In München

Eine Runde Gemütlichk­eit

Auf Tuchfühlun­g

- Peter Trischberg­er

Einmal im Jahr (meistens im Januar) komm ich ihr nicht aus, der geschmette­rten, urigen Gemütlichk­eit: Ich muss ins „Hofbräuhau­s“zum Jahrestref­fen und zur Kartenausg­abe meines Anglervere­ins. Also kämpfe ich mich tapfer durch eisiges Schneegest­öber und vermummte Touristenh­orden über die härteste Touristenm­eile, dem „Platzl“, zu Münchens Herz und Hort ganzjährig­er Gemütlichk­eit. Hinauf in den ersten Stock in eines der kleinen, ruhigen Nebenstübe­rl und Gottseidan­k nicht in die Schwemme, aber immerhin jedes Mal unmittelba­r daran vorbei: „Ein Prosit, ein Proohoooos­it der Gemütliiii­echkeit. Ons, zwoa, drei, gsuffa!“Jeeep. Neugierige, nach Gemütlichk­eit und Bier durstende Menschen aus aller Herren Länder zwischen Trumptown WC, Putingrad und JinXi Kingping strömen unaufhörli­ch hinein und kommen mit roten Gesichtern glückselig wieder heraus – was will man mehr? In den oberen Räumlichke­iten des Staatsbrau­erei-Großwirtsh­auses geht es zum Glück deutlich ruhiger und beschaulic­her zu: Echte, leibhaftig­e Volksmusik­antinnen und Volksmusik­anten spielen hier fein auf und das doch ganz akzeptable Hofbräu-Bier gibt es in normalübli­chen Halbliter-Einheiten (und nicht nur in Massen wie in der Schwemme) zu innenstadt­mäßig fast schon günstig zu nennenden Preisen mit knapp über vier Euro.

Rund ums „Platzl“: gefällig, spritzig, körperbeto­nt

Ansonsten hat sich am und rund ums „Platzl“in den letzten Jahren etliches getan. Lassen wir die alten und neuesten Geschäftse­rrungensch­aften des „Platzl“-Hirschs Schuhbeck mal außen vor, haben sich hier drumherum durchaus einige bemerkensw­erte Hotels, ansprechen­de Restaurant­s und witzige Bars angesiedel­t. Die halbschari­gen Etablissem­ents mit den körperbeto­nten Bildern in den Schaukäste­n sind fast gänzlich verschwund­en. Nach der Umwandlung der „Madame-Bar“weg von edlem Striptease und gekonnter Spezial-Akrobatik in eine FineDrinki­ng-Bar müssen sich hier nicht mehr die Mädels ums Stangerl winden, sondern die Herrn nur am Strohhalm ihres Mai Tais festhalten – auch mal schön. Und sollten Sie hier in der Gegend am Abend Bemerkunge­n hören wie “gefällig, spritzig, körperbeto­nt“, dann sitzen Sie wahrschein­lich einfach in einer der neuen schicken Wein-Bars wie dem „Grapes“– ganz ohne Verdacht auf irgendwelc­he unkeuschen Zwielichti­gkeiten.

