Wiederbegegnungen mit Papier-Helden
Ab sofort toben Shakespeare-Schufte, Schiller-Königinnen und liebestolle Perlenfischer über die Bretter
Einiges Unschönes hat man dem Kammerspiele-Intendanten Matthias Lilienthal, der wie viele seiner Kollegen erst einmal darum bittet, dass man ihm Zeit zur Entfaltung gewährt, im vergangenen Jahr vorgeworfen. Einer der wuchtigsten Anklagepunkte: Dass er angeblich dem Schauspielertheater zu wenig Platz lässt. Wie ein Gegenschlag wirkt nun die erste große Premiere für 2017. Hausregisseur Christopher Rüping hat sich gleich Mal das Stück aller Stücke vorgenommen: William Shakespeares Hamlet. In seiner Inszenierung, die auf den nach der Bibel meistzitierten Text der abendländischen Literatur zurückgreift, setzt er das rund 400 Jahre alte Stück als sehr moderne Anklage in Szene. Der junge Dänenfürst, der der Welt den Rücken gekehrt und stattdessen begonnen hat, Bücher zu lesen, steht für Rüping als radikaler Zweifler da, „der zu klug ist für die Hoffnungslosigkeit“und der „seinen Zorn in die Auslöschung überführt“. Soll heißen: Er gibt nicht nur seinen Eltern, sondern der Gesamtheit der Erwachsenen die Schuld an der Verkommenheit der Welt, die man angeblich nur noch durch vollständige Zerstörung retten kann. Ein Statement, aber hallo! (Kammerspiele, ab 19.1.)
Doch auch auf der anderen Seite der Maximilianstraße weiß man, dass nicht nur das Abo-Publikum ab und an nach den Klassikern verlangt. Hier inszeniert Andreas Kriegenburg, der dem Münchner Publikum bestens bekannt ist, William Shakespeares Schlachtplatte Macbeth. Den enthemmten Schottenkönig spielt Thomas Loibl, Sophie von Kessel die nicht minder blutdürstige Lady Macbeth. Thomas Lettow wird als Banquo zu sehen sein. Großes Kino, auf der Bühne. (Residenztheater, ab 13.1.)
Wie gut, dass es in einer theaterverliebten Stadt natürlich auch gleich die Möglichkeit für den zweiten Blick gibt: Auch die Truppe Theater Plan B folgt zu Jahresbeginn der finsteren Devise „Blut will Blut“. Dort bietet man dem Nihilismus mit einer Splatter-freien Macbeth-Inszenierung die Stirn. (Gasteig Black Box, 14.1.)
Mit der Frage, wie man die großen, gedankenschweren Texte zeitgemäß auf die Bretter hievt, beschäftigt sich auch die Maria-Stuart-Fassung, die Marcos Mariz mit der Studiobühne TWM der Uni München entwickelt hat. Er hat natürlich auch britische Blaublüter als Personal, die sich gegenseitig an die Gurgel springen wollen. Allerdings ist der perfide Zank zwischen Königin Elisabeth und der Schottin Maria natürlich ein brutaler Reigen, der einer künstlerisch strengen Choreografie folgt. Also ist hier ein Tanztheater herausgekommen – nach Friedrich Schiller. (HochX, 12.1. bis 14.1.)
Mit der Schauerromantik befassen sich die Schauspielschüler des dritten Otto-Falckenberg-Jahrgangs. Sie haben sich das Märchen Klein Zaches, mein Zinnober von E.T.A. Hoffmann vorgenommen. Darin wird von dem wunderlichen Wechselbalg erzählt, den alle Welt für schön und talentiert hält. Mit der ihm eigenen perfiden Gabe zur Täuschung sucht er seinen Platz in der Welt. Regie führt hier keine Geringere als Wiebke Puls. (Kammerspiele, ab 13.1.)
Auch der schwedische Star-Choreograf Frederik Rydman stellt sich der Herausforderung, einen bekannten, bereits leicht angestaubten Stoff in die moderne Wirklichkeit mitzunehmen. Mit „Swan Lake Reloaded“war ihm das bereits gelungen. Nun bringt er für The Nutcracker Reloaded Pjotr Iljitsch Tschaikowski mit Streetdance, HipHop und Breakdance zusammen. Spannend! (Deutsches Theater, ab 17.1.)
