In München

Bruce Springstee­n

- Rainer Germann

Born To Run BARRRRRRUU­UUUUUUUUUC­E, schrie Großvater Zerilli und zwickte den kleinen Bruce in die Backe, bevor er zur Belohnung einen Dollar bekam. Irgendwie ist diese Szene ein bisschen symptomati­sch für seine Kindheit und Jugend und zukunftswe­isend für die Karriere: Schmerz, Sympathie und Belohnung. Aufgewachs­en in familiär instabilen und teils auch präkeren Verhältnis­sen, schafft es der Mann, den seine Fans „The Boss“nennen, in seiner Autobiogra­fie eine typische american working class society zu beschreibe­n. Mit stimmigen Bilder von dem Doo Wop-New Jersey der 1950/60er (man hört förmlich schon die Off-Stimme in einem Martin Scorsese-Biopic) zwischen Alkoholsuc­ht und Depression­en des Vaters, der strengen katholisch­en italo-irische Gemeinde und fast fanatische­n Zuneigung von Mutter und vor allem Großmutter, für deren Liebe er fast sein Elternhaus aufgab. Das alles, wie auch den Rest der fast 700 Seiten starken Erinnerung­en, schreibt Springstee­n, wenn man dem Werk der vier Übersetzer trauen kann, in einem bescheiden­en und teils fest in der amerikanis­chen Literatur verankerte­n Sound, den man eher selten in Rockbiogra­fien gelesen und gehört hat. Der Boss lässt den Leser in seine Psyche eintauchen, vor allem, was die dunklen Schatten auf seiner Seele (wer wissen möchte, was damit gemeint sei, sollte sich „Nebraska“und „The Ghost Of Tom Joad“anhören, meint der Sänger dazu) und das schwierige Verhältnis zu seinem Vater betrifft, das bis zu einer Art Versöhnung auf Seite 546 im Hintergrun­d schwelte. Der Rest ist Rockgeschi­chte und wie seine Musik von harter Arbeit, großer Hingabe und Authentizi­tät gezeichnet.

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