Alberne Erleuchtungen
Eigentlich ist schon wieder höchste Zeit, aufs Jahr zurückzublicken
Er ist ein Mann, der sich an Weisheiten hält. „Das Helle, das sind immer die anderen“, ist Michael Altingers Leitspruch, den er sich bei Sartre geborgt hat. Oder etwa doch bei Beckenbauer? Jedenfalls steht im neuen Programm „Hell“ein Entschluss fest, der wie ein guter Neujahrs-Vorsatz klingt: Altinger, Gastgeber im BR„Schlachthof“und lange Bewohner von „Strunzenöd“, möchte zur Lichtgestalt werden. Es kann doch auch wirklich nicht immer so weitergehen: Das halbe Leben ist rum, allerdings fühlt sich Altinger doch mit Mitte 40 so jung, wie man es noch zu keiner Zeit mit 40 war. Und auch aus der tristen Monotonie der Vorstadt mit ihrer immer gleichen Abfolge von Arbeit, Alkohol und verpasstem Sport muss es doch einen Ausweg geben. Wie gut, dass der Kabarettist gleich ganz groß denkt: Altinger möchte eine neue Religion stiften. Und er braucht eine Vision. Jesus wäre ein gutes Vorbild. Doch der musste sich in Altingers Alter keine Gedanken mehr machen. (Lustspielhaus, 1./2./4.2.)
Auch Peter Vollmer spürt, dass er etwas tun muss – vor allem an sich selbst. So ganz kann es das doch nicht gewesen sein, als Genussmensch mit Golf-Handicap, Bauchansatz, Komfortlimousine und Zweitfrau. Immerhin hat der Mann um die 40 ja auch noch Zeitgenossen wie Brad Pitt, Til Schweiger und Henry Maske. Also quält er sich in der Hamstermühle der Fitnessstudios und stammelt dabei das mühsame Mantra: „Ich möchte niemals auseinandergehen.“Allerdings lauert mittlerweile an jeder Ecke ein Arzt oder Apothe-ker. Und „Prostata“ist für Vollmer zwar noch ein Fremdwort, er spürt aber schon, was es bedeutet. „Frauen verblühen, Männer verduften“ist eine Warnung, nicht alles Geld zur Haarverpflanzung zu tragen. (Schlachthof, 21.1.)
Wer jetzt glaubt, nur die vermeintlichen Herren der Schöpfung wären larmoyante Jammerlappen, der sollte sich mal ins „Aus is!“-Sperrstundenkabarett von Andrea Limmer setzen. Und zwar rechtzeitig vor Schluss. Sie beschäftigt sich im neuen Solo mit Anfang und Ende und der ungemütlich unruhigen Zeit dazwischen. Warum schwanken wir immer zwischen Fernund Heimweh? Wie steigt man beständig und sicher, aus oder um? Landflucht ist jedenfalls keine echte Alternative. Das lehrt uns schon Limmers 80-jährige Adoptivgroßmutter Zilli, die mit ihrer Mistgabel einen Guerillakrieg gegen die Gefahren der Moderne angezettelt hat. Aufpassen! (Schlachthof, 20.1.)
Wo wir schon kurz ins würzig duftende Landleben hineinschnuppern: Auch der Gaudibursche namens Luis aus Südtirol stellt die richtigen Fragen. Etwa jene, ob der Hahn im Korb seine eigentlichen Aufgaben überhaupt ordnungsgemäß erfüllen kann, wenn er die ganz Zeit im Korb verbringt. Oder noch viel drastischer: Ist der Mann mit viel Holz vor der Hütte in Wirklichkeit gar kein Mann? Man will es lieber gar nicht so genau wissen. (Schlachthof, 25.1.)
In einer merkwürdigen Identitätskrise steckt dieser Tage übrigens Matthias Egersdörfer. Und das hat einen einfachen Grund: Seit er die „Geschichten aus 1001 Nacht“entdeckt hat, ist er schwer verwirrt. Er kleidet sich mit Turban und Kaftan, hat sich sogar einen langen Bart wachsen lassen. Von seiner Frau verlangt er, dass sie ihn nur noch Scheherazade nennt. Und er kann ihr mehr oder weniger glaubhaft versichern, dass er um sein Leben erzählen muss. „Die Rückkehr des Buckligen“klingt wie ein Märchen, ist aber Titel des neuen Programms mit dem Grummel-Franken. Er hat den Korken rausgezogen und den Geist aus der Flasche gelassen: Jetzt wütet die Kapelle Gankino Circus aus Dietenhofen über die Bühne und berauscht sich an besoffenen Kirchweihliedern. Das kann ja heiter werden. (Lustspielhaus, 27.1.)
