Das Prinzip der Wiederholung
Ekrem Yalcindag zu Besuch in der Galerie Pfefferle
Was macht man mit seinem Leben? Man versucht, es zu füllen. Mit Reisen. Mit Kino. Mit Arbeit. Mit Familie. Mit Spaziergängen. Mit Plänen. Mit Träumen. Mit Sinnlosem. Mit diesem und mit jenem. So ähnlich ist das mit Leinwänden. Der Künstler versucht, sie zu füllen. Mit Leben. Mit Gedanken. Mit Formen. Mit Farben. Ekrem Yalcindag füllt sein Leben, indem er Leinwände füllt. Und zwar streng nach Konzept mit kleinen unregelmäßigen Farbflächen, die sich zu großen Strukturen zusammenfinden. Er füllt die Leinwände randabfallend, Leerraum gibt es nicht. Aufgewachsen ist der 53-jährige in der Türkei, studiert hat er erst in Izmir, bis er 1994 nach Frankfurt ans Städel umzog. Dort wurde er Schüler von Thomas Bayrle und Hermann Nitsch. Mit letzterem ist er bis heute befreundet. „Ich werde oft gefragt, was uns verbindet“erzählt er „und ich sage dann immer: nichts. Wir machen völlig verschiedene Dinge. Aber was uns verbindet, ist das Rituelle. Ich mache jeden Tag das Gleiche, aber immer etwas anders. Ich male.“Was er malt? Farbige Strukturen. Oder strukturierte Farben? Ist das dekorativ? Auch, aber nicht nur. „Floral. Seriell. Abstrakt. Monochrom.“– der Ausstellungstitel beschreibt in vier Schlagwörtern, wie Yalcindag Leinwände füllt. Mit kleinen Formen, die sich aneinanderfügen und die ihren Ursprung in der floralen Ornamentik haben. Aber völlig frei erfunden sind. Seriell ist seine Kunst, weil er seit über zwanzig Jahren an einer einzigen Bildserie arbeitet. Sein Konzept des Formerfindens und kleinteiligen Aneinanderfügens hat er beibehalten. Seriell bedeutet oft ja auch konsequent. Abstrakt sind seine Bilder, weil sie zwar „Der Baum“heißen, es aber keinen Baum zu sehen gibt. Grün, Braun, Formen, die vielleicht an Blätter erinnern, das muss reichen. Monochrom kann man seine Bilder nennen, weil sie sich meist in einer Farbwelt bewegen. Es gibt Bilder ganz in Rot oder Blau oder in verschiedenen Grün- und Gelbtönen. Die Galerie Pfefferle zeigt großformatige und kleine, neue und nicht mehr ganz so neue Arbeiten, also eine Art Retrospektive. Die Wirkung der Bilder verändert sich mit der Entfernung. Nähert man sich, zerfällt die Farbfläche in einzelne farbige Mikroorganismen. Hält man Abstand, fügen sich die Einzelteile zu einem großen Ganzen. Mit einem Pinsel der Stärke Null trägt Yalcindag die Farbe pastos und fast schon reliefartig auf. Eine aufwändige Technik. Sisyphusarbeit nennt es der Künstler selbst. „Es ist eine Strafe. Und erscheint völlig sinnlos. Und bei jedem Bild fängt man aufs Neue an.“Ist das nun serielles Ritual oder ritualisierte Serie? „Keine Ahnung.“So streng er sein Konzept befolgt, im Kopf und im Leben ist Yalcindag freiheitsliebend. Und auf der Suche nach dem Wesentlichen hinter all der Wiederholung. Der Reiz des Seriellen besteht darin, dass durch Wiederholung etwas Neues entsteht, das über das eigentliche Subjekt hinausgeht. Transformation der Routine? Könnte sein. Auf jeden Fall ist es eine lebensfüllende Aufgabe.