Vergleichende Sex- und Angst-Forschung
Nur wer Mumm und das nötige intellektuelle Rüstzeug hat, bricht gestärkt in das neue Jahr auf
Eigentlich sollte man so ja nicht ins noch jungfräuliche Jahr starten. Aber natürlich bekommt es München mit der Angst zu tun, wenn Matthias Brandt, geschätzt und beliebt als Kommissar Hanns von Meuffels in der „Polizeiruf 110“-Reihe, sowie sein treuer Musikus Jens Thomas in der Stadt sind. Beide wissen: Klänge können unter die Haut gehen, vor allem wenn sie schräg, überraschend und grauenerregend sind. Nach dem Erfolg ihrer „Psycho“-Tour kehren sie nun mit dem „Angst“-Programm wieder alle schlimmen Eigenschaften hervor. Da ist zum einen die eindringliche, gerne auch mal beklemmende Stimme des Schauspielers. Und zum anderen die entsetzliche Kunst des Soundtrack-Künstlers, der sich an Horrorfilmen geschult hat. Man nennt sie nicht ohne Grund das „Dream Team of Suspense“. Man darf, man muss gespannt sein. (Volkstheater, 14.1.)
Thomas Meinecke, Literat, Soundund Zeitgeist-Tüftler und vor allem auch Frontmann der Münchner Band F.S.K., trifft natürlich schon von Berufs wegen den richtigen Ton. Auch wenn er keine Grenzen kennt und Gedanken ebenso geschmeidig ineinander übergehen lässt wie Akkorde. Weil er auch beim Schreiben die Musik immer im Kopf hat, ist ein Lese-Gastspiel seines neuen Romans „Selbst“natürlich das Beste, was aufgeschlossenen Zuhörern passieren kann. Mit der ihm eigenen Vorliebe für Bewusstseinsströme, PopZitate und collagierte Stimmungslagen lädt Meinecke hier in eine eigenwillig – wie sonst? – zusammengesetzte Frankfurter WG. Diese wird von Eva, Mode-Redakteurin, Kunsthistorikerin, selbsternannter „Prinzessin“, der autodidaktischen Sexualwissenschaftlerin Genoveva (Schwerpunkt: Autogynophilie und Selfie Culture) sowie dem androgynen Model Venus, die ebenfalls natürlich Kulturwissenschaftlerin mit sehr speziellem Forschungsgebiet ist, bevölkert wird. Sie fotografieren Modestrecken in der Baustelle der EZB, tanzen im „Robert Johnson“-Club, beobachten die Polizei-Erstürmung des Instituts für Vergleichende Irrelevanz und versuchen in einem erotischen Postgender-Liebesreigen so etwas wie Halt zu finden. Meinecke erörtert die Tiefenschichten seines Texts zusammen mit Paula-Irene Villa, Professorin für Soziologie und Gender Studies der LMU. Im Anschluss legt er in der Bar selbst Platten auf. (Kammerspiele, 16.1.)
Die Beats dürfen natürlich auch nie fehlen, wenn sich Max Bronski, der lange ziemlich öffentlichkeitsscheue Münchner Krimiautor und sein ebenfalls im verbrecherischen Fach tätige Star-Kollege Friedrich Ani zusammen tun. Sie stellen gemeinsam Bücher vor, die sie selbst bewegen – diesmal Frank Witzels Mammutwerk „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969“. Dazu spielt die Max Bronski Band auf. (Volkstheater, 17.1.)
Die Zeit, von der die Rede ist, kennt Martin Walser ziemlich gut. Allerdings ist nicht nur der Zauselbrauenträger altersbedingt ruhiger geworden, sein neuester Roman „Statt etwa oder Der letzte Rank“kreist auch ums Verstummen. Mit vielen kunstvollen Worten geht es darin um die hohe Kunst, sich auch einmal herauszuhalten, ja sogar zu schweigen. (Literaturhaus, 5.1.)
Wer in dieser Stadt Löwe ist, muss dagegen brüllen – laut anbrüllen gegen die rote Übermacht. Unter dem schönen Titel Sechzge, Oide! Mit Leib und Seele Löwin hat sich die Fotografin Anne Wild, die selbst glühende 1860Anhängerin ist, 60 Frauen und Mädchen angenommen, die mit Herzblut Fans sind. Unterstützt wird die Ausstellung, zu der tolle Interviews mit den Löwinnen beigefügt sind, von Löwenfans gegen Rechts, vom Verein selbst sowie vom Fanprojekt München. Die Ausstellung läuft bis 8. Januar. Besonders empfehlen kann man die Vortragslesung mit Ronny Blaschke, der über „Sexismus im Fußball“spricht und sein neues Buch „Gesellschaftsspielchen. Fußball zwischen Hilfsbereitschaft und Heuchelei“vorstellt. (Feierwerk Farbenladen, 6.1.)
Und dann geht’s natürlich auch gleich wieder sportlich in die neue Slam-Saison: Altmeister Jaromir Konecny und sein Mitstreiter Frank Klötgen haben dafür eine frische Location aufgetan. Jeweils am ersten Montag im Monat laden sie Szene-Größen auf ihre interaktive, definitiv zum Mitmachen und am Schluss Mitsingen gedachte Lesebühne. Der passende Titel: Poetry & Parade. (Seidlvilla, 9.1.)
Beim Substanz Poetry Slam geht es ebenfalls mit Feuereifer ins neue Jahr: Hier stürmen unter anderem die Schweizer Renato Kaiser, Marvin Suckut aus Konstanz und der Frankfurter Storyteller Jey-Jey Glünderling ans Mikro. (Substanz, 8.1.)