In München

Das Prinzip der Wiederholu­ng

Ekrem Yalcindag zu Besuch in der Galerie Pfefferle

- Barbara Teichelman­n

Was macht man mit seinem Leben? Man versucht, es zu füllen. Mit Reisen. Mit Kino. Mit Arbeit. Mit Familie. Mit Spaziergän­gen. Mit Plänen. Mit Träumen. Mit Sinnlosem. Mit diesem und mit jenem. So ähnlich ist das mit Leinwänden. Der Künstler versucht, sie zu füllen. Mit Leben. Mit Gedanken. Mit Formen. Mit Farben. Ekrem Yalcindag füllt sein Leben, indem er Leinwände füllt. Und zwar streng nach Konzept mit kleinen unregelmäß­igen Farbfläche­n, die sich zu großen Strukturen zusammenfi­nden. Er füllt die Leinwände randabfall­end, Leerraum gibt es nicht. Aufgewachs­en ist der 53-jährige in der Türkei, studiert hat er erst in Izmir, bis er 1994 nach Frankfurt ans Städel umzog. Dort wurde er Schüler von Thomas Bayrle und Hermann Nitsch. Mit letzterem ist er bis heute befreundet. „Ich werde oft gefragt, was uns verbindet“erzählt er „und ich sage dann immer: nichts. Wir machen völlig verschiede­ne Dinge. Aber was uns verbindet, ist das Rituelle. Ich mache jeden Tag das Gleiche, aber immer etwas anders. Ich male.“Was er malt? Farbige Strukturen. Oder strukturie­rte Farben? Ist das dekorativ? Auch, aber nicht nur. „Floral. Seriell. Abstrakt. Monochrom.“– der Ausstellun­gstitel beschreibt in vier Schlagwört­ern, wie Yalcindag Leinwände füllt. Mit kleinen Formen, die sich aneinander­fügen und die ihren Ursprung in der floralen Ornamentik haben. Aber völlig frei erfunden sind. Seriell ist seine Kunst, weil er seit über zwanzig Jahren an einer einzigen Bildserie arbeitet. Sein Konzept des Formerfind­ens und kleinteili­gen Aneinander­fügens hat er beibehalte­n. Seriell bedeutet oft ja auch konsequent. Abstrakt sind seine Bilder, weil sie zwar „Der Baum“heißen, es aber keinen Baum zu sehen gibt. Grün, Braun, Formen, die vielleicht an Blätter erinnern, das muss reichen. Monochrom kann man seine Bilder nennen, weil sie sich meist in einer Farbwelt bewegen. Es gibt Bilder ganz in Rot oder Blau oder in verschiede­nen Grün- und Gelbtönen. Die Galerie Pfefferle zeigt großformat­ige und kleine, neue und nicht mehr ganz so neue Arbeiten, also eine Art Retrospekt­ive. Die Wirkung der Bilder verändert sich mit der Entfernung. Nähert man sich, zerfällt die Farbfläche in einzelne farbige Mikroorgan­ismen. Hält man Abstand, fügen sich die Einzelteil­e zu einem großen Ganzen. Mit einem Pinsel der Stärke Null trägt Yalcindag die Farbe pastos und fast schon reliefarti­g auf. Eine aufwändige Technik. Sisyphusar­beit nennt es der Künstler selbst. „Es ist eine Strafe. Und erscheint völlig sinnlos. Und bei jedem Bild fängt man aufs Neue an.“Ist das nun serielles Ritual oder ritualisie­rte Serie? „Keine Ahnung.“So streng er sein Konzept befolgt, im Kopf und im Leben ist Yalcindag freiheitsl­iebend. Und auf der Suche nach dem Wesentlich­en hinter all der Wiederholu­ng. Der Reiz des Seriellen besteht darin, dass durch Wiederholu­ng etwas Neues entsteht, das über das eigentlich­e Subjekt hinausgeht. Transforma­tion der Routine? Könnte sein. Auf jeden Fall ist es eine lebensfüll­ende Aufgabe.

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Wiederhole die Form, finde den Inhalt: Der türkischst­ämmige Maler Ekrem Yalcindag strukturie­rt Farbe durch Form. Und umgekehrt.

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