Kulinarischer
Am Giesinger Himmel
Spricht man derzeit über Obergiesing wird es schwierig, um nicht zu sagen sehr schwierig – sportlich gesehen zumindest. Da wären zum einen die Roten, die, wenn es weiter so peplos gelaufen wäre, ihre Weihnachtsfeier auf einem tragischen zweiten Tabellenplatz mit einem wohlgemut angestimmten „Lasst uns froh und drunter sein …“hätten verbringen müssen. Da hätte dann wohl der gute Rummelausi vermutlich das eine oder andere wohlgesetzte harsche Wort gefunden und der Krampoeneß mit der Kette dazu gerasselt. Zum anderen sind da die Blauen, für die vielleicht ein „Kommet ihr Hirten, ihr Männer und Frauen, kommet das traurige Spielchen zu schaun …“das Richtige wäre. Und die unbedingt eine göttliche Eingebung brauchen um zu erkennen, dass die Gaben und Geschenke von angeblichen Heilsbringern aus dem Morgenland nur eine biblische Mär sind – sehr viel lustiger dürfte diese Weihnachtsfeier also auch nicht ausfallen. Ansonsten sind die Zukunftsaussichten im restlichen Obergiesing und hier speziell im Bereich der gastronomischen Beherbergungs- und Verpflegungsstätten deutlich hoffnungsfroher als der (vor allem blaue) Fußball-Horizont: In der Giesinger Brauerei, im Upper Eat Side, in der Hohenwarte, im Schau-ma-moi oder im Cafe Schulz (um nur ein paar zu nennen) findet der Hungrige und Durstige gegen entsprechendes Entgeld fürsorgliche Ansprache und reichlich Labung. An durchaus zahlungskräftigem Publikum mangelt es mittlerweile in diesem bis vor einigen Jahren nicht sehr angesagten Viertel wahrlich nicht – dafür sorgen zahlreiche neugebaute Wohnungen für junge Familien und viele Menschen in Bürogebäuden.
Kreatives „Gabelspiel“
Die „Tela“(Abkürzung für Tegernseer Landstraße) ist die quirlige Hauptverkehrsader der Obergiesinger und hier hat sich in den Räumlichkeiten des ehemaligen Restaurants Chez Philippe in aller Stille ein junges Paar einquartiert und seinen gastronomischen Traum von Selbstständigkeit verwirklicht. „Gabelspiel“nennen Sabrina und Florian Berger ihr erstes eigenes Restaurant, „ihren kulinarischen Cosmos“. Florian Berger war unter anderem im Hangar 7, im Tian und bis Sommer noch als Küchenchef im N°15 in München zugange. Dann kam die Chance und in Eigenregie wurde zwei, drei Monate lang renoviert, gewerkelt, gemalert und eingerichtet. Herausgekommen ist ein kleiner, schöner, klarer Raum mit hellen Farben, fein abgeschliffenen Holztischen, die bewusst ohne Tischdecken sind und, so erklärt die herzliche Gastgeberin, „mit zur lockeren Atmosphäre“beitragen sollen – so wie die wenigen, gut ausgesuchten Bilder von jungen Künstlern an den Wänden. Atmosphärisch hat das Ganze einen angenehmen Schwung und einen freundlichen Stil – schon beim ersten Besuch fühlten wir uns im Service von Frau Berger schnell gut aufgehoben. Zum Start nehmen wir Giesinger Pils (3,70) und alkoholfreien Sprizz (5,90) – wir sind mit Freunden aus Giesing unterwegs, denen wir den Tipp auch verdanken. Die Speisekarte von Florian Berger ist klein und übersichtlich, „nur“acht Positionen insgesamt stehen da drauf und man möchte doch bitte ein wenig Verständnis haben für den Koch („ist ganz alleine in der Küche“) und vielleicht nicht zu viel Verschiedenes bestellen. Wir sind kurz irritiert, aber sehr schnell auch wieder beschwichtigt. Man einigt sich auf ein Vier-Gänge-Menü (54.-), eine Fisch-Vegetarierin, zwei Fleisch-Bevorzuger, eine Nicht-Wild-Esserin, auf diese durchaus komplizierte Gast-Konstellation wurde hervorragend eingegangen. Die eine Portion vergrößert, die andere verkleinert und alle waren zufrieden, bestes Service-Geschick. Als kleiner Vorgeschmack kamen frisch gebackene Weißbrotlaibchen mit einem raffinierten Bulgur-Aufstrich, der von der vegetarischen Begleitung als „beispielsuchend“hochgelobt wurde. Als erster Gang dann Lachsforelle vom Birnbaum (die wurde nicht gepflückt – das ist der Name des Fischhändlers ...), leicht angebraten und mit feinem Schwarzwurzelgemüse, Radieschensprossen und leicht säuerlichem Räucherfischfond serviert – alle waren wieder hochzufrieden. Dann gab es Saibling mit Fregola Sarda (geröstete sardische Nudelspezialität) und Champagner-Schaum – perfekt gebratener, frischester Fisch, der wunderbar mit den körnigen „Nudeln“und dem feinen Schaumsößchen harmonierte – und wieder waren alle voll des Lobes. Der schon zuvor als sehr gut trinkbar bewertete samtige Zweigelt „Mitterjoch“vom Weingut Braunstein am Neusiedlersee (27.-) passte dann auch noch wunderbar zu den geschmorten Ochsenbackerl, die mit säuerlichem Kimchi-Gemüse als Beilage begeisterten. Und auch beim Waidmannsheil (dem eigentlichen Hauptgang mit Reh) war nicht nur das Fleisch perfekt gegart (sogar das auf Extrawunsch noch nachgebratene), sondern auch die Rote-RübenVariationen als Beilage. Mit Almblumenkäs in Begleitung von raffiniertem Ananas-Senf-Chutney und einem dezent süßen Cheesecake mit Weintrauben, Schoko-Sesamsorbet und Karamell beendeten wir einen wirklich genialen kulinarischen Abend.
Beim späteren Fototermin haben wir uns dann noch ein bisschen mit den bodenständigen Wirtsleuten Sabrina und Florian Berger unterhalten. Ihr Credo: Zuerst mal alles selbst machen! Sie sind begeistert über die gelungene Mischung ihrer Gäste – Leute vom Viertel, junge Paare, Arbeitsessen mit Geschäftsfreunden – und jetzt natürlich auch die eine oder andere Weihnachtsfeier. Und weil alles gerade erst anläuft haben die „Gabelspieler“in diesem Jahr auch an allen Feiertagen offen, sogar Heiligabend und Sylvester. Wer Lust hat die beiden zu besuchen, kann ja einfach dem schon ziemlich hell leuchtenden kulinarischen Weihnachtsstern am Giesinger Himmel folgen ... Restaurant Gabelspiel
Zehentbauernstr. 20, 81539 München Di bis Sa ab 18 Uhr, 089/12253940 www.restaurant-gabelspiel.com