Citizen Kurtz
1940 plante Movie-Maniac Orson Welles eine Verfilmung von Conrads Herz
komplett gedreht aus der subjektiven Perspektive der Hauptfigur Marlow. Ein knackiges Projekt. Technisch. Und für das Publikum, das es nicht gewohnt war, alles mit den Augen des Helden zu sehen und ihn selbst höchstens als Spiegelung in einer Glasscheibe, im Wasser oder im Auge seines Gegenübers. Daraus wurde nix. Stattdessen machte Orson Welles den Rosebuddy. Auch kein übler Einstand. Am Anfang des Hörspiels erklärt Orson Welles sein Konzept mit einem Kanarienvogel im Käfig, der zugleich die Kamera sei. „Das große Loch dort in der Mitte ist mein Mund. (…) Ich fordere Sie auf, zu singen. Sie weigern sich ... Regisseur Walter Adler zweifelt, ob Welles diese Perspektive den ganzen Film durchgehalten hätte. Er selbst versucht’s. Erweitert das Drehbuch um einen Erzähler und integriert obendrein Welles’ Regieanweisungen als Sprechertext. Quasi: Hier spricht Orson Welles. Alias Robert Dölle. Exotisch, aber auch very Welles. Der verlegte die Handlung von Joseph Conrads 1899er-Roman in die 1930er Jahre. No big deal. Am Rassismus der Kolonialdeppen, an der Ausbeutung der Natives hatte sich wenig geändert. Marlow dampfschifft also den Kongo hoch (hört sich an wie ein alter Filmprojektor), offiziell, um Kurtz zu suchen, den durchgeknallten und verschwundenen Handelsagenten. Viel mehr interessiert Marlow das letzte Stück Wildheit, das Herz der Finsternis. Er findet es auch. In Form der kolonialen Hölle, beheizt von der vermeintlichen Zivilisation, für die er steht. Die Regieanweisungen kommen massiv Oldschool, fast wie die Sprecher in den knorke FWU-Filmen, die den Schülern bis Mitte der 80er Jahre eine vorgezogene Siesta bescherten. So richtig Hollywoods wird’s nicht. Auch weil die gesprochenen Regieanweisungen („Außen. Seeufer. Nacht. Nebel . ... Die Eingeborenen beginnen, auf die Kamera zuzugehen ...) eher das Gefühl geben, ein Filmset zu besuchen als im Kino zu sitzen. Aber das hat ja auch was. Joseph Conrad: Hörspiel von Walter Adler nach einem Drehbuch von Orson Welles. Mit Robert Gallinowski, Sylvester Groth, Sandra Hüller, Ulrich Matthes u.a., 2 CD, ca. 2,5 Std., WDR 2016, www. der-audio-verlag.de