In München

Solide Ausstellun­g

Hans Neuenfels inszeniert „Antigone“am Residenzth­eater

- Peter Eidenberge­r

auch Hans Neuenfels. Regisseure wie er brachten in den 1960ern und 70ern das deutsche Theater zum Brodeln, Anfang November würde er für sein Lebenswerk mit dem „Faust“, dem Deutschen Theaterpre­is, geehrt. Nun kehrt er ans Residenzth­eater zurück – mit wenig Brodeln. Der Altmeister liefert eine solide, sprachkonz­entrierte Inszenieru­ng ab, für die es (bei der zweiten Aufführung) nach zwei Stunden viel Beifall gibt. Die Sprache: Neuenfels hat viel Aufwand getrieben für eine neue Textfassun­g (zusammen mit Co-Regisseur Philipp Lossau), auf Basis der alten Buschor-Übersetzun­g hat man sich ans Heute angepasst und auch manches neu dazu erfunden. Am deutlichst­en zu erkennen am Chor: er ist reduziert auf nur noch eine Person, eine Frau aus Theben – Elisabeth Trissenaar als Stimme der Vernunft, kommentier­end, beschwören­d. Kreon hat, was der gemeine Diktator so braucht: gefährlich­en Narzissmus, Attitüden, die ans Lächerlich­e grenzen – Norman Hacker pumpt und plustert sich mit Inbrunst in das Machtmensc­hlein. Eurydike, seine Frau (Anett Pachulski), Marke Trump-Girl, glitzert kühl und dekorativ: mehr Busen als Herz, die Trauer um ihren Sohn Haimon (Christian Erdt) drückt sie stumm weg. Teiresias, der Kreon zur viel zu späten Kurskorrek­tur animiert, ist bei Michele Cucioffo ein rauhkehlig um sich spotzendes Tier: der blinde Seher als Symbol für unbändige Wahrheit – so was muss man im Käfig halten. An der Deutlichke­it der Zeichen mangelt es nicht, aber es hapert bei den Nuancierun­gen. Mehr als vermittelt wird hier ausgestell­t, passend zum musealen Ambiente: Neuenfels malt mit dem dicken Pinsel, der Gestus geht gerne ins Opernhafte. Wir verstehen, was gemeint ist, aber es fehlt was. Bei einer gemeinhin so selbstvers­tändlich in jede Ecke einer Figur kriechende­n Schauspiel­erin wie Valery Tscheplano­wa ist das am schmerzlic­hsten sichtbar. Erst in Weiß vor dem weißen Vorhang, den Kopf auf den Boden hämmernd, später in Schwarz als verhaftete Delinquent­in: in dieser Antigone nimmt von Beginn an ein hochemotio­naler Dämon raumgreife­nd Platz, keine Trauer, nur brüllender Kämpferfur­or. Und in dieser einen Dimension bleibt sie. Das Argument verschwind­et gänzlich hinter der Emotion, daran kann auch ihre Schwester Ismene (Anna Graenzer) nichts ändern. Von Emanzipati­on wird hier nichts erzählt.

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 ??  ?? Im Tod sind alle gleich ...
Im Tod sind alle gleich ...

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