Mit dem Raster gegen das Raster
Lebenswerkschau des Grafikdesigners Willy Fleckhaus in der Villa Stuck
Dass Willy Fleckhaus Autodidakt war, sieht man seinen Arbeiten an. Was genau man da sieht? Dass er frei war im Kopf, dass ihm keine Grenzen und Vorschriften implantiert wurden. Stattdessen setzte er auf sein grandioses Gespür für Komposition, Farbe, Bild und Wirkung. Er war ein Naturtalent. Und egal, was er machte, Bücher oder Magazine oder Plattencover oder Plakate, er dachte immer vom Inhalt her, schließlich war er erstmal Redakteur, bevor er auch anfing zu gestalten. Von illustrativer Dekoration um ihrer selbst Willen hielt er nicht viel. Von Unterhaltung dagegen schon. Er half dem Inhalt, eine Form zu finden und so auf eine ästhetische Metaebene zu hüpfen. Und prägte damit die visuelle Kultur in Deutschland, von den 1960er Jahren bis zu seinem Tod 1983. Als Fleckhaus zu gestalten begann, das war 1951/52, wurden Zeitschriften von Einrichtern, bestenfalls Grafikern betreut, die im Impressum unter „ferner liefen“gelistet waren. Als Fleckhaus 1983 mit gerade mal 57 Jahren an Herzversagen starb, war die „Art Direction“zum festen Begriff geworden. Bevor man sehen kann, was der Art Director Fleckhaus so alles gestaltet hat in seinem Leben, sollte man erstmal sein Leben kennenlernen. Lebenslauf, Bilder und Zitate hängen an den schwarzen Wänden des ersten Ausstellungsraums in der Villa Stuck. Von wann bis wann mit wem verheiratet, drei Kinder, welche Auszeichnungen ... Schon interessant, aber kann man ja auch noch später nachlesen, denn es lockt der nächste Raum. Die schwarzen Wände öffnen sich ins weite Weiß, dazu dudelt ambitionierter Jazz vergangener Tage. „Ich heirate eine Wilde.“steht da in fetten und sehr roten Buchstaben auf schwarz. Das knallt. Natürlich ein „twen“-Titel. 1959 kam die erste Ausgabe als Sondernummer von „Student im Bild“heraus und gab fortan dem Zeitgeist ein Gesicht. Groß statt klein, frech statt verschämt, deutlich statt indirekt – „twen“war der Gegenentwurf zu den bestehenden Magazinen. Ausgabe für Ausgabe wurde getestet, was man mit Bildern und Wörtern anstellen kann. Dieses Magazin wollte Spaß haben und Spaß machen. Hier entstand 1960 ein neuer, kesser Lifestyle, ein Gegenentwurf zur phantasielos bürgerlichen Miefigkeit. 129 Ausgaben Spielwiese für Willy Fleckhaus und alle, die so dachten und photografierten und schrieben wie er und die Mitgründer Adolf Theobald und Stephan Wolf. 1971 wurde „twen“dann eingestellt. Aber für Fleckhaus ging es munter immer weiter, 1972 und 1973 war er Präsident des deutschen Art Directors Club. 1974 wurde er Professor an der Folkwangschule in Essen und 1980 wechselte er an die Bergische Universität Wuppertal und lehrte dort Typografie. Ach, die Typografie. Er machte sie zu dem, was sie heute sein könnte und fing damit an, Schrift zu verdichten und für ein strenges, klares Schriftbild zu sorgen. Und sonst? Er war überall da, wo es spannend war. Und wo es spannend werden sollte, holte man ihn: Er beriet das Kölner Verlagshaus DuMont-Schauberg und die bis heute wichtige Messe für Fotografie „photokina“, ab 1959 war er für die Gestaltung der Buchreihen des Suhrkamp Verlags und für die Taschenbücher des Insel Verlages zuständig. 1980 entwickelte er das Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und übernahm die Art Direktion. Aber all das Aufzählen bringt eigentlich nicht viel. Man muss sehen, um verstehen zu können, wie er mit seiner klaren Vorstellung das Nachkriegsgrafikdesign belebte. Egal wo er hinkam, der freie Farbundformdenker – zuerst erfand er ein strenges Raster. Denn Fleckhaus wusste: Spannung entsteht nur dort, wo Freiheit sich reiben kann.