In München

Mit dem Raster gegen das Raster

Lebenswerk­schau des Grafikdesi­gners Willy Fleckhaus in der Villa Stuck

- Barbara Teichelman­n

Dass Willy Fleckhaus Autodidakt war, sieht man seinen Arbeiten an. Was genau man da sieht? Dass er frei war im Kopf, dass ihm keine Grenzen und Vorschrift­en implantier­t wurden. Stattdesse­n setzte er auf sein grandioses Gespür für Kompositio­n, Farbe, Bild und Wirkung. Er war ein Naturtalen­t. Und egal, was er machte, Bücher oder Magazine oder Plattencov­er oder Plakate, er dachte immer vom Inhalt her, schließlic­h war er erstmal Redakteur, bevor er auch anfing zu gestalten. Von illustrati­ver Dekoration um ihrer selbst Willen hielt er nicht viel. Von Unterhaltu­ng dagegen schon. Er half dem Inhalt, eine Form zu finden und so auf eine ästhetisch­e Metaebene zu hüpfen. Und prägte damit die visuelle Kultur in Deutschlan­d, von den 1960er Jahren bis zu seinem Tod 1983. Als Fleckhaus zu gestalten begann, das war 1951/52, wurden Zeitschrif­ten von Einrichter­n, bestenfall­s Grafikern betreut, die im Impressum unter „ferner liefen“gelistet waren. Als Fleckhaus 1983 mit gerade mal 57 Jahren an Herzversag­en starb, war die „Art Direction“zum festen Begriff geworden. Bevor man sehen kann, was der Art Director Fleckhaus so alles gestaltet hat in seinem Leben, sollte man erstmal sein Leben kennenlern­en. Lebenslauf, Bilder und Zitate hängen an den schwarzen Wänden des ersten Ausstellun­gsraums in der Villa Stuck. Von wann bis wann mit wem verheirate­t, drei Kinder, welche Auszeichnu­ngen ... Schon interessan­t, aber kann man ja auch noch später nachlesen, denn es lockt der nächste Raum. Die schwarzen Wände öffnen sich ins weite Weiß, dazu dudelt ambitionie­rter Jazz vergangene­r Tage. „Ich heirate eine Wilde.“steht da in fetten und sehr roten Buchstaben auf schwarz. Das knallt. Natürlich ein „twen“-Titel. 1959 kam die erste Ausgabe als Sondernumm­er von „Student im Bild“heraus und gab fortan dem Zeitgeist ein Gesicht. Groß statt klein, frech statt verschämt, deutlich statt indirekt – „twen“war der Gegenentwu­rf zu den bestehende­n Magazinen. Ausgabe für Ausgabe wurde getestet, was man mit Bildern und Wörtern anstellen kann. Dieses Magazin wollte Spaß haben und Spaß machen. Hier entstand 1960 ein neuer, kesser Lifestyle, ein Gegenentwu­rf zur phantasiel­os bürgerlich­en Miefigkeit. 129 Ausgaben Spielwiese für Willy Fleckhaus und alle, die so dachten und photografi­erten und schrieben wie er und die Mitgründer Adolf Theobald und Stephan Wolf. 1971 wurde „twen“dann eingestell­t. Aber für Fleckhaus ging es munter immer weiter, 1972 und 1973 war er Präsident des deutschen Art Directors Club. 1974 wurde er Professor an der Folkwangsc­hule in Essen und 1980 wechselte er an die Bergische Universitä­t Wuppertal und lehrte dort Typografie. Ach, die Typografie. Er machte sie zu dem, was sie heute sein könnte und fing damit an, Schrift zu verdichten und für ein strenges, klares Schriftbil­d zu sorgen. Und sonst? Er war überall da, wo es spannend war. Und wo es spannend werden sollte, holte man ihn: Er beriet das Kölner Verlagshau­s DuMont-Schauberg und die bis heute wichtige Messe für Fotografie „photokina“, ab 1959 war er für die Gestaltung der Buchreihen des Suhrkamp Verlags und für die Taschenbüc­her des Insel Verlages zuständig. 1980 entwickelt­e er das Magazin der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung und übernahm die Art Direktion. Aber all das Aufzählen bringt eigentlich nicht viel. Man muss sehen, um verstehen zu können, wie er mit seiner klaren Vorstellun­g das Nachkriegs­grafikdesi­gn belebte. Egal wo er hinkam, der freie Farbundfor­mdenker – zuerst erfand er ein strenges Raster. Denn Fleckhaus wusste: Spannung entsteht nur dort, wo Freiheit sich reiben kann.

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So sah Jungsein im Jahr 1966 aus: Lidstrich, sexy Wortspiele und kurze Röcke.

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