Ein Gesicht für den Suff
Äußerst beherzt gehen diese Künstler gegen den Kater an
Wieder einmal ist die ganze Welt zu Gast in dieser Stadt. Zumindest die Verrückten und Mutigen. Und das große Spektakel spielt sich nicht nur in den Zelten, sondern auch über den Zäunen, in den schummrigen Hintereingängen, in den Stehausschänken an der Lindwurmstraße und allerspätestens beim schwankenden Nachhausekommen in der Vorstadt ab. Eigentlich braucht es keine Erklärungen. Wer Spaß sucht, findet ihn dieser Tage. Umso wichtiger, dass es auch glattrasierte, penibel spießig gekleidete Zeitgenossen gibt, die sich vor nichts so sehr grausen wie einer angefeuchteten Lederhose. Jimmy Carr kann man sich gar nicht anders vorstellen als stets aus dem Ei gepellt. Immerhin ist der gute böse Mann Brite. Und als solcher legt er natürlich größten Wert auf die anständige Fassade, die es ihm so viel leichter macht, die übelsten Unverschämtheiten auf offener Bühne loszulassen. „Funny Business“nennt er verharmlosend sein aktuelles Programm, bei dem man laut prustend auch mit Netflix-Hilfe sein Abendbrot über den Couchtisch spucken kann. Carr versteht sich auf die hohe Kunst, mit keiner Wimper zu zucken, wenn er sein Publikum beleidigt und Unbedarfte hinein in seine Nummern zieht. Seine Berufsauffassung hat ihm den Ehrentitel vom härtest arbeitenden Mann im ComedyGeschäft eingebracht. Darüber lacht er immer noch, erinnert ihn so ein Lob doch an den größten Zwerg oder den kleinsten Riesen. (Freiheiz, 29.9.)
Viel wahrscheinlicher dieser Tage ist dagegen, dass man in den Spiegel schaut – und eine dieser angeranzten, genial danebenen Pappfiguren von Josef Pretterer schaut zurück. Es ist natürlich höchste Zeit, das „Sauber eigschenkt“-Programm wieder ins Rampenlicht zu zerren. Darin führt uns Pretterer sein gut gelauntes Panoptikum des Grauens vor Augen – mit Personifikationen für den „gnadenlosen Suff“, den „durstigen Bauer“, die „fesche Festzeltklofrau“, den gar nicht so „anonymen Alkoholiker“, die beiden „verkaterten Häufchen“und natürlich den „Maßkrug“, die „Semmel und die Weißwurst“. (Fraunhofer, 22. bis 24.9.)
Mit der Wiesn hat natürlich ein feiner Herr wie Dieter Nuhr nichts am Hut. Und selbstverständlich auch nichts mit Pyrotechnik, Tänzerinnen oder billigen Effekten. „Nur Nuhr“ist wirklich keine Mogelpackung. Man erhält: einen Mann und ein Mikrofon. Und entspannte Pointen. (Circus Krone, 25.9.)
Eben erst auf die kleine Bühne, die den Kabarettisten die Welt bedeutet, hat sich Winfried Frey, im bürgerlichen Leben Schauspieler, Moderator, Autor, Coach, Regisseur und Kreativdirektor, gewagt. In seinem ersten Unterhaltungssolo „Endlich Frey!“erzählt er davon, wie es sich anfühlt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund tot ist. Und die Frau dreht natürlich am Rad. Klimakteriumsvorbereitungen. (Drehleier, 23.9.)
Ein bisschen mehr von der Bühnenexistenz erwartet sich Frank Astor, der allerdings auch Doppelleben führt. Mit heiteren Darbietungen schult er nebenbei auch Manager in der harten Schule des Lächelns. Seine „Robo Sapiens – Gibt es ein Leben zwischen 0 und 1“-Show versteht sich dagegen als ein Schaufenster, das er in Richtung Zukunft aufstößt. Und damit bange Fragen aufwirft. Wie wird es denn werden, im technisch rundum optimierten Morgen? Der Fortschritt explodiert, warnt Astor. „Es gibt heute schon mehr Wissen als Intelligenz.“(Gasteig Black Box, 23.9.)
Wie gut, dass Jess Jochimsen auf dem Boden bleibt. Er schlägt sich unter anderem mit naseweisen Nachwuchs-Fragen herum. „Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?“. So hat er es zu Hause gehört. So heißt das neue Programm. Sohnemann Tom widersetzt sich der ihm zugedachten Mission, die eigenen Eltern glücklich zu machen. Er verschönert lieber Wahlplakate, sagt Ordnungshütern die ungeschminkte Wahrheit und zieht in der Schule einen Wettring mit Fußballbildchen auf. Vater Jochimsen hat alle Hände voll zu tun, dem jugendlichen Anarchismus Herr zu werden. (Lach- und Schießgesellschaft, 30.9. und 1.10.)
Im Haushalt von Otto Göttler und seiner wackeren Mitstreiterin Petra Amasreiter grassiert dagegen schon seit Jahren der „Jodelwahnsinn“. Und der in einer üblen Ausprägung: Das neue Programm des Bairisch-Diatonischen Jodelwahnsinns stellt dem geneigten Publikum den Gaudiband-Neuzugang Wolfgang Neumann vor. Wobei: Eine geson-