Leben Revue passieren. Gilt noch auf zweimal Großes KinderKino zu verweisen. Lola auf der Erbse (Fr 23.9.) von Thomas Heinemann ist eine gekonnte Mischung aus fantasievollem Märchen, authentischem Familiendrama und schräger Outsider-Komödie. In Der Indianer (Fr 30.9.) inszeniert Ineke Houtman, einfühlsam und charmant, die Suche eines Buben nach seiner wahren Identität und nimmt dabei die Perspektive des Achtjährigen ein. Auf spielerische, gewitzte Weise erfährt das Thema Migration so einen unbeschwerten, neuen Ansatz, die persönliche Krise über Verlust- und Ausgrenzungsängste verliert dabei nie an Ernsthaftigkeit.