Sonderbar unterhaltsam Seltsames
Schmerz-Aufschrei-Therapien mit den Fachärzten aus Brandenburg, Österreich und der Schweiz
Ab in die Klinik: Dort versorgen die Weißkittel Pursche und Klucke vom Kabarettkombinat Schwarze Grütze ihre Patienten. In der „Notaufnahme“, so der Titel ihres aktuellen Programms. werden keine Hals- und Beinbrüche behandelt. Schmerzen bereitet dagegen das Ungesunde unseres Miteinanders. So erfährt man, wie mal der Dudelfunk Gaffer zu üblen Unfällen geschickt hat oder wie ein Suizid verhindert, dass man aus der digitalen Welt verschwindet. Außerdem hört man einen rechtslastigen Schreier kurz vor dem Transplantationstermin nach seiner „deutschen“Niere plärren. Am Ende wird klar: „Das Einzige, was in diesem Land wirklich gesund ist, ist das Lachen.“Von Risiken und Nebenwirkungen muss allerdings die Rede sein. (Lach- und Schießgesellschaft, 2./3.9.)
Wohlfühltherapien für die geschundene Seele kann man sich dann gleich bei Alfons, dem ARD-Kultreporter mit dem Puschelmikro, abholen. Er streichelt seine Befragten – nicht nur mit dem Fusselding. Im völlig richtig betitelten neuen Programm „Wiedersehen macht Freude“erzählt der Mann mit der Sport-Jacke, wie er seine Jugend verbrachte und zu dem wurde, was ihn heute ausmacht: zum französischen Reporter in Deutschland mit seiner ganz eigenen Sicht auf die Welt. (Lach- und Lustspielhaus, 14.9.)
Wer die Außenperspektive liebt, sollte gleich auch noch das Programm des gerade mal 30-jährigen Marc Haller, eines Wahl-Wieners, mitnehmen. Mit „Erwin aus der Schweiz“stellt er dem Publikum seine liebenswert verklemmte Kunstfigur vor. Erwin ist dabei mit Fug und Recht das Alter Egos seines Schöpfers, der es auch nicht gerne hektisch werden lässt. Statt Fast Food servieren die beiden häppchenweise ein wohl schmeckendes, philosophisch gewürztes Gourmet-Menü, das alle Aktualitäten in geschmackvollen Nuancen anzitiert. Haller selbst ließ sich übrigens sowohl zum Zauberer als auch zum Schauspieler ausbilden – und das unter anderem im Lee Strassberg-Institut in New York. In seine Bühnenshow fließen beide Elemente ein, die nicht als klassische Comedy, aber auch nicht als reine Zaubershow, sondern als ein gewinnbringendes Ganzes verstanden werden will. (Schlachthof, 7.9.)
Noch einen Zacken seltsamer als der gute Erwin ist Jan Philipp Zymny, was er schon mit seinem ersten „Bärenkatapult“, das in die Untiefen des Unsinns abtauchte, unter Beweis stellte. Mit „Kinder der Weirdness“widmet er sich der Sonderbarkeit an sich. Dabei werden die großen Fragen abgearbeitet: „Hä?“, „Was ... ich ... warum?“ und „Wie sind Sie hier herein gekommen?“. Zymny mischt ebenfalls – er rührt Theater, Comedy und PoetrySlam-Literatur durcheinander. Besonders gern verheddert er sich dabei in Streitgespräche mit der Videoleinwand. (Vereinsheim, 5.9.)
Die große Welt in die kleine Weltstadt holt Michael Mittermeier, der nicht mehr auf seine GaudiburschenGrimassen reduziert werden will. Immerhin hat er sich zuletzt dem härtesten internationalem Publikum gestellt – unter anderem auf dem Fringe-Festival in Edinburgh. Und das auf Englisch. Für „The United Nations of Comedy“hat er als Spielpartner den kosmopolitischen Pariser Yacine Belhousse eingeladen, mit dem er sich ein Standup-Gefecht liefert. (Vereinsheim, 13.9.)
Nicht vergessen sollte man zum Abschluss den unerbittlichen Hinternhoch-Befehl, sich das Programm von Severin Groebner anzutun. „Der Abendgang des Unterlands“delektiert sich an ungefilterten Tweets, Posts, Links, Fotos und Fake News. Und immer wieder kreist die Gaudi um die bange Frage, was wohl am Morgen danach passiert, nachdem das Abendland endlich abgeschmiert ist. (Lach- und Schießgesellschaft, ab 12.9.)