Eine wirklich sehr selten gespielte Vorlage hat das Gärtnerplatz-Team ertrüffelt, das in diesem Jahr endlich mal wieder im eigenen Haus heimisch werden möchte. Zum Einstand für 2017 gibt es hier eine konzertante Aufführung von Georges Bizets Oper Die Perlenfischer zu sehen. Die Handlung spielt auf Ceylon, folgt aber stark leidenschaftlichen Mustern, die man aus dem Liebestreiben europäischer Bühnen kennt. Zwei junge Anführertypen haben sich als junge Freunde einen Eid geschworen: Sie waren zwar dummerweise in dieselbe Frau verliebt, wollten aber beide der Priesterin Leila entsagen. Doch auch unter Palmen haben derlei hochfliegende Versprechungen eben doch oft nur eine kurze Halbwertzeit. (Reithalle, 18./20./22.1.)
Wem oder was kann man überhaupt noch trauen, wenn in der Ära Trump nun ganz offiziell das vermaledeite „postfaktische Zeitalter“anzubrechen droht? Dieser Frage gehen gleich zwei Schauspieler nach, die sich zum Regieführen berufen fühlen. Geklammert erscheint ihre Sinnsuche unter dem Doppeltitel Wahrheiten und Wirklichkeit. Im ersten Stück „Die ganzen Wahrheiten“von Sathyan Ramesh suchen fünf Figuren nach dem Glück – und nach verbindlichen Gewissheiten. „Die Konsistenz der Wirklichkeit“wurde von Dimitrij Schaad zusammen mit dem Ensemble entwickelt. Ihm geht es darum, wie wir in einer wütenden, auf Lüge aufbauenden Welt von heute einmal beherzt zurückbellen können. (Akademietheater, ab 18.1.)
Kann man sich wenigstens noch auf Silberfolie, Betttücher, Bälle, Blumentopfe und Astronautenhelme verlassen? Aber ja doch. Sie sind der Stoff, aus dem großes Show-Theater gemacht werden kann. Davon jedenfalls ist die Traumfabrik-Truppe überzeugt. Über 30 Künstler aus aller Welt wollen mit einer einzigartigen, minimalistischen Mischung aus Akrobatik, mitreißendem Tanz, bezauberndem SchwarzlichtTheater, Comedy und vor allem viel Musik verblüffen. Hingucker des Abends ist der Auftritt des 32-fachen Weltrekordhalters im Jonglieren. (Gasteig Carl-Orff-Saal, 10./11.1.)
Damit niemand meckern kann, bindet Anna Konjetzky ihr Publikum gleich mit in die Produktion ein. Im Testlauf schickt sie die Zuschauer auf eine Art Versuchsfeld. Das besteht aus einem offenen Raum, der zunächst einmal keine Perspektiven vorgibt, sondern sich erst nach und nach mit wechselnden Schließungen und Verengungen verändert. Die Tänzer treffen dabei auf immer neue Hindernisse, die Narrationsarbeit leistet in Teilen das Publikum. (Muffathalle, 10./11.1.)
Stefan Maria Marb dagegen sieht die Zeit für gekommen an, sich seiner Anhängerschaft einmal deutlicher zu erklären. Der gefeierte Münchner Choreograf und Tänzer lässt in seinem abendfüllenden Soloprogramm einmal ein paar Blicke hinter die Kulissen und auf die Entstehungsprozesse sowie Inspirationsquellen seiner Werke zu. 25 Schaffensjahre werden so beim Überblick Welten.Tänzer – eine Körperanthologie ein wenig, nun ja, luzider. (Schwere Reiter, 13./14.1.)
Kaum Fragen, aber auch nur wenige Wünsche dürften schließlich beim Live-Spektakel Bibi & Tina – Die große Show zu den Kinder-Kinofilmen offen bleiben. Das junge Publikum darf sich auf die zwei besten Freundinnen freuen, die das Kunststück fertigbringen, immer 13 Jahre alt zu bleiben. (Olympiahalle, 13.1.)