Hätte er geschossen...
Tardi berichtet wieder vom Krieg, Vince und Zep haben erotische Fantasien
Es ist wieder mal keine leichte Kost, die Jacques Tardi in seinem neuesten Band Der letzte Ansturm (edition moderne) präsentiert: auch diesmal sind seine Erzählungen vom den monströsen und unvorstellbaren Grausamkeiten des Grabenkrieges an der Westfront des Ersten Weltkrieges schwer zu ertragen, wäre da nicht die Genialität des Autors mit Wort und Strich trotz aller Tragik seinen Figuren inmitten des Abschlachtens Persönlichkeit und Charakter einzuhauchen. So gelingt es ihm einerseits fast schon dokumentarisch und sorgfältig recherchiert die Ereignisse für den Leser hautnah zu schildern, anderseits spart er auch nicht mit beißendem Galgenhumor, mit dem Freund und Feind sich zu trösten versuchten. Nachdem er einen Verwundeten aus den eigenen Reihen getötet hat, um sich selbst zu retten, wandert der Bahrenträger Augustin wie ein Geist durch die französischen und englischen Schützengräben, trifft auf Soldaten am Ende ihrer Kräfte, die im Schlamm dahinvegetieren. Obwohl Heldentum nicht seine Sache ist, greift Augustin schließlich selbst zur Waffe und legt auf einen Deutschen an, der mit dem Rücken zu ihm in den Stacheldraht uriniert. Doch in den Rücken schießen kann und will er nicht und so verschonte „der Bahrenträger Augustin den Meldegänger Adolf Hitler, Gefreiter im 16. Bayerischen Infanterieregiment.“Tardis Lebensgefährtin, die Chansonsängerin Dominique Grange, hat zusammen mit der Gruppe Accordzéâm eine CD mit internationalen Antikriegslieder aufgenommen, die diesem eindrucksvollen Band beigelegt ist.
Erotische Comics waren früher ein ganz eigener und ziemlich großer Markt, auch aufgrund der Verfügbarkeit erotischer Inhalte im Netz, wurde es etwas ruhiger in diesem Segment. Die Grenzen zwischen Pornografie und erotischer Kunst sind meist fließend und obwohl es Superstars der Szene wie Manara, Varenne oder Serpieri gibt, hat man schon länger keine nennenswerten Neuerscheinungen in diesem Bereich mehr gesehen, zumindest was grafisch anspruchsvolle Werke betrifft. Mit Esmera (Splitter) von Zeichner/Autoren-Team Vince und Zep liegt nun ein Band vor, der ansprechend gezeichnet ist und außerdem mit einer eher ungewöhnlichen Geschichte aufwarten kann. Die junge Esmera macht eine ungewöhnliche Entdeckung: nachdem sie zusammen mit einer Zimmergenossin ihre Sexualität auch in Bezug auf lesbische Liebe entdeckt hat, wacht sie am nächsten Tag auf – als Mann. Anscheinend verwandelt sie sich nach einem Orgasmus in das andere Geschlecht und auch wieder zurück. Was zunächst wie eine Win/Win-Situation für Esmera und ihr männliches Alter Ego Marcello erscheint, wird schnell komplizierter und bringt die beiden zusehends in Schwierigkeiten.