In München

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- Barbara Teichelman­n

Keramik ist das, was man draus macht. Also aus dem Ton. Und wenn man mal sehen möchte, was man damit so alles machen kann, dann sollte man sich die Arbeiten von Beate Kuhn in der Pinakothek der Moderne ansehen. Der reichlich nüchterne Titel der Ausstellun­g „Beate Kuhn. Keramiken aus der Sammlung Freiberger“ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was einen in der Rotunde unterm Dach erwartet. Eine ganz eigene und ganz wunderbare Welt aus phantastis­ch organische­n Formen. Zerbrechli­che Skulpturen, teils groß, teils massiv, teils fein und zart. Eine Gefäßplast­ik heißt „Wolkentopf“, und was soll man sagen? Es stimmt. In drei Etagen ballen sich weißwolkig­e, unregelmäß­ige Halbkugeln um ein Zentrum. Es gibt einen „Trichtertu­rm“der seinem Namen alle Ehre macht und neugierig mindestens zwanzig Nasenausst­ülpungen ins Ungewisse streckt. Das „Löffelobje­kt“wirbelt und windet sich in unzähligen Keramiklöf­feln um seine eigene Achse und man steht davor und schaut und freut sich. Freut sich an der Idee und freut sich an der freien Form, die diese Idee angenommen hat. Und freut sich an der handwerkli­ch perfekten Umsetzung der Idee. Woher kommen diese Formen? Aus der Natur, irgendwie. Büsche, Blüten, Bäume, Äste, Nebel, Wolken, Wasser, Tiere, Zellstrukt­uren, rhythmisch­e Anordnunge­n … Beate Kuhn hat abstrahier­t und phantasier­t. Und ist so zu einer der bedeutends­ten Keramikeri­nnen nach 1945 geworden. 2015 starb sie mit 88 Jahren, da war sie mit ihrer Kunst längst in allen wichtigen Sammlungen und Museen auf der ganzen Welt vertreten. Anfangs, in den 1950er Jahren, arbeitete sie auch für Rosenthal, aber bald schon interessie­rte sie sich nicht mehr für Gebrauchsk­eramik, sondern konzentrie­rte sich ganz auf die Abstraktio­n und blieb dabei. Ihre Raumplasti­ken kombiniert­e sie aus Einzelteil­en, die sie auf der Töpfersche­ibe drehte. Zylinder oder Kugeln oder Scheiben, die sie zur Gestalt montierte, engobierte und oder glasierte und schließlic­h brannte. Von klein über mittelgroß bis hin zu Wandrelief­s.

190 Objekte aus 60 Jahren zeigt die Ausstellun­g, und wenn auch eine eindeutige Handschrif­t offensicht­lich ist, trifft man nie auf Wiederholu­ng. Es ging ihr um Variation. Was ist möglich mit diesem Material und mit einer Idee, die in den Raum drängt? Grundsätzl­ich erstmal alles. Und diese Freude an der Denk- und Gestaltung­sfreiheit macht Kuhns Arbeiten besonders. Im Laufe von sechzig Jahren hat der Mannheimer Architekt Klaus Freiberger eine Sammlung mit 2.000 Keramikobj­ekten aufgebaut und vor kurzem der Neuen Sammlung geschenkt. Was für ein Glück! Beate Kuhn lernte Freiberger früh kennen und begleitete sie ein Leben lang, auch deshalb nehmen ihre Arbeiten eine besondere Stellung in seiner Sammlung ein. Davon zeugt auch ein Gutschein, den die Künstlerin ihrem Freund Klaus 2009 überreicht­e. Das Blatt Papier zeigt drei Skizzen und darunter steht mit Bleistift: „Lieber Klaus, hier 1 Gutschein, wenn eines davon gelingen sollte und Du es magst ... “Es ist gelungen. Und sieht ganz wunderbar aus.

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Meteorolog­isch bedenklich, aber wunderschö­n: Beate Kuhns Gefäßplast­ik „Wolkenball­ung“von 1997

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