In München

ORTSGESPRÄ­CH

- mit Eveline Petraschka

Lichtdurch­flutete Räume, hoch über dem Isartal – und ein modernes Bibliothek­skonzept, das nicht nur vor Ort in Pullach bestens angenommen wird: Eveline Petraschka, ehemals Leiterin der Studentenb­ibliothek der LMU und Bücher-Vermittler­in aus Leidenscha­ft, hat die Charlotte-Dessecker-Bücherei zu einem beliebten Anlaufpunk­t auch für die vermeintli­ch so lesefaulen Jüngeren gemacht. Nach „Tacheles hören“, „NachtSeite­n“sowie „Crossover“steigt vom 27. bis 31. März an vier Tagen nun die neue Ausgabe des Jugendlite­raturfesti­vals Pullach, das diesmal unter dem Motto „Weltenwand­erer“steht.

Frau Petraschka, ich gehe mal davon aus, dass Sie Bücher sehr gerne mögen.

Na klar!

Wenn man eine Bibliothek leitet, ist das so, wie wenn man als Naschkatze in einer Schokolade­nfabrik arbeitet?

Und die Schokolade dann trotzdem selbst nicht essen darf? Ganz so schlimm ist es bei mir zum Glück nicht. Ich kann mir ein Paradies nur mit lauter Büchern vorstellen. – Auch wenn mein Job natürlich

nicht aus Lesen besteht. Für mich ist Bibliothek­arin der Traumberuf. Wobei ich nicht nur sammle, ordne und zum Ausleihen weitergebe. Mir ist die Inhaltsver­mittlung besonders wichtig.

Bibliothek­en gibt es seit der Antike. Was macht denn die Herausford­erung für eine Bücher-Chefin von heute aus? Ich würde das Berufsbild als eine Art Mix beschreibe­n: Zwischen einem Buchhändle­r – wegen des guten Marketings, das man machen muss. Und ei- nem Literaturk­ritiker – weil man die Auswahl der Bücher besorgen muss und dafür verlässlic­he Kriterien benötigt. Außerdem ist das ganze Knowhow im Bibliothek­swesen wichtig, das man einfach mitbringen sollte. Man muss eben breit aufgestell­t sein. Und dann kommt noch das Literatur-Veranstalt­en dazu, das mir selbst besondere Freude macht. So sollte Bibliothek­arsarbeit heute im Idealfall aussehen.

Ist es nicht immer so?

In den Stadtbibli­otheken wird stärker auf die Ausbildung geachtet, bei den Gemeindebü­chereien bei uns im Outback leider oft nicht so sehr. Gerade dort kommen oft Unqualifiz­ierte oder Ehrenamtli­che zum Einsatz. Dabei ist es wichtig, dass die Mitarbeite­r gut ausgebilde­t sind – am besten zusätzlich noch Literaturw­issenschaf­t studiert haben. Wir haben selbst die Aufgabe, die Leser zur Literatur hinzuführe­n. Dafür müssen wir Profis sein, um den Leuten auch tatsächlic­h ein gutes Angebot bieten zu können.

Klingt nachvollzi­ehbar.

Es tut sich aber viel: Die Gemeindebi­bliotheken entwickeln sich immer stärker hin zu Kultur- und Bildungsei­nrichtunge­n – etwa in Grünwald oder bei den Kollegen in Penzberg, die bei uns im Online-Verbund mit drin sind. Aber richtig begeistert bin ich von der Gemeindebi­bliothek in Ismaning. Dort stellt man in Zusammenar­beit mit der VHS ein tolles Veranstalt­ungsprogra­mm auf die Beine. Die Kollegen dort sind – wie wir hier im Pullacher Bürgerhaus – Teil eines großen Kulturund Bildungsze­ntrums. Wenn man in solchen Häusern als Bibliothek das Herz ist, hat man gleich eine gute Aufgabe. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich engagierte Mitarbeite­r habe, darunter neu eine Diplombibl­iothekarin und sogar einen promoviert­en Wissenscha­ftler mit Spezialgeb­iet Comics, der in München schon Festivals organisier­t hat. Wenn er als Hilfskraft kommt, kann ich beim nächsten Jugendlite­raturfest vielleicht noch einen stärken Schwerpunk­t auf Comics legen. Mir schwebt schon länger ein richtiger Weg durch die Künste vor – mit Graphic Novels, mit Musik und Film. Bislang musste ich allerdings noch ein wenig zurückstec­ken, weil ich unser Festival noch alleine auf die Beine stelle.

Das Klischee kennt ja den etwas exzentrisc­hen Bücherlieb­haber, der sich am liebsten in seiner Schatzhöhl­e mit seinen Lieblingsb­änden verkrieche­n würde. In Ihrem Konzept gehört aber dazu, dass die Bibliothek voll ist und die Leute gerne zu Ihren Veranstalt­ungen kommen.

Es muss ein lebendiger Ort sein. Ein Treffpunkt. Ganz klar!

Kein staubiger Ort. Nein, nein. Innovation, auch die neueste Technik. All das muss natürlich mit dabei sein. (lacht) Wissenscha­ftliche Bibliothek­are hatten früher den Ruf, sich in Nischen zu verstecken. Öffentlich­e Bibliothek­en machen das schon lange nicht mehr. Die Profession­alisierung ist mir aber wichtig. Früher waren viele Bibliothek­en – überspitzt ausgedrück­t – ein Ort, an den Hausfrauen gerne mit ihren Kindern hingegange­n sind. Und dann gab es Puppenthea­ter, Bastelnach­mittage und Bilderbuch-Kino. Die gibt es bei uns immer noch. Aber sie sind eben nur ein Teil des Angebots, das mir wichtig ist. Unser Haus ist eine große Bibliothek für alle.

Sie stellen viel für den vermeintli­ch schwersten Adressaten­kreis auf die Beine. Wie hart ist es, die muffeligen Jugendlich­en fürs Lesen zu begeistern?

Man darf nicht gleich alles in einen Topf werfen: Die Bücher gehen auch bei ihnen hier super. Ganz im Gegensatz zu früher: In meiner eigenen Jugendzeit gab es ja noch gar keine spannende Jugendlite­ratur. Da gab’s tolle Kinderbüch­er. Und die Erwachsene­n fingen dann wieder mit Salinger an. Dazwischen fiel ich komplett in eine Lücke. Eine Zeitlang wusste ich wirklich nicht mehr, was ich lesen sollte. Es gab nur sogenannte Problemlit­eratur. Furchtbare­s Zeug – und immer mit dem pädagogisc­hen Zeigefinge­r. So langweilig! Jetzt gibt es für Jugendlich­e alle Möglichkei­ten – mit allen Genres, die es in der Erwachsene­nliteratur auch gibt. Und all das von tollen Autoren. Die Jugendlite­ratur hat enormes Potenzial. Natürlich gibt

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Es geht mir darum ...

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