Die Monotonie der Maschinen
Thomas Bayrle zu Gast im Lenbachhaus
Doch, Maschinen können tanzen. Sie können sogar Hüftschwung. Also manche. Andere sind eher mechanisch in ihren Bewegungen. Wieder andere bedächtig. Der Scheibenwischer Nummero 11 mit dem Titel „Bitt für uns“(2010) zum Beispiel ist so eine bedächtige Maschine. Rechts. Links. Rechts. Links. Und dazwischen immer eine kleine Pause, in der die Wischer kurz innehalten. So, als schöpften sie Kraft. Seit Mitte der 60er Jahre baut Thomas Bayrle Maschinen, die es nicht gibt. Phantastische Wesen aus Metall, die das Maschinenhafte verkörpern. Symbolmaschinen, wenn man so will. Im Lenbachhaus stehen 15 davon und rackern sich ab. Schuften für die Kunst und für die Erkenntnis. Für welche Erkenntnis? Vielleicht für die, dass Maschinen auch nur Menschen sind. Zumindest aber menschlich. Immerhin haben wir sie erfunden und gebaut. Für die Maschinen sind wir Gott. Wir haben sie geschaffen. Und schon ist es gar nicht mehr so komisch, dass ein Großteil der Motoren den Rosenkrank betet. Jeder Motor hat seinen eigenen Soundtrack, zusammengesetzt aus Motorenlärm und Rosenkranzaufnahmen oder Musik. Beten sie uns an? Oder sind das eigentlich wir, die wir da schön brav vor uns hin funktionieren, wie man es von den Kindern des Kapitalismus erwartet? Und zu wem beten wir? Zu Gott? Zum Kapital? Zum Fortschritt? Ja, da kann man schon mal ins Grübeln kommen. Diese Kombination zweier sich fremder Welten ist faszinierend und irritierend. Und dann wieder freut man sich an den Formen und Bewegungen der Maschinen. Besonders schön ist der Sternmotor „Monstranz“(2010) oder „Hochamt“(2010). Und spätestens jetzt fragt man sich, ob Bayrle seine streng katholische Erziehung durch diese unermüdlichen Maschinen abarbeiten möchte. Tatsächlich setzte er sich schon lange mit dem Thema Religion auseinander. Sagt aber auch: „Ich liebe die Monotonie, die Langeweile und die Massenproduktion.“Die Ausstellung „Thomas Bayrle“ist ein frühes Geburtstagsgeschenk für den in Berlin geborenen Maler, Grafiker und Videokünstler. Anfang November wird er 80 Jahre alt. Vor 40 Jahren war er einer der ersten, der sich mit computergenerierten Bildern beschäftigte und sich für das Prinzip des Seriellen interessierte. Heute ist er ein documenta-erprobter, mehrfach ausgezeichneter und international reüssierter Künstler, der sich sein Leben lang mit dem Gegensatz von Individuum und Masse auseinandergesetzt hat. Seit den 70er Jahren ist die Autobahn ein wichtiges Thema, dem er sich auf verschiedenen Wegen genähert hat, in Filmen, Zeichnungen, Skulpturen ... Für die Ausstellung im Lenbachhaus hat er eine skulpturale Wandarbeit konzipiert, die das Prinzip Autobahn auf den Punkt bringt: Bewegung zum Selbstzweck. Es gibt kein Ziel. Man wird nirgends ankommen. Es geht um das „in Bewegung sein“. Den Fortschritt, der nicht stagnieren darf, weil man dann ja angekommen wäre. Irgendwo. Stattdessen geht es um Quantität, hunderttausende Autobahnen, die nur dazu da sind, das Wirtschaftssystem durch die Bau- und Autoindustrie am Leben zu erhalten. Das System erhält sich selbst. „Meine Arbeiten sind fifty-fifty“, sagt Bayrle, „ich habe Kritik an der Gesellschaft, bin aber auch Teil davon.“So wie wir halt auch.