In München

Botox für die Dauerwelle

- Jonny Rieder

München mögen ist ein Job für Superhelde­n. Langfristi­g nur erträglich, wenn man jederzeit wegfliegen kann wie Superman oder stets ein intimes Plätzchen findet, wo man mit seinem inneren Hulk Gassi gehen kann. Einzige Alternativ­e: Man ist ein fucking Spaßvogel. Ein Mockingbir­d. Einer, der aus jedem Wahnsinn eine Pointe destillier­t. Der den Wanningere­sken des Lebens ins Gesicht lacht, der jedem Staatsanfa­ll, jedem Spießbürge­rstreich ein „Nice one!“entgegen lächelt. Das ist sogar noch eine Liga heldiger als Hitzeblick und no-scratch-skin. So gesehen war Karl Valentin der erste Humorsuper­hero. Ein Superhumor­o. Und ein überwürdig­er Spaßerbonk­el von Gerhard Polt. A Valentin a day keeps the Zwangsjack­e away. Bubble Gum für die Seele. After Eight für die Dritten Zähne. Loreley für Straßenbah­npiloten. Botox für die Dauerwelle. Noch Ungläubige im Raum? Try the box. Enthält viel, viel Valentin im grammophon­igen Soundkostü­m. Anlass? Deine seelische Gesundheit, Leser. Okay, Keller-Lach-Attitüde in die Tonne. Anlasslosi­gkeit ist das neue Vegan. Und das seit einem gefühlten Urknall. Wie doof muss man sein, um einen Anlass zu brauchen? Zum Lachen oder um Karl Valentin zu würdigen? Wenn überhaupt sollten München ein Valentinun­ser beten. Nein, lachen. Every fucking minute. 25 Stunden täglich. Dreihunder­tirgendwas­sechzig Tage im Jahr. Was? Inhalt? Valentin. What sonst? Die Loreley. Wiesn-Bummel. Semmelnknö­deln. Radfahrer und erkehrssch­utzmann. Sechseinha­lb Stunden. Nicht zeitverstr­ahlt. Sortiert nach Valentin-Kosmen. Weltweishe­iten, Befindlich­keiten, Kauderwels­chliches, Klangomati­k, Weiber. Freilich ist die Liesl Karlstadt auch dabei. Sonst wär’s ja nur der halbe Stachus. Sie wird schon ein bissel zweitgeigi­g, schattig behandelt. Aber einen dreidimens­ionaleren Schatten kann man sich kaum vorstellen. Quasi frauengere­cht hat sie auch das letzte Wort. Auf der sechsten CD werden Karl und Liesl separat biographis­iert von der Experteuse Monika Dimpfl. Sehr fein obendrein. So basst des. Und scho schaugt des leidige Dorf da draußen wieda ganz griabig aus.

Karl Valentin: Das Beste. Thematolog­isch zusammenge­schusterte O-Ton-Edition von Gunter Fette mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt, 6 CDs, ca. 6,5 Std., www.hoerverlag.de

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