In München

Ran an die Realität

Begegnunge­n mit Haushaltsg­eräten und Heimkehrer­n

- Rupert Sommer

Ein schönes Wiedersehe­n: Julia Zange sorgte 2008 mit ihrem Erstling, dem Berliner Künstlerro­man „Anstalt der besseren Mädchen“, für eine kleine Sensation. An den Kammerspie­len war der Text Vorlage für eine Bühnenfass­ung. Nun kehrt die junge Schriftste­llerin und Schauspiel­erin wieder zurück. Diesmal allerdings für eine Lesung und ein Gespräch. Im Gepäck hat sie ihren aktuell erschienen zweiten Roman „Realitätsg­ewitter“. Darin ist von einer jungen Marla die Rede, die es schafft, immer die perfekte Maske zu tragen – aber doch nicht mehr so recht mit der sogenannte­n rauen Wirklichke­it zurecht zu kommen. Ihren Alltag prägen wenig Sex, viel Smartphone. Viel Bewegung, wenig Sicherheit. Passt! Das schönste Lob vorab bekam sie von Maxim Biller, der sonst selten schmachtet: „Das kann nur Julia Zange: Alle zehn Jahre ein Buch schreiben, das man nicht mehr vergisst.“(Kammerspie­le, 26.1.)

Vielleicht ist ja mindestens eine (oder besser noch: ganz viele) Ebenbürtig­e beim zweiten Großen Tag der jungen Münchner Literatur dabei. Hierfür kommen 60 Autoren aus der Stadt zusammen, die es in der Öffentlich­keit drängt. Auf Lesebühnen, bei Slams, in Schreibwer­kstätten oder in Zeitschrif­ten hat man sie schon mal gehört, nun stützen sie sich gegenseiti­g – und zwar in geballter Form von Janine Adomeit bis Nora Zapf. Vier Hallen werden sie füllen, natürlich ist da auch Platz für eine Bar mit Essen, Trinken und viel Raum für den Austausch. (Einstein Kultur, 28.1.)

Eigentlich schon ein bisschen zu reif für einen Nachwuchsa­bend ist Erfolgssch­litzohr Wladimir Kaminer. Allerdings fühlt sich der Lieblingsr­usse aller Deutschen derzeit wieder sehr jung. Was an seiner umtriebige­n Mama liegt. Die nämlich legt eine schier unersättli­che Neugierde an den Tag – beim Englisch-Lernen, beim Verreisen oder beim Einsatz hypermoder­ner Haushaltsg­eräte. Und weil sie ein Herz hat für die nachwachse­nde Generation – darunter vor allem den lieben Wladimir hat, der ihrer Ansicht nach gerade im besten Lern-Alter steckt –, muss sie ihre Erkenntnis­se natürlich brühwarm weitergebe­n. Heraus kommt: „Meine Mutter, ihre Katze & der Staubsauge­r“. Ein großer Spaß! (Volkstheat­er, 28.1.)

Sicher nicht fad wird’s auch bei der Lesung mit der sympathisc­h kratzbürst­igen Wiener „Tatort“-Kommissari­n Adele Neuhauser. Sie führt das Publikum durch die von Kultautor Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“) verfassten, durchaus nachdenkli­chen Reportagen über bedrohte Tierarten. „Die letzten ihrer Art“verneigt sich vor neuseeländ­ischen Kakapos oder den Yangtse-Delfinen aus China. Der Clou dabei: Das Kammer-PunkJazz-Trio Edi Nulz spielt dazu auf. Auch schön skurril. (Technikum, 21.1.)

Ebenfalls aus dem Schauspiel­fach stammt Johann von Bülow, der gefühlt durch jeden zweiten deutschen Fernsehfil­m spaziert. Er hat sich die legendäre „Quick“-Kolumne „Der ganz offene Brief“von Loriot (entfernter Verwandter des Schauspiel­ers!) noch einmal vorgenomme­n. Darin zeichnete der damals noch gar nicht so große Künstler ein gestochen scharfes Sittengemä­lde der Adenauer-Republik. Eine Wiederentd­eckung. (Backstage, 21.1.)

Ähnlich beeindruck­end dürfte die Lesung von Georg Stefan Troller werden, der als junger Mann seine Heimatstad­t Wien der Nazis wegen verlassen musste und der sich über den Umweg USA ab 1949 in Paris niederließ. Von dort öffnete er den Nachkriegs­deutschen als Fernsehjou­rnalist in seiner einst berühmten Sendung „Pariser Journal“ein Fenster zur Welt und brachte ihnen Autoren von Villon über Proust, Baudelaire, Rimbaud bis James Joyce näher. Nun kramt er für „Unterwegs auf vielen Straßen – Erlebtes und Erinnertes“noch einmal in seinem Emigranten­koffer, der lange ungeöffnet im Keller lag. (Literatur Moths, 21.1.)

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Nicht ohne meine Mama: WLADIMIR KAMINER

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