Zum Lachen, zum Heulen
Gefühlvoll, ohne zu duseln: „Wie im Himmel“am Metropoltheater
Spricht es gegen ein Theater, wenn man es als verlässlich bezeichnet? Seit 1988 Theaterleute ins alte Kino in Freimann einzogen, hat sich das Metropol einen führenden Platz unter den „kleinen“Theatern erspielt. 2016 ist man zum zweiten Mal hintereinander Deutschlands bestes Off-Theater geworden, und das hat viel damit zu tun, dass Jochen Schölch, als Regisseur schon früh erfolgreich am Teamtheater, hier eine ganz eigene Verlässlichkeit etabliert hat. Die große Provokation war hier nie, gepflegt wird eher der leisere Ton eines bildhaften, literarischen, auch musikalischen dennoch ist die Szenerie reich ausgestattet: mit so sonderbaren wie wunderbaren Typen. Die Klamotten gerne beige langweilig (Pullunder, Blümchenkleid) aus der spießigen Ecke der 1970er Jahre, repräsentieren sie querbeet, was dieses Kaff so hergibt: das Mädel mit dem spastisch behinderten Bruder; die Frau mit der grandiosen Stimme und dem Despoten zum Mann; der eitel-bigotte Pastor mit der kämpferischen Ehefrau; der Fettsack, der genau unter dieser Bezeichnung schon das ganze Leben leidet; die rührenden Alten; der zwangstelefonierende Alles-Organisierer. Für jeden finden die Regisseure Dominik Wilgenbus und Jochen Schölch (der krankheitshalber die Endproben übernehmen musste) die stimmige Haltung, Blicke, Nuancen. So wächst aus dem simplen Kirchenchor nach und nach eine nicht nur stimmlich grandiose Truppe: Vanessa Eckart, Jakob Tögel, Marc-Philipp Kochendörfer, Lilly Forgách, Paul Kaiser, Judith Toth, Hubert Schedlbauer, Nathalie Schott, Thomas Schrimm, Astrid Polak und Dirk Bender – auch nur einen auszulassen, würde dieser hoch konzentrierten, mitreißenden Ensembleleistung nicht gerecht. Matthias Grundig als Burnout-Dirigent Daniel will anfangs nur zuhören. Aber schnell legen seine Atem- und Rhythmusübungen die Basis –nicht für die Entwicklung des Chores, auch für seine neue Lebensorientierung. Es zeigt sich für ihn (und für uns) die wahre, letztlich revolutionäre Bestimmung der Musik. So brechen zwischen den musikalischen Sequenzen, die von „Stille Nacht“über „Stayin’ alive“bis ins schwedische Lied reichen, verdrängte Konflikte auf, nie gestandene Lieben offenbaren sich, aufgestauter Frust explodiert. Musik führt zusammen, verändert, emanzipiert. Zum Widerstand gegen den Prügelgatten. Oder zum Fahrradfahren: Daniel lernt es erst jetzt. Großes Theater, gefühlvoll, ohne zu je duseln. Am Schluss: trampelnde Zuschauer.