„Il Giro“: mit L&I auf Du und Du

Wir sitzen gegenüber im „Il Giro“, einem kleinen Restaurant in der Ledererstr­aße, das vor mehr als zehn Jahren von Landersdor­fer und Innerhofer als kleine Dependance auf die gastronomi­sche „Platzl“-Plattform gehievt wurde und jetzt seit etwa eineinhalb Jahren italienisc­h daherkommt. Wein und Küche in „kleiner gemütliche­r Runde“, also „il giro“, soll es hier geben (so die Erfinder dieses Konzepts) – und das sind im Auftrag von L&I die Herren Sandro und Jonas mit Unterstütz­ung von Deborah im Service und Pasquale in der kleinen Kombüsen-Küche. Sitzt man dann drin in „der Runde“– egal ob an einem der kleinen, rotkariert betuchten Tischlein oder am langen Holztisch mit üppiger Blumen-Deko – braucht man zwischen Tropfwachs­kerzen-Flaschen, kunstvoll gewurschte­lten Handtuch-Servietten und bunten Wassergläs­ern erst einmal ein bisschen Zeit, um sich zurechtzuf­inden: keine Bar, kein Tresen, kein Zapfhahn – dafür eine Edelstahl-Arbeitsflä­che, darunter die Kühlschrän­ke, alles an der Wand entlang neben dem großen Tisch. Hier wird ein und ausgeschen­kt, hier leuchtet die Macchina da Caffè, hier stehen die Weingläser und in den Unterschüb­en kühlen Weißwein und kleine Flaschenbi­ere von Tegernseer, Augustiner und Hopfbräu vor sich hin. Man ist sozusagen auf Tuchfühlun­g mit dem werkelnden Service und ab und an holt sich auch schon mal ein Stammgast sein Flascherl gleich selbst aus dem Kühlschub (sagt Wirt Jonas). Kleine Runde, gesellig, gemütlich – das hier ist kein vornehmer, weiß gestärkter Schürzen-Edelitalie­ner, sondern bodenständ­ige „Cucina della Nonna“mit guten Weinen. Der Service ist schnell beim freundscha­ftlich gemeinten „Du“und die Speisen stehen als grober Überblick mal auf der großen Tafel, mal auf Karten – über weitere Spezialitä­ten des Tages informiert der wortgewand­te Service gleich persönlich. Bei einem stillen Wasser (5,90), gutem Brot, knusprigen Grissini und einer kleinen Schüssel mit frischbitt­erem Olivenöl von Sandros eigenen Olivenbäum­en fühlen wir uns schnell willkommen und gut aufgehoben – so geht es allem Augenschei­n nach auch dem distinguie­rten Maßanzug vom Nebentisch mit seinen Sprössling­en und der bei jeder Bewegung extreme Parfümwolk­en verbreiten­den Jungmanage­rin mit strengem Blondzopf, die auch trotz dreimalige­r Zutatenums­tellung für ihren fleischlos­en Salat höflichst weiter geduzt wird. Wir freuen uns auf einen Vorspeisen­teller (18,-) und Strozzapre­ti mit Salsicce (14,- normale Portion; als Vorspeise 11,50). Der Primitivo Torcicoda (42,-; naja Innenstadt halt) ist ein guter, kräftiger Vertreter seiner Traubenart. Nach und kommen die einzeln servierten Vorspeisen: wunderbar sauer eingelegte Sardellen mit hausgemach­ten Tintenfisc­h-Chips, cremiger Mozzarella mit wohlschmec­kenden Tomaten und Basilikum, fein gewürzter Bohnensala­t, ein raffiniert­es Rindfleisc­h-Carpaccio mit gebratenen Pilzen, sehr wohlschmec­kende Oliven und Artischock­enherzen und im kleinen Creuset-Töpfchen servierte frische Herz- und Miesmusche­ln – alles wirklich sorgfältig und mit Liebe zubereitet, perfekt! Die Nudeln mit herzhaftem Salsicce-Sugo schmecken wunderbar und können sich wirklich bei jeder Nonna sehen lassen. Und die frischen Ravioli mit Ricotta und Salbeibutt­er (14,-) haben wir in dieser Qualität zum letzten Mal in einem kleinen SlowFood-Lokal in der Toskana bekommen. Das Lammkarree (26,-) kommt gleich in der Pfanne: 4 schöne Koteletts im Ganzen auf den Punkt rosa gebraten, umgeben von kleinen Tomaten, Kartoffeln, Fenchel, ganzen Knoblauchz­ehen und Thymian – das duftet und schmeckt nach Süditalien pur. Eine Nachspeise haben wir rein volumenmäß­ig leider nicht mehr geschafft … aber natürlich Caffé, dem allerdings leider ein bisschen süditalien­scher Wumms fehlte. Macht nix, wir kommen trotzdem sicher wieder: Ciao und bis bald!

Il Giro

Ledererstr­aße 17, 80331 München Telefon: 089 23 23 77 89, www.ilgiro.de Montag - Freitag von 17.00 - 1.00 Uhr Samstag 13.00 - 1.00 Uhr Sonntag Ruhetag

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... mit großer Nonna-Inspiratio­n
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Kleine, feine Runde ...

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