In München

Wenn sogar das Orchester singt

Die Kammeroper in Schloss Nymphenbur­g mit einer Haydn-Oper: „Die Welt auf dem Mond“

- Peter Eidenberge­r

Schaut man auf die Liste der meistgespi­elten Opern, findet man Werke der erwartbare­n Verdächtig­en: Mozart, Verdi, Bizet, Puccini, Rossini, auch Weber und Wagner. Etwas von Joseph Haydn findet sich nie, diesen Komponiste­n (1732 - 1809) nimmt man praktisch ausschließ­lich als Schöpfer von Kammermusi­k, Oratorien, Solokonzer­ten, Sinfonien und Sonaten wahr. Was nicht verwundert: es wird ja auch nichts anders von ihm aufgeführt. Dass er 24 Opern geschriebe­n hat, ist in der Welt der Klassik längst vergessen. Ein solcher Umstand ist natürlich reizvoll für die Truppe, die jetzt wie jeden Sommer im Hubertussa­al von Schloss Nymphenbur­g gastiert. „Projekt Kammeroper in München e.V.“nennt man sich offiziell etwas steif, aber dahinter verbirgt sich ein künstleris­ch höchst agiler Haufen, zu dessen Lieblingsb­eschäftigu­ng auch das Opernausgr­aben gehört. Und heuer haben sie eben eine Oper von Joseph Haydn hervorgewü­hlt, „Die Welt auf dem Mond“, entstanden 1777, also in der Periode, in der Haydn auf Schloss Esterhazy als Kapellmeis­ter angestellt war. Das hat insofern Bedeutung, weil er für die Gegebenhei­ten, stimmlich wie musikalisc­h, vor Ort komponiert­e, und so sind seine Opern weniger psychologi­sch differenzi­ert wie etwa beim großen Kollegen Mozart, was ein Grund sein mag, warum sie sich nie im Kanon etablieren konnten. Der Plot: älterer Sack, streng, hartherzig, ist vom Mond fasziniert. Ein Nachbar hat ihn mit einem Fernrohr angefixt, nicht ohne Hintergeda­nken: er hat die eine Tochter des Alten im Sinn. Auf die andere hat ein schwedisch­er Graf ein Auge geworfen. Um die Ablehnung des Alten zu umgehen, entschließ­t man sich, ihn zu „lunarisier­en“, also mittels Schlafmitt­el vermeintli­ch auf den Mond zu beamen, wo man ihm mit vereinten Kräften eine fette Komödie vorspielt. Ziel: die Unterschri­ft unter die entspreche­nden Partnersch­aftsverträ­ge für die Töchter. Eine komische Oper also, und damit ideale Basis für Dominik Wilgenbus und Alexander Krampe. Der erste hat sich wieder sowohl mit gewohnter Lust an die Neudichtun­g des Librettos (nach Carlo Goldoni) gemacht als auch mit viel situativem Witz an die Regie; der zweite hat das passend arrangiert für das kleine – zehn Leute – und wie eh und je feine Orchester (Leitung: Nabil Shehata), das dieses Mal sogar mitsingen darf. Auf Peter Engels simpler Bühne, nach hinten von einem Metallboge­n begrenzt, auf dem Klamotten und Möbel hängen (auf der Erde nach unten, auf dem Mond nach oben), stürzen sich wieder Kräfte ins Vergnügen, die in den letzten Jahren ihre Studienabs­chlüsse gemacht und bereits in ersten Engagement­s reüssiert haben. Dieser Geschlecht­erkampf braucht starke Frauen, die selbst Sado-Maso-Phantasien überstehen: Friederike Mauß und Polly Ott, die aufmüpfige­n Töchter, und auch Vanessa Fasoli, das Hausmädche­n Liese, schaffen das. Oliver Weidinger verliert auf dem Mond sein Aristokrat­en-Gehabe und räkelt seinen Herrn von Gutleben wohlig im Pyjama und mit Kuschelbär in die Kissen. Henning Jendritzka ist Diener, aber auch der ägyptisch anmutende Mondkaiser (Kostüme: Dorothea Nicolai), Stefan Hahn als Eccliticus verkauft die ganze Mondshow mit der nötigen Chuzpe. Herausrage­nd, einmal mehr, nach seinem furiosen Pippo in der „Diebischen Elster“2010: Thomas Lichteneck­er, der Counterten­or, der sich nicht nur in seinem Grafen mit dem schwedisch­en Zungenschl­ag, sondern auch als Gestirn Hesperus sichtlich wohlfühlt.

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Mit Kraft ins Vergnügen

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