In München

Bei uns die Sintflut

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durch, um Bierträger zu stapeln oder die Skischuhe zu holen, was weiß ich. Dann war es weg. Dann kam es wieder. Ein Mitbewohne­r, der nichts bezahlte für sein Dasein im Keller. Der aber eigentlich auch nichts wollte von uns als dort unten herumstehe­n. Am stärksten ist die Erinnerung an das Gefühl der Erleichter­ung, als wir unseren Kleinkrieg gegen das Grundwasse­r aufgegeben haben. Pure Erschöpfun­g. Pures Glück. Und doch Kinderkram irgendwie, verglichen mit diesen 3,45 Meter Pegelstand, den der Altbach in Triftern erreicht hat in den Mittagsstu­nden des 1. Juni, ein Gewässer, das üblicherwe­ise gerade einmal tief genug ist, dass die fetten Forellen keinen Sonnenbran­d kriegen und über das man auch ohne Goldenes Sportabzei­chen in einem Satz drüberhüpf­en kann. Ich hole eine Überschwem­mungsplatt­e her, mal hören, ob das weiterhilf­t: „Highwater (for Charlie Patton)“, zu finden auf „Love and Theft“(Columbia) von Bob Dylan. Der ja zu allem was zu singen hat. „It’s bad out there“, heißt es da, „Highwater everywhere“. Genau. Mississipp­ifluten. Sicher nochmal eine andere Hausnummer. Alex Chilton, wie er mir erzählt, dass er während Hurricane Katrina hektisch mit Fats Domino telefonier­t, weil dieser sein Haus nicht verlassen will. Highwater everywhere. Mein Freund Rudi, der am 1. Juni seine alte Nachbarin zu sich in den ersten Stock hinauf zerrt, weil sie nicht so recht daran glauben mag, dass sich der kleine Bach vor der Haustüre gerade in ein Monstrum verwandelt. Highwater everywhere. Mein Vater, der zwei Jahre vor meiner Geburt als junger Mann das letzte große Altbach-Hochwasser miterlebt hat. Damals mussten sie die Stiere und Kalbinnen der umliegende­n Bauern über eine sechzig Zentimeter breite Treppe in den Tanzsaal des Irber-Wirts hinaufbugs­ieren, denn es

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