Jedes Mal aufs Neue von der Musik verzaubern lässt sich zum Glück auch Frank Grischek, der ein nicht minder garstiger Grantler ist. Allerdings weiß er, wie er sich sicher selbsttherapiert. Er schnallt sich einfach wieder sein Akkordeon vor den stattlichen Leib. Sein Instrument gilt zu Recht als Lieblingsinstrument der Melancholiker, Grischek selbst zweifelsfrei als mürrisch. „Akkordeon. Aber schön“lautet trotzdem sein Versprechen. Er nimmt seine Zuhörer mit in die Stadt der Liebe, trottet mit ihnen durch die öden Highlands von Schottland, feuert dann mit Tango nach und lässt selbst noch am Kap Hoorn ein Gefühl der guten Hoffnung aufkommen. All das ist pure Verzauberung, ohne dabei übertrieben freundlich zum
Publikum zu sein. (Lach- und Schießgesellschaft, 31.1.)
Apropos Verzauberung: Damit kennt sich natürlich Luke Dimon, der amtierende Deutsche Meister der Zauberkunst, bestens aus. Der junge Münchner gilt als Senkrechtstarter der Frauen-Zersägen-Szene und weiß, wie man einen Saal gleichzeitig zum Staunen und Lachen bringt. „Mystika“nennt er sein neues Programm. (Das Schloss, 21.1.)
Während man beim Mentalisten zwar verlässlich mit Wundern rechnen muss, lässt Götz Widmann sein Publikum gerne mal zappeln. In die üblichen Schubladen will sich der PunkKabarett-Anarcho-Charmeur nicht so einfach pressen lassen. „Sittenstrolch“heißt daher auch vielversprechend schlüpfrig sein aktuelles Liedermacher-Programm, das sich lustvoll allen Erwartungen widersetzt. (Backstage Halle, 27.1.)
Beim Münchner Science Slam ist die Überraschung zwar ebenfalls Programm, allerdings weiß man, worauf man sich freuen kann, ist die Reihe doch bestens eingespielt. Auch bei der siebten Ausgabe der augenzwinkernden Lehrstunde, für die man Ohren und Hirn spitzen sollte, geht es darum, unterhaltsame Vorträge im denkbar unifernen Ambiente zu platzieren. Sieger ist, wem es in zehn Minuten Redezeit gelingt, das Publikum komplett ausrasten zu lassen. Was zu beweisen wäre ... (Einstein Kultur, 20.1.)
Tobias Mann ist das angeblich schon öfter gelungen, immerhin hat er sich jetzt schon zehn erfolgreiche Jahre auf der Bühne gehalten. Das gilt es im Best-of-Programm zu feiern. Noch einmal erinnert der Bayerische-Kabarettpreisträger dabei an seine Anfänge: Wir schreiben das Jahr der großen Umwälzungen: Eine Frau wurde Bundeskanzlerin, ein Deutscher Papst, Hartz IV trat in Kraft und sein Erfinder zurück. Und statt Hammelfleisch aß man damals noch Gammelfleisch. Wie die Zeit vergeht. (Lustspielhaus, 22.1.)
Ecco Meineke kennt das – und nimmt das rasante Verrinnen der Zeit sehr ernst. Deswegen ist jetzt auch schon wieder höchste Eisenbahn für seinen traditionellen Jahresrückblick. Der bezieht sich auf die ersten 25 Tage des gerade mal angebrochenen Jahres 2017. Was waren die wichtigsten Highlights, die großen Ereignisse, die besten Toten? Hier erfährt man es, falls man selbst nicht richtig aufgepasst hat. (Vereinsheim, 25.1.)
Ein wenig gründlicher geht zum Glück der alte Spötter Henning Venske die Sache an. Er blickt in „Das war’s! War’s das?“noch einmal auf 2016 zurück. Alles, was sich öffentlich regte, kreuchte oder fleuchte, wird von dem gewissenhaften Satire-Facharbeiter aus Hamburg noch einmal angemessen skeptisch begutachtet. Und dann verteilt Venkse Prügel. Gnade kennt er nämlich keine. Einer muss schließlich dem Unfug Einhalt gebieten. (Lach- und Schießgesellschaft, 26./27./28.1.)
Für den gehobenen Unfug sind Ulan & Bator immer zu haben. Und deswegen darf man ihnen keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil: Man muss die beiden Strickmützen-Freaks dafür lieben. Sie schöpfen im weiterhin mustergültigen Programm „Irreparablen“aus den Vollen und setzen auf Satire, Lied, Comedy, klassisches Theater und Slapstick. Irgendwo dazwischen ist dann plötzlich doch noch Platz für Gesellschaftskritik. Denn die ist bei ihnen oft zu wahr, um nicht verrückt zu sein. (Lach- und Schießgesellschaft, 30.1.)
Bleibt zum Abschluss die wohlmeinende Empfehlung, sich gleich noch am „Jetzt erst mal für immer“-Solo von Constanze Lindner zu delektieren. Ihre Spielfreude ist eine Wucht, ihr gelegentlicher Mut zur Hässlichkeit verdient viel Respekt. Und ein Wiedersehen mit der russischen Grand Dame Victoria Witchbopp und der unvergleichlichen Cordula Brödke mit der Wollmütze machen immer wieder Spaß. Hingehen – und das gleich mehrmals. (Hofspielhaus, 20.1. und Lach- und Schießgesellschaft, 22. bis 25.1.)