Feinfühlige Tipps für mehr Familienfrieden
Es ist nie zu früh, guten Sex zu entdecken. Und nie zu spät, maulfaulen Muffeln noch eine Chance zu geben
Das größte Fest des Jahres steht vor der Tür. Höchste Zeit also, sich doch wieder mit den sonderbarsten Mitbewohnern im Haushalt anzufreunden. Möglicherweise hilft Jan Weiler dabei. Der gute Mann, „Maria, ihm schmeckt’s nicht“-BestsellerAutor und ehemaliger „SZ Magazin“-Chefredakteur, ist nämlich eine Forschernatur mit Fingerspitzengefühl. Sein sehr spezielles Fachgebiet, das Mut erfordert: Weiler kennt sich gut mit dem gemeinen Pubertier aus. Man erinnert sich, es sind die Höhlenbewohner, die in schlecht belüfteten dunklen Zimmern hausen, wo sich garstige Müllberge türmen und wo die Gerüche undefinierbar werden. Pubertiere muffeln, liegen viel herum und zeichnen sich auch beim Sprechen durch schier nicht zu tolerierende Trägheit aus. Nach „Das Pubertier“hat Weiler nun die zweite schonungslose Feldstudie „Im Reich der Pubertiere“nachgelegt. Nur mit fachkundiger Hilfe kann man es schaffen, sie doch noch zu verstehen. Denn merke: „Ohne Pubertiere wäre das Leben arm und öde. Und das Haus zu still und leer.“Wie wahr. (Volkstheater, 27.12.)
Eine ganz eigene, unerwartete Form von Eigendynamik hat das Pubertier im neuen Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“von Dirk Stermann entwickelt. Wichtigste Erkenntnis: Es hat sich bewegt. Ja, es hat sogar gehandelt. Claude ist aber auch ein bemitleidenswerter 13-Jähriger. Seine Mutter, eine Ethnologin aus Leidenschaft, liebt die wirklich sehr teilnehmende sozialanthropologische Beobachtung. Und deswegen ist ein echter Indio, der natürlich zum Liebhaber wird, auch gleich in die gemeinsame Wohnung eingezogen. Den Vater, einen Posaunenlehrer am Wiener Konservatorium, juckte das offenbar nicht allzu sehr. Er hat auch schnell eine Neue – und zwar eine Veganerin, Flötistin und Deutsche. Höchste Zeit, den Bau zu verlassen. Claude hängt jetzt ganz viel mit Dirko aus Serbien ab, der eine Hütte an der Donau bewohnt und eine ganze Menge vom Leben versteht. So kommt auch Claude zu seiner Mädchenbekanntschaft – auf einem Donaufrachtschiff. Ob das alles ohne Schmerzen abgehen wird? (Milla Club, 16.12.)
Ein Typ, der gut zuhören und so nicht nur Pubertieren helfen könnte, ist natürlich Max Goldt, der die Absurditäten und Widersprüche unserer oft so fahrigen Existenz mit dicken Armen umhalst. Er drückt sich am liebsten auf den Nebenkriegsschauplätzen der hektischen Alltagsgefechte herum und verwandelt Skurriles in Preziosen von schreiender Komik. Genug gelobhudelt: Goldt-Auftritte sind Gold wert. Und Pflicht. (Volkstheater, 28.12.)
Ein Meister des feinbeobachteten Alltagswahnsinns und ein großartiger Erzähler ist selbstverständlich auch Joachim Meyerhoff, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller. Das Schöne an seinen Schnurren: Er hat sie selbst erlebt und bürgt mit seinem hochgewachsenen, früher etwas ungelenken, heute milde heroischen Leib dafür. Sein an realem Irrwitz nicht zu überbietende Jugendgeschichte mit dem Aufwachsen in der Anstaltsdirektorenwohnung einer abgelegenen norddeutschen Irrenanstalt, sein Traum, Schauspieler in München zu werden, und seine Studienjahre an der Otto-Falckenberg-Schule, während der er sich in der Nymphenburger Villa seiner Großeltern stilvoll die Hucke vollsoff, sind an lakonisch dargebotener Großartigkeit kaum zu überbieten. Nun kehrt das Ausnahmetalent wieder an seine früher Wirkungsstätte zurück und liest dort aus dem dritten Band seiner Autobiografie: „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“. (Kammerspiele, 16.12.)
Auch ein Thema mit sehr intimen München-Bezug: Man sollte sich gerne mal wieder daran erinnern lassen, dass Wassily Kandinsky, der Blaue Reiter und Wegbereiter der Moderne, auch ein vielseitiger Dichter war. „Vergessenes Oval“heißt die Sammlung seiner nachgelassenen deutsch- und russischsprachigen Gedichte, die den anspielungsreichen Titel leider nicht zu Unrecht trägt. (Literatur Moths, 16.12.)
Ein echter Vorweihnachtspflichttermin ist auch die alljährliche Christmas Revue mit Harry Kämmerer und seinen vielen Freunden (Glatteis Krimi, 16.12.). Und die neuesten Talente (und alte Haudegen) feiert man natürlich beim Isar-Slam mit Pierre Jarawan und Ko Bylansky (Ampere, 20.